Klimawandel im Landkreis:Zielkonflikt auf dem Weg zur Energiewende

Solarpark bei Moorenweis, 2013

Photovoltaik-Anlagen sind für die Energiewende unverzichtbar. Doch es gibt nicht genug Freiflächen.

(Foto: Johannes Simon)

Bis zum Jahr 2035 soll im Landkreis Freising der komplette Strombedarf aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Dafür wären mehrere hundert Hektar an neuen Photovoltaik-Anlagen notwendig. Doch die in Frage kommenden Flächen sind knapp.

Von Kerstin Vogel, Freising

Wenn im Landkreis Freising - wie beschlossen - bis zum Jahr 2035 der komplette Strombedarf aus erneuerbaren Energien gedeckt werden soll, sind mehrere hundert Hektar an neuen Photovoltaik-Freiflächenanlagen notwendig. Das geht aus einer Studie zum Ausbaubedarf der erneuerbaren Energien im Landkreis hervor, die Anfang Februar von der Solarregion Freisinger Land und der Bürger Energie Genossenschaft-Freisinger Land eG (BEG) vorgelegt worden ist.

"Selbst, wenn wir alle verfügbaren Flächen nutzen würden, wäre es zu wenig", unkte Moritz Strey, Energiebeauftragter am Landratsamt Freising, angesichts der Zahlen aus der Studie. Tatsächlich gibt es Probleme. Denn die in Frage kommenden Flächen sind knapp, allein 61 Prozent der technisch nutzbaren Bereiche liegen nach Aussage der Studie in Landschaftsschutzgebieten. "Es gibt hier natürlich den Zielkonflikt Energiewende gegen Natur- und Landschaftsschutz", räumte Landrat Helmut Petz ein.

Die Autoren der Studie empfehlen nun, Vorrangflächen für PV-Freiflächenanlagen durch die Kommunen oder auch interkommunal in Flächennutzungsplänen entlang von Autobahnen, Bahnlinien sowie auf weiteren größeren zusammenhängenden Flächen auszuweisen. In der Stadt Freising, die ausdrücklich das Ziel einer klimagerechten und energieeffizienten Stadt verfolgt und mit dem Landkreis Freising eigentlich bis 2035 unabhängig von fossilen Energieträgern werden will, hat man das bereits durchdekliniert und ist auf gut 40 Hektar Fläche entlang der A 92 und weitere 37 Hektar an der Bahn gekommen, die als Vorrangflächen für Freiflächen-PV-Anlagen in Betracht kämen, Wildtierkorridore und aus anderen Gründen freizuhaltende Flächen abgezogen.

Auf diesen insgesamt 77 Hektar könnten 76,23 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugt werden, wie die Stadtverwaltung ermittelt hat. Das wären etwa 20,4 Prozent des für das Jahr 2030 für Freising jährlich prognostizierten Strombedarfs. Weil die Notwendigkeit, die Energiewende voranzutreiben, auch im Freisinger Stadtrat gesehen wird, stimmte der Planungsausschuss diesem Konzept in seiner jüngsten Sitzung auch zu - allerdings gab es zwei Gegenstimmen.

"Nicht auf guten Ackerflächen"

Während Manfred Drobny (Grüne) zwar ebenfalls eine "Flächenkonkurrenz" einräumte, gleichwohl aber von einem "durchdachten Vorschlag" sprach, warnte Anton Frankl (FSM) davor, gute Ackerflächen für Fotovoltaikanlagen zu nutzen. Er sei sehr für die Sonnenenergie, sagte er, der selber Landwirt ist, aber nicht auf ertragsstarken Flächen, denn: Für jeden Hektar, der man hierfür aus der Produktion nehme, werde am Amazonas ein Hektar Regenwald abgeholzt. "Warum bauen wir diese Anlagen nicht ins Freisinger Moos?", fragte er: "Dann muss der Naturschutz halt mal einen Sprung machen."

Natürlich müsse das im Detail noch diskutiert werden, beschwichtigte Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher: "Das sind ja nicht alles Weizenflächen, von denen wir hier reden, zum Teil wird da Mais für Biomasse angebaut." Die Diskussion sei wichtig, räumte auch Drobny ein, deshalb setze man auf die Freiflächen-Photovoltaik eigentlich nur übergangsweise. Die Anlagen könnten ja zurückgebaut werden, wenn der notwendige Zubau auf den Dachflächen im Laufe der Jahre gesteigert werde. "Man merkt, dass die Fläche eng wird, aber das ist kein Grund das jetzt abzulehnen", so Drobny. Das zumindest sah auch Robert Weller (FW) anders, der die Argumentation Frankls einleuchtend fand und deshalb mit diesem gegen die Vorrangflächen an Bahn und Autobahn stimmte.

Weiterführende Erkenntnisse erhoffen sich Stadt und Landkreis Freising nun ohnehin noch von einem Studienprojekt der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, die derzeit läuft und kürzlich auch bei der Bürgermeisterdienstbesprechung vorgestellt wurde. Professor Markus Reinke wird dabei zwischen März und Juli 2022 zusammen mit seinen Studierenden eruieren, welche Flächen im Landkreis Freising für PV-Freiflächenanlagen aus naturschutzfachlicher Sicht geeignet sind. Diese Potenzialanalyse soll am Ende in eine flächengenaue Karte einfließen, die in vier Kategorien einteilt, wo in Landschaftsschutzgebieten entsprechende Anlagen erstellt werden könnten.

Der "zweite Stock" könnte die Lösung sein

In der Konkurrenz mit der Landwirtschaft könnten künftig außerdem neuartige Anlagen helfen, die sozusagen "den zweiten Stock " erschließen, wie es Drobny in der Ausschusssitzung formulierte. Pläne zum Ausbau derartiger Agri-Photovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen haben kürzlich auch die Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Umwelt und Landwirtschaft vorgelegt. Das geht aus einer Mitteilung des Freisinger SPD-Bundestagsabgeordneten Andreas Mehltretter hervor.

Mit diesen Anlagen könnten Äcker gleichzeitig zur Stromerzeugung und zum Anbau von Pflanzen genutzt werden, weil die Solarpanels wie ein Dach auf hohen Gestellen montiert werden, damit für die Pflanzen darunter noch genügend Licht ankommt. Solche Anlagen sollen Mehltretter zufolge künftig auf allen Ackerflächen über das EEG grundsätzlich gefördert werden können. Auch eine Förderung mit Mitteln der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik sei weiterhin möglich, sofern die landwirtschaftliche Nutzung nur bis zu 15 Prozent durch die Stromerzeugung beeinträchtigt würde. Schutzgebiete, Grünland, naturschutzrelevante Moorböden und Ackerflächen seien hier wiederum aus Gründen des Naturschutzes und des Klimaschutzes ausgeschlossen. "Mit Agri-Photovoltaik-Anlagen fallen diese Flächen nicht aus der landwirtschaftlichen Nutzung, sodass wir Landwirtschaft und Energiewende gut in Einklang bringen können", erklärt Mehltretter.

Erst 20 Prozent der Energiewende vollzogen

Dass das nötig ist, belegen auch die Zahlen aus der Freisinger Land-Studie. "Zur Halbzeit des Energiewendebeschlusses von 2007 kann heute festgestellt werden: Im Landkreis haben wir rund 20 Prozent der Energiewende vollzogen. Weitere 80 Prozent sind in den nächsten 14 Jahren noch umzusetzen", sagt Andreas Henze, Verfasser der Studie. Der Untersuchung zufolge wäre dazu im Landkreis Freising auch die Windenergie gut nutzbar. Doch durch die derzeit gültigen Abstands- und Höhenbeschränkungen für Windräder seien große Teile des Landkreises ausgeschlossen - vor allem auch im Bereich des Flughafens München und der Radarstation in Haindlfing, so die Kritik.

Die Autoren der Studie empfehlen deshalb auch, von den Betreibern eine Karte mit möglichen Standorten für Windräder einzufordern. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang: "Die 10H-Regelung als sehr großes Zubauhindernis muss abgeschafft oder zumindest auf geeignete Weise modifiziert oder durch eine andere Lösung ersetzt werden." Dieser Meinung ist auch Landrat Petz: "Die 10H-Regel hat den Ausbau der Windkraft im Landkreis praktisch zum Stillstand gebracht."

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