Klimawandel:Freisings Zukunft ist rot

Klimawandel: Sportplätze wie hier in Lerchenfeld könnten künftig dazu dienen, Wassermassen bei Starkregen aufzufangen.

Sportplätze wie hier in Lerchenfeld könnten künftig dazu dienen, Wassermassen bei Starkregen aufzufangen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Während eines Stadtspaziergangs informiert die Stadt über das Klimaanpassungskonzept 2050 - doch allein wird sie es nicht richten können. Auch die Bürger müssen reagieren.

Von Lena Meyer, Freising

Sonnenhüte, kurze Hosen, ein Eis in der Hand - die Freisingerinnen und Freising trotzen derzeit den hohen Temperaturen. Mancherorts soll das Thermometer in dieser Woche auf bis zu 40 Grad Celsius klettern. Ob langanhaltende Hitze oder Starkregen - extreme Wetterphänomene häufen sich und werden zu einer zunehmenden Gefahr. Deswegen erarbeitete die Stadt Freising das Klimaanpassungskonzept Freising 2050, kurz Klaps 50 genannt, einige Maßnahmen stellten Vertreter der Planungsbüros bei einem Stadtspaziergang durch Lerchenfeld vor.

Ziel des Projekts ist es, Strategien und Strukturen zu schaffen, um eine Anpassung an den Klimawandel zu ermöglichen. Eineinhalb bis zwei Jahre wurde das Maßnahmenbündel entwickelt. Der Stadtteil Lerchenfeld biete verschiedene Quartiere, in denen sinnvolle Initiativen zum Schutz vor Hitze und Starkregen demonstriert werden können, erklärte Andrea Brandl vom Amt für Stadtplanung und Umwelt zu Beginn. Ausgestattet mit Wärmebildkamera, Sonnenhüten und viel Wasser zog die Gruppe los, durch das Quartier am Schwimmbadgraben, die Obere Pfalzgrafstraße und die Erdinger Straße.

Kein "konkreter Zukunftsbaum" aber multifunktionale Sportplätze

Freisings Zukunft ist rot. Das zumindest zeigen Modelle, die Beschäftigte der Stadt entwickelt haben. Mit Hilfe einer Simulation gelang es ihnen, einen Hitzetag der Zukunft zu modellieren. Rot steht dabei für Hitze, während grün kühle Stellen im Modell symbolisieren soll. Aktuell können diese noch gefunden werden, in Zukunft aber wird das Grün an heißen Tagen verschwinden und einem knalligen Rot Platz machen. Ohne Veränderungen wird es also noch heißer, noch ungemütlicher in der Stadt. Besonders offene, freie Flächen, wie beispielsweise der Sportplatz am Schwimmbadgraben, stellten ein Problem dar, schilderte Christoph Tauscher vom Büro Landschafts- und Freiraumplanung WGF Nürnberg: "Wenn er trocken ist, heizt sich ein Rasen genauso auf wie eine befestigte Fläche."

Klimawandel: Auf dem Asphalt in der Erdinger Straße staut sich die Hitze, entlang des Straßenzugs sollen mehr Bäume gepflanzt werden.

Auf dem Asphalt in der Erdinger Straße staut sich die Hitze, entlang des Straßenzugs sollen mehr Bäume gepflanzt werden.

(Foto: Marco Einfeldt)
Klimawandel: Wasser wie hier am Schwimmbadgraben kann zur Kühlung der Städte ebenso beitragen wie Bäume, das erklärten die Experten beim Stadtspaziergang in Lerchenfeld.

Wasser wie hier am Schwimmbadgraben kann zur Kühlung der Städte ebenso beitragen wie Bäume, das erklärten die Experten beim Stadtspaziergang in Lerchenfeld.

(Foto: Marco Einfeldt)

Entgegenwirken kann dem ein Baumbestand. Bäume spenden Schatten und sind deswegen wichtig zur Kühlung. "Durch unser Konzept sieht man, wie wertvoll die Bäume sind", sagte Tauscher. Doch Neuanpflanzungen seien nicht so einfach: Es müssten klimagerechte Bäume gewählt werden, Arten, die mit den neuen Bedingungen klar kommen. Christoph Tauscher merkte an, es gebe "keinen konkreten Zukunftsbaum". Man wisse es noch nicht genau. Man wisse aber, "man muss vielseitig pflanzen." Daher nehme sich die Stadt vor, genau solche Arten zu finden. Tauscher zeigte sich optimistisch: Auch in wärmeren Regionen der Welt gebe es Bäume, die optimal an die dort herrschenden Bedingungen angepasst seien. Da auch Wasser zur Kühlung dient, sollten zudem Räume wie Am Schwimmbadgraben geschaffen werden - Bäche mit Baumbestand, die so angelegt und gestaltet werden, dass viele Menschen sie nutzen können.

Doch nicht nur Hitze wird zu einem gefährlichen Wetterextrem: Die Flutkatastrophe vergangenen Jahres im Ahrtal führte vor Augen, dass Starkregen nicht unterschätzt werden darf. Wohngebiete, die sich in einer Senke befinden, seien besonders gefährdet. Deswegen müsse es zu einer "Entlastung von gefährdeten Senken in der Nähe von Wohngebieten" kommen, sagte Nick Bowsher von Sieker Regenwasseringenieure. Um dies zu erreichen, könnten Freiräume wie Sportplätze abgesenkt werden. Das würde die Situation bei Starkregen deutlich verbessern. Sportplätze könnten somit zukünftig eine Multifunktion zugeschrieben bekommen: Im Fall von Starkregen könnten sie das Regenwasser einstauen. Diese Art von Senken könnten immer weiter vertieft werden, was ihr Fassungsvolumen erhöhen würde, erklärte Bowsher. Auch ökonomisch sieht er Vorteile: Eine "Einsenkung ist wesentlich wirtschaftlicher als eine Zisterne."

"Die Konsequenz fehlt"

Bäume pflanzen gegen die Klimakrise - ein Spruch, den jeder kennt. Wasser und Schatten zur Kühlung, Senken zur Entlastung bei Starkregen, seien ein "uralter Hut", so ein Teilnehmer des Spaziergangs. Den Freisinger Bürgerinnen und Bürgern fehlte es bei dem Treffen an konkreten Maßnahmen. "Das Wissen ist schon lange da, aber die Konsequenz fehlt", monierte eine Bürgerin. Die aufgezeigten Möglichkeiten - "weiß ja jeder!", sagte ein weiterer Teilnehmer. Über die Auswirkungen des Klimawandels sei man sich im Klaren und würde sich nun konkrete Maßnahmen und Veränderungen wünschen, statt Vorschlägen, wie eine mögliche zukünftige Gestaltung aussehen könnte, forderten sie. Jonas Bellingrodt vom Amt für Stadtplanung hielt dagegen: Die Visualisierung von Daten gebe eine Grundlage für weitere Schritte. Das erlangte Wissen könne nun richtig angewandt und in die Stadtplanung inkludiert werden.

So soll es bei Neubauten geschehen. An der Oberen Pfalzgrafstraße sollen beispielsweise sukzessive Altbauten durch neue ersetzt werden. Als energieneutrale Bauten, auf Holzgrundlage und ausgestattet mit Photovoltaik, seien diese Neubauten klimaangepasst. Dem Wohnungsbau gelte Priorität, die Herausforderung liege im Bestand: Langfristig müsste die ganze Stadt umgebaut werden, so Stadtplanerin Vera Dreher vom Büro Berchtoldkrass. Bei der Planung von Neubauten müsse an die Klimaanpassung gedacht werden. Das sei in der Vergangenheit versäumt worden.

45 Grad heiße Steine

Wer die Wüste erleben will, muss oft nicht so weit reisen wie gedacht. In Freising in diesen Tagen nur bis zur Erdinger Straße. Ohne Schatten ist es dort heiß, viel zu heiß. Die Experten und Teilnehmenden des Spaziergangs sind sich einig - der Straßenzug muss grüner werden und darf sich nicht so aufheizen, wie das derzeit der Fall ist. Um das bewerkstelligen zu können, sollen beispielsweise Parkplätze entsiegelt werden. Das ist sinnvoll, wie die Wärmebildkamera zeigt: Während sie auf der Grünfläche in der prallen Sonne 36 Grad Celsius misst, zeigt sie für den Stein 45 Grad Celsius an. Wie hitzefördernd versiegelte Erde ist, ist somit selbsterklärend. Für den nötigen Schatten sollen Bäume sorgen. Sie sollen sich in Eintiefungen in 80 Zentimeter tiefen, unterirdischen Kästen befinden. Diese werden mit Kies gefüllt, der das Wasser bei Starkregen filtert. Das gereinigte Wasser könnte den Bäumen somit zugeführt werden.

Wasser ist das Stichwort. Starkregen auf der Erdinger Straße ist gefürchtet, da es nicht gut ablaufen kann. Derzeit erfolgt die Entwässerung über Gullys - die können häufig aber die Wassermassen nicht mehr aufnehmen. Ein sogenannter Notwasserweg muss her. Dafür muss der spitz zu laufende Dach-Aufbau der Straße - mit dem höchsten Punkt in der Fahrbahnmitte - umgekehrt werden, damit das Wasser besser abfließen kann, weiß Bellingrodt. Diese Maßnahme sei bereits in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen erfolgreich umgesetzt worden und könnte auch die Zukunft der Erdinger Straße werden.

"Die Stadt allein wird es nicht richten können."

Aber es wird auch auf die Bürgerinnen und Bürger privat ankommen. "Die Stadt allein wird es nicht richten können", prophezeite Bellingrodt. Deswegen sei es besonders wichtig, über Maßnahmen zu informieren, die individuell umgesetzt werden können. Wenn es eines gibt, was die Teilnehmenden nach diesem Spaziergang mitgenommen haben, dann wie wichtig es ist, den Boden zu entsiegeln. "Möglichst den Boden offen lassen", ist eine Maßnahme, die privat unternommen werden kann, sagt Brandl. Das bedeutet den Abschied von Steingärten. Doch auch Fassaden- und Dachbegrünungen hält Brandl für sinnvoll. Das fördere die Verdunstung und gleichzeitig Biodiversität.

Unklar ist jedoch die Frage nach der nötigen Kontrolle und Überwachung: Wer würde kontrollieren, ob sich die Bürgerinnen und Bürger an bestimmte Vorgaben halten? Während Fahrsünder schnell ausfindig gemacht werden können und mit hohen Bußgeldern zu rechnen haben, gestaltet sich das für einen Grünsünder schwieriger. Eine Frage, die an diesem Tag zumindest zur Kenntnis genommen wurde.

Auch Kritik an der Planung des Schwimmbads Fresch gibt es: "Wenn wir mit dem Thema Hitze zu tun haben", mit diesen Worten wies einer der Teilnehmer darauf hin, dass sich die Hitze an der grauen Wand des Schwimmbads staue. Auch die Bepflanzung der Mauer mit Bambus sieht er kritisch: "Wir reden immer über Diversität. Mit heimischen Weiden und wenn die Mauer grün wäre, das würde alles helfen." Es zeigt sich, dass in vielen Bereichen ein Umdenken sein wird. Die Stadt allein wird es nicht richten können, auch das hat der Spaziergang gezeigt.

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