Süddeutsche Zeitung

Klimaschutzgesetz:"Aus kommunaler Sicht hilft das nicht wirklich"

Das bayerische Klimaschutzgesetz stößt im Landkreis Freising auf scharfe Kritik. Den Grünen, dem Bund Naturschutz und der Freisinger Klimaschutzmanagerin fehlen verbindliche, detaillierte Vorgaben. Auch die Freien Wähler sind nicht vollends zufrieden.

Von Thilo Schröder, Freising

Bayern hat jetzt ein eigenes Klimaschutzgesetz. Mit den Stimmen der Regierungsmehrheit aus CSU und Freien Wählern hat der Landtag dieses vergangene Woche beschlossen. Prompt folgte scharfe Kritik. Auch im Landkreis Freising ist man unzufrieden: Es fehlten verbindliche Vorgaben, finanzielle Zusicherungen, die Ziele seien vage formuliert und ambitionslos. So sehen es nicht nur Opposition und Aktivisten, auch in der Verwaltung fühlt man sich allein gelassen. Selbst die Freien Wähler sprechen von einem Kompromiss. Allein seitens der Wirtschaft hält man wenig von kleinräumigen Klimazielen. Ein Überblick über die Reaktionen.

Das Klimaschutzgesetz

Das bayerische Klimaschutzgesetz soll einen "angemessenen Beitrag zu den internationalen, europäischen und nationalen Klimaschutzzielen" leisten (Artikel 1). Spätestens bis 2050 soll der Freistaat demnach klimaneutral sein. Der Weg dorthin bleibt allerdings offen: "Jeder soll nach seinen Möglichkeiten zur Verwirklichung der Minderungsziele beitragen" (Artikel 2). Die Staatsverwaltung selbst will bis 2030 klimaneutral sein, den Kommunen "wird empfohlen, entsprechend (...) zu verfahren" (Artikel 3). Das Umweltministerium erstellt zweijährig einen Klimabericht, zudem soll ein dem Ministerium unterstellter Klimarat in beratender Funktion eingerichtet werden (Artikel 7, 8).

Dem Gesetz beigefügt ist ein Zehn-Punkte-Plan mit 96 Maßnahmen zur "Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes in Bayern, Anpassung an die Folgen des Klimawandels und verstärkte Forschung zu Umwelt- und Klimaschutz". Eine Milliarde Euro will der Freistaat dafür investieren, jedoch "nach Maßgabe des Staatshaushalts", also abhängig von der Finanzlage. Klagen mit Bezug auf das Gesetz schließt selbiges ausdrücklich aus: "Subjektive Rechte und klagbare Rechtspositionen werden durch oder auf Grund dieses Gesetzes nicht begründet" (Artikel 10).

Die Abgeordneten

"Das Klimaschutzgesetz ist ein Einstieg, ein Weg in die richtige Richtung", sagt Benno Zierer (Freie Wähler). Statt "Zwangsmaßnahmen" müsse man "die Leute draußen überzeugen", so der Freisinger Landtagsabgeordnete. Gleichwohl, wenn das Paket nicht ausreiche, seien verbindliche Vorgaben denkbar. Teilweise habe er sich diese erhofft, etwa, dass bei Neubauten, Bebauungen oder Dachsanierungen Fotovoltaikanlagen vorgeschrieben werden. Er räumt ein: "Es war nicht einfach, einen Kompromiss mit der CSU zu schließen. Ich hätte mir teils etwas schärfere Formulierungen gewünscht." Zugleich appelliert Zierer an die Bevölkerung: "Wo es am meisten hapert, ist das Konsum- und das Mobilitätsverhalten."

"Wir haben extrem wenig Zeit, da wäre es gut, klare Vorgaben zu machen", moniert hingegen der Moosburger Abgeordnete Johannes Becher (Grüne). Verbindliche Ziele würden bedeuten, dass der Freistaat den Kommunen dafür finanzielle Mittel bereitstellen müsse. Mit reinen Appellen sei das Gesetz aber ein "zahnloser Tiger, so hat das keine Wirkung", sagt Becher. Das CO₂-Minderungsziel sei im Gesetz etwa "ganz allgemein gehalten", nicht an Bereiche oder Sektoren geknüpft. Und es gebe kein Monitoring.

Das kritisiert auch Ingrid Kögel-Knabner. Die Professorin für Bodenkunde an der TU München in Weihenstephan war im September Teil einer Expertenrunde im Landtag, die auf Drängen der Opposition Empfehlungen für das Klimaschutzgesetz abgeben sollte. Schon damals habe sie gesagt: "Wenn man nicht nachschaut, kann man nicht wissen, was man erreicht. Das ist teuer, aber man kann den Zustand der Ökosysteme nicht beurteilen, wenn man nicht regelmäßig Daten sammelt."

Die Klimaschutzmanagerin

"Empfehlungen sind ja ganz nett, aber es wird alles als freiwillige Leistung hingestellt. Eine Verbindlichkeit würde da helfen", sagt auch Marie Hüneke. "Es ist alles sehr, sehr vage, aus kommunaler Sicht hilft das nicht wirklich weiter", so die Klimaschutzmanagerin der Stadt Freising. Das Ziel, das CO₂-Äquivalent der Treibhausgasemissionen je Einwohner bis zum Jahr 2035 auf unter fünf Tonnen pro Jahr zu senken, sei "nicht besonders ambitioniert". Man habe sich erhofft, dass die Zuständigkeiten klarer würden durch das Gesetz, dass eine Vergleichbarkeit durch eine Vereinheitlichung möglich werde. "Jede Kommune macht etwa immer noch ihre eigene CO₂-Bilanz, andere Bundesländer wie NRW sind da viel weiter."

Auf die Eigenverantwortung der Menschen zu plädieren, sei zu wenig, "angesichts der Probleme, die uns erwarten", sagt Marie Hüneke. Statt diverser Förderprogramme mit hohen Hürden brauche es bayernweit verpflichtende Maßnahmen. Auch die vom Bund geförderte, aber auf drei Jahre befristete Stelle der Klimaschutzmanagerin widerspreche dem Gedanken der Verstetigung. Sie selbst habe von der Stadt Freising eine langfristige Perspektive bekommen, "das ist bei vielen Kollegen und Kolleginnen aber nicht so".

Ungeachtet des neuen Gesetzes sei man hinsichtlich der eigenen Klimaziele schon viel weiter als die Staatsregierung, sagt Marie Hüneke mit Verweis auf die "Freisinger Resolution zum Klimawandel", die der Stadtrat im Januar abgesegnet hat. "Im Gesetz ist ja nur von den Verwaltungen die Rede, die bis 2030 klimaneutral sein sollen, und der Freistaat als Ganzes dann bis 2050. Uns geht es aber darum, als ganze Region bis 2035 klimaneutral zu sein."

Der Naturschützer

"Das Klimaschutzgesetz ist ein totaler Reinfall, ambitionslos, keinerlei Probleme lösend, eine blanke Enttäuschung", schimpft der Vorsitzende der Kreisgruppe Freising des Bund Naturschutz, Wolfgang Willner. Man müsse "von Wirtschaft und Industrie verlangen, dass sie ihre Emissionen reduzieren". Von den Kommunen erwarte er sich "wesentlich mehr, da müssen wir Bürger aber auch Druck machen". Etwa bei der Ausstattung mit Fotovoltaikanlagen, dem Bau von Gewerbegebieten oder Windkraftanlagen. Für die Klimaneutralität von der Stadt und dem Landkreis Freising sehe er "durchaus Potenzial, da wird einiges vorangehen". Ein Signal des Freistaats könne es sein, die Dritte Startbahn komplett zu beerdigen. Womöglich wird das Baurecht dafür aber langfristig bestehen.

Der Wirtschaftsvertreter

Bayern als High-Tech-Standort müsse weltweiter Vorreiter bei klimafreundlichen Technologien werden, sagt Bertram Brossardt. Die Wirtschaft sei diesbezüglich "vor allem Teil der Lösung und nicht des Problems", so der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. "Der Freistaat kann mit erfolgreichen Klimatechnologien für den globalen Klimaschutz viel mehr erreichen als mit kleinräumigen Klimazielen."

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SZ vom 21.11.2020/ilos
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