Es ist hier so ganz anders als in ihren Heimatländern. Was ihnen – abgesehen von der Kälte – gleich gefallen hat, sind die bunten Farben im Herbst und wie sehr das kleine, beschauliche Freising mit seinen historischen Bauten und der Campus in die Natur eingebettet sind. Etwa zwei Drittel der Studierenden des Masters „Climate Change Mangement“ kommen aus dem Ausland, auch Damla Önen Schmalwasser, Fariba Hemmati und Zanna Kaumi. Alle drei haben im Herbst ihr Studium an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) aufgenommen. Was sie eint, ist, dass in ihren Heimatregionen – der Türkei, Iran und Nigeria – die Folgen des Klimawandels große Probleme bereiten, vor allem durch die zunehmende Trockenheit.
Den englischsprachigen Studiengang hat die HSWT zum Wintersemester 2020/21 eingeführt und das Interesse daran steigt stetig, wie Koordinator Matthias Drösler sagt. Im vergangenen Jahr gingen etwa 300 Bewerbungen ein, 50 Studierende wurden zugelassen. Die Besonderheit sei, dass nicht nur wissenschaftliche Grundlagen vermittelt würden, sondern dass es gezielt darum gehe, in Projektgruppen Lösungen zu entwickeln, wie Klimaschutz in der Praxis umgesetzt werden kann, mit globalem Anspruch. Bei den regelmäßigen „Climate Talks“ brächten renommierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aktuelle Forschungsergebnisse ein.
Wegen dieser Anwendungsorientierung hat sich auch Damla Önen Schmalwasser, 36, für den Master entschieden. Sie stammt aus Istanbul und lebt seit vier Jahren in München. Ein Traum von ihr ist, auf dem Land in der Türkei eine Art Musterfarm aufzubauen. Gerade junge Menschen wollten nicht in den ländlichen Regionen bleiben, weil sie dort keine Perspektive sähen, erzählt sie. Ein ähnliches Projekt sei schon einmal sehr weit entwickelt gewesen, dann aber habe das Land gefehlt, um es umzusetzen.
Dem Klimawandel werde in der Türkei kaum Aufmerksamkeit geschenkt, sagt die Studentin, obwohl das Umweltministerium seinem Namen nach auch für dieses Thema zuständig wäre. Es gebe keine Langzeitpläne. Wichtig wäre, an den Klimawandel angepasste Saaten anzubauen, es brauche Leute, die neue Wege aufzeigen. Die Zahl der Waldbrände nehme zu, Seen trockneten aus. „Die Jahreszeiten verändern sich, die Bäume blühen früher.“ Bei Spätfrösten gebe es dann keine Früchte. Es gebe allerdings wenig Leute, die Neues ausprobieren, sagt Damla Önen Schmalwasser.
Ähnliche Erfahrungen hat Zanna Kaumi gemacht. Der 31-Jährige ist mit Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) nach Weihenstephan gekommen. Vor allem in den Entwicklungsländern sei der Klimawandel eine große Herausforderung, sagt er. Auch er beklagt, dass in seiner Heimat Nigeria das Problem zu wenig Beachtung finde, obwohl die Folgen schon jetzt gravierend sind. Es fehle an Informationen und Infrastruktur. „Die Leute verstehen nicht, was passiert.“
Die fossilen Energien bringen nach wie vor viel Geld
Die Regenphase habe sich verkürzt, schildert er. Dies habe zur Folge, dass Pflanzen, wenn sie im gleichen Rhythmus wie bisher gepflanzt werden, vertrocknen. Die Erde werde geschwächt, Nährstoffe gingen verloren. „Es braucht neue Methoden“, sagt er. Im Studiengang „Climate Change Management“ könne man Lösungen finden. „Wir sprechen nicht nur über Europa, sondern schauen auch auf andere Kontinente wie Afrika.“ Ein globales Problem sei, dass viel Geld aus den fossilen Energien fließe. Wenn die Nachfrage nach Öl sinken würde, wären erneuerbare Energien interessanter. In Nigeria werde in diese kaum investiert. Zanna Kaumi erinnert aber auch daran, dass in Afrika viele soziale Probleme wie Hunger und Armut bewältigt werden müssten. Hinzu komme die Korruption. Im Norden Nigerias soll ein Baumgürtel gepflanzt werden, der Great green wall. Das wäre ein wichtiges Projekt, sagt er, aber das Geld komme nicht an.
Fariba Hemmati, 41, hat in Teheran in der Stadtplanung gearbeitet, es ist bereits ihr zweiter Master. Ihr Fokus liegt nach wie vor eher auf der Stadt. Auch sie will neue Lösungen für Probleme wie das Wassermanagement finden. Was ihr in Deutschland auffällt: Obwohl es hier viel weniger Sonnenstunden gibt als in ihrer Heimat, sind auf vielen Dächern Solarpaneele installiert. In Iran sei das nicht der Fall. Dort werde kaum in erneuerbare Energien investiert, dafür in Erdöl. Zudem vermisst sie ein größeres Bewusstsein für die Natur und die Bedeutung von Bäumen in heißen Sommern. Für den Siedlungsbau würden auch große, alte Bäume gefällt.

Die Nachfrage nach dem Masterstudiengang „Climate Change Management“ sei groß, gerade auch im nichteuropäischen Ausland. Er sei ein „Aushängeschild in Richtung Internationalisierung“ der HSWT, sagt Matthias Drösler. Er hat die Forschungsprofessur für Klimawandel und Moor-Ökosysteme an der Hochschule inne. Viele der Studierenden kommen aus Indien, Pakistan, Nigeria, Ghana, Kenia oder Bolivien und Kolumbien. Das Konzept geht offenkundig auf: Die Rückmeldungen zu den Leistungen der Absolventinnen und Absolventen sind laut Drösler sehr positiv.

Ausstellung „Landschaft – Bild – Wandel“:Offen sein für neue Denkanstöße
Die Studentin und Künstlerin Barbara Standke hat sich intensiv mit den historischen Ansichten von Valentin Gappnigg auseinandergesetzt. In zwei Workshops will sie weitergeben, was man daraus für die Zukunft und die Gestaltung der Landschaft lernen kann.
Der Studiengang bietet aber nicht nur reine Fakten. Im Seminar „Landscape and Me: Reflections from Freising to the World“ können sich die Studierenden durch kreatives Schreiben mit ihrem aktuellen Lebensumfeld in Freising und auch mit ihrer Herkunft auseinandersetzen. Den Kurs leitet Barbara Standke, Künstlerin und selbst Absolventin des Masters. Darin hat das Platz, was eher eine Randnotiz ist, aber doch einen elementaren Zugang zu Themen der Landschaftswahrnehmung darstellt: das viele Grün, das Rot der Blätter im Herbst, was den drei Studierenden bei ihrer Ankunft in Freising als Erstes aufgefallen ist. „Die Natur gibt mir Kraft“, meint Fariba Hemmati, „die Leute hier respektieren die Natur“.
Damla Önen Schmalwasser gefällt bei schönem Wetter besonders der Blick in die Berge, außerdem die Geschichte von Weihenstephan und Freising und natürlich das Bier, erzählt sie und lacht. Das Bier hat sie schon in der Türkei gesehen – ohne zu wissen, dass sie später dort studieren wird, wo es herkommt. Bewusst geworden ist ihr, dass der Klimawandel auch hierzulande ein Problem ist. Im Osten Deutschlands habe sie gesehen, dass auch hier Wälder vertrocknen. „Das konnte ich gar nicht glauben.“