Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz in Freising:Nicht sehr konsequent

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Ein Jahr nach der Freisinger Resolution zum Klimawandel meldet die Stadt erste Erfolge und listet in einer Broschüre weitere Maßnahmen und Ziele auf. Nicht in dieses Bild passen die Diskussionen um den Ausbau der Schlüterbrücke und einen Bushalt im Johannispark, wie das Bündnis "Fridays for Future" kritisiert.

Von Kerstin Vogel, Freising

Die Freisinger Resolution zum Klimawandel, die vom Stadtrat vor etwas mehr als einem Jahr unter großer Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger beschlossen worden ist, gibt es inzwischen auch als Broschüre zum Nachlesen: Auf grünlich-grauem Umweltpapier listet das Heft auf 16 Seiten auf, was man in Freising in den kommenden Jahren für das Klima tun will. Zahlreiche Ziele und Maßnahmen sind da formuliert, sogar die einzelnen Beschlüsse im Wortlaut lassen sich nachlesen - und Klimaschutzmanagerin Marie Hüneke konnte in der jüngsten Stadtratssitzung, quasi zum Jahrestag der Resolution, auch schon einige Erfolge melden.

Zwar hat die Corona-Pandemie auch der Freisinger Klima-Offensive an mancher Stelle ein Bein gestellt, schon weil Koordinationstreffen mit mehr als zwei Personen nicht möglich sind. Trotzdem: Für die konstituierende Sitzung des geforderten Energie- und Klimaschutzbeirats gibt es einen Termin (24. Februar), die Umstellung auf Recyclingpapier und nachhaltige Beschaffung läuft, ebenso die Aktualisierung des integrierten Klimaschutzkonzeptes - und Freising wurde nicht nur in ein Modellprojekt zur Umsetzung eines Klimaanpassungskonzepts aufgenommen, sondern ist auch Modellkommune für klimagerechten Städtebau, um nur einige der vorangebrachten Maßnahmen zu nennen.

An zwei Projekten zeigt sich die Konsequenz beim Klimaschutz

Hüneke erntete dann auch von allen Seiten Dank und Anerkennung für ihre Arbeit, doch vielen der Aktivisten, die sich vor einem Jahr im Sog der "Fridays for Future"-Bewegung für mehr Klimaschutz stark gemacht hatten, ist das nicht genug. Es sind zwei ganz konkrete Projekte, an denen sich die Diskussion zum Jahrestag der Resolution entzündet hat - und die schon im Vorfeld breit thematisiert worden waren. Projekte, die von der einen Seite als logische Fortsetzung begonnener Maßnahmen oder Konzepte gesehen werden - und von der anderen als Beweis dafür, dass eine, wenn auch kleiner werdende Mehrheit im Stadtrat immer noch nicht bereit ist, eine "echte" Verkehrswende herbei zu führen und Maßnahmen zum Klimaschutz wirklich konsequent zu Ende zu denken.

Die Schlüterbrücke

Da ist zum einen die Auseinandersetzung um die Verbreiterung der Schlüterbrücke. Geplant vom Landkreis mit der Stadt Freising als "Juniorpartner", hat die zuletzt geführte Debatte ein Schlaglicht auf einen Graben geworfen, der zumindest in der Verkehrspolitik einmal quer durch den Stadtrat verläuft. Weil es aus den Jahren 2018/19 stammende Verkehrsprognosen gibt, die in der nur zweispurigen Schlüterbrücke ein Nadelöhr sehen, das nach der Eröffnung den ungehinderten Verkehrsfluss rund um Freising behindert - und weil dieser störungsfreie Ablauf seit der Entscheidung für den Bau der Westtangente in vielen Köpfen Bedingung ist für eine Verkehrsberuhigung und eine fahrradfreundliche Gestaltung der Innenstadt, soll der Ausbau der Brücke, die mitten in einem besonders schützenswerten Fauna-Flora-Habitat liegt, zumindest geprüft werden. Damit hat zwar tatsächlich noch niemand gesagt, dass dieser Ausbau kommt. Andererseits dürfte wohl kaum eine Stadträtin oder ein Stadtrat für derart teure Untersuchungen stimmen, wenn er am Ende nicht auch bereit wäre, die Brücke auszubauen - ein entsprechendes Ergebnis der Prüfungen vorausgesetzt.

Die Kritik an dieser Haltung schallt von der anderen Seite des Grabens herüber und wirft den Befürwortern des Projekts vor, auch im Jahr 2021 noch alles aus der Sicht der Autofahrer zu denken und den propagierten Klimaschutz weiter einem komplett störungsfreien Straßenverkehr unterzuordnen. Eine "echte" Verkehrswende brauche genau hier ein Umdenken, müsse endlich einen Schwerpunkt auf fahrradfreundliche Wege und einen nutzerfreundlichen ÖPNV legen. Warum Autofahrer Anspruch auf eine von der öffentlichen Hand finanzierte staufreie Fahrt haben sollen, kann man auf dieser Seite nicht nachvollziehen. Und: Das Vorhaben stehe den Zielen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung eindeutig im Wege und sei mit der Freisinger Klimaresolution nicht vereinbar, heißt es in einer Presseerklärung des Bündnisses Fridays for Future.

Der Johannispark

Gleiches gilt in den Augen der Aktivisten für den geplanten Bau eines Busparkplatzes am Johannispark, das zweite Thema, das im sonst so gerne einstimmig entscheidenden Freisinger Stadtrat derzeit nicht so recht konsensfähig ist. Die Idee, im Westen der Altstadt einen neuen Halt für Touristenbusse zu schaffen, stammt aus der vor mehr als einem Jahrzehnt beschlossenen Innenstadtkonzeption - und der Beschluss war damals auch tatsächlich einstimmig gefallen, worauf sich unter anderem Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher in den Debatten gerne beruft.

Doch als die Landschaftsarchitekten des Freisinger Büros "Toponauten" im Dezember 2017 ihren ersten Entwurf für die Grünfläche präsentierten, rührte sich Widerstand. In einer von 650 Bürgern unterschriebenen Petition forderten Anlieger im August 2018 von der Stadt, den Johannispark nicht nur zu erhalten, sondern besser zu pflegen und in seinen früheren, parkähnlichen Zustand mit einem Brunnen zu versetzen. Die Planung für die Bushaltestelle solle eingestellt werden.

Auch der verkleinerte Parkplatz erntet viel Kritik

Es folgte eine Bewertung verschiedener anderer Standorte, die erneut mit einer Empfehlung für die Johannisstraße endete, doch auch die mittlerweile etwas verkleinerte Planungsvariante mit geringerer Versiegelung gefällt außerhalb des Stadtrats vielen Bürgern nicht - innerhalb des Gremiums haben sich die Grünen und die Linke den Einwänden der nach wie vor aktiven Bürgerinitiative angeschlossen, weisen auf die Bedeutung der Grünfläche für das innerstädtische Klima hin und wundern sich, warum ausgerechnet hier so dringend Touristenbusse halten sollten.

Oberbürgermeister Eschenbacher begründet das etwa mit der Landesausstellung, die 2024 nach Freising kommt. Hier einen "Ort des Willkommens" zu schaffen und eine weitere Bushaltestelle, die auch von den Stadtbussen genutzt werden könnte, hielt im November noch eine knappe Mehrheit von 8:6 Stimmen im Planungsausschuss für die richtige Entscheidung - ehrlicherweise ist der Nutzen des früheren Parks in seinem aktuellen Zustand auch schwer vorstellbar; er dient derzeit als Baustelleneinrichtung für die Innenstadt.

Zum Jahrestag der Klimaresolution gibt es eine Online-Petition

Zum Jahrestag der Klimaresolution aber ist auch hier der Protest wieder aufgeflammt. In der Resolution sei formuliert, dass "bei sämtlichen Entscheidungen deren Wirkung auf das Klima zu berücksichtigen und zu minimieren", sei, erinnerte die Bürgerinitiave den Stadtrat ihrerseits in einer Pressemitteilung. Die Versiegelung des Untergrunds mit Asphalt, Beton und Steinen anstelle einer hitzeregulierenden Grünfläche werde unweigerlich zu einer stärkeren Erhitzung dieses Bereiches führen, schreibt die Initiative weiter: In Anbetracht der bevorstehenden Jahrhundertaufgabe müsse die Gemeinschaft alle möglichen Anstrengungen unternehmen. Es wäre nicht angemessen, auf Standpunkten wie "Das Projekt ist schon länger geplant" zu beharren, denn: "Uns läuft die Zeit davon - wir müssen jetzt handeln."

Wer sich für den Erhalt des Johannisparks einsetzen will, kann eine Online-Petition der Bürgerinitiative unterzeichnen: https://www.openpetition.de/petition/online/johannispark-soll-keine-haltestelle-fuer-touristenbusse-werden

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SZ vom 13.02.2021
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