Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz:Runter von der Bremse

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Das Bündnis für Klimagerechtigkeit, dem 16 Vereine aus dem Landkreis Freising angehören, formuliert seine Forderungen an die Bundestagskandidaten - Kern ist ein höheres Tempo im Kampf gegen die Erderwärmung.

Von Peter Becker, Freising

In Sizilien war es dieser Tage mit fast 50 Grad so heiß wie nie zuvor in Europa. Die Flutkatastrophe an Ahr und Erft ist erst wenige Wochen her. "Der Klimawandel ist spürbar", sagte Hans Stanglmair von den Moosburger Solarfreunden während einer Pressekonferenz des Bündnisses "Klimagerechtigkeit Region Freising". In diesem haben sich 16 Vereine aus dem Landkreis zusammengefunden, um gemeinsame Kernforderungen an die Kandidatinnen und Kandidaten zu formulieren, die sich im September zur Bundestagswahl stellen. Gleichzeitig wollen sie eine Orientierungshilfe geben, welche Beschlüsse auf Bundesebene und im Landkreis nötig sind. "Diese Wahl ist von entscheidender Bedeutung für den Klimaschutz", betonte Stanglmair.

Für Ansgar Wübbels von den Moosburger Solarfreunden läuft im Vorfeld der Wahlen etwas falsch. Von Klimaschutz sei kaum die Rede, von der Pandemie aber schon. "Es darf sich aber nicht alles um Corona handeln", sagte er. Wübbels betonte, dass das Bündnis für keine politische Gruppierung Partei ergreifen wolle. Die Bürgerinnen und Bürger sollten selbst entscheiden, welcher Weg eingeschlagen werden soll. Aber wenn diese die Zusammenhänge des Klimawandels nicht begriffen, könne die Politik nötige Maßnahmen nicht durchsetzen.

Die Bundestagswahl als wichtige Weichenstellung

Manfred Drobny vom Bund Naturschutz sprach mit Blick auf die Bundestagswahlen ebenfalls von einer wichtigen Weichenstellung für den Klimaschutz. "Ein bisserl was kommt in Bewegung" - er erkennt einige positive Signale aus der Politik. Die Kernforderungen an die Kandidatinnen und Kandidaten sollen eine Entscheidungshilfe sein. Die bisherigen Regierungen standen seiner Ansicht nach "mehr auf der Bremse". Abzulesen sei dies etwa bei der Abstandsregelung bei Windkrafträdern oder der Frist zum Ausstieg aus der Kohlenutzung. Ernst Hörmann, Organisator der Mahnwache Klimagerechtigkeit, forderte deshalb, alle "Hemmnisse für Wind- und Sonnenenergie abzuschaffen". Hörmann wünscht sich, dass der Ausstieg aus der Kohle nicht erst 2038, sondern schon 2030 vollzogen wird. Dies gelte auch für das Kraftwerk in Anglberg. Hörmann fordert eine Förderung der Bürgerenergie, etwa bei Windkraft- und Photovoltaikanlagen.

Unredlich sei es seiner Meinung nach, sagte Drobny, den Klimaschutz gegen die Sorge auszuspielen, die sozial Schwächeren würden durch die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen noch mehr abgehängt. Er ist davon überzeugt, dass "die Zukunft für alle besser wird". Das Bündnis für Klimagerechtigkeit fordert daher, das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, müsse ohne eine Belastung sozial Schwächerer vonstatten gehen.

Keine fossilen Energien und klimaschädlichen Subventionen mehr

"Wir müssen die fossilen Energien komplett loswerden", drängte Raimund Becher von den Moosburger Solarfreunden. Ein sogenanntes "Phasing out" bis zum Jahr 2035 sei notwendig. Konkret bedeutet dies laut Anforderungskatalog des Bündnisses für Klimagerechtigkeit, dass Heizöl und Gas von diesem Zeitpunkt an nicht mehr zur Wärmegewinnung in Gebäuden verwendet werden dürften. Benzin, Diesel oder Erdgas dürften nicht mehr zum Antrieb von Fahrzeugen verwendet, Strom nicht aus fossilen Energien hergestellt werden. In den verbleibenden 14 Jahren hätten Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaftsbetriebe, Forschung und Parteien genügend Zeit, sich darauf einzustellen.

Eine weitere Forderung: Klima- und naturschädliche Subventionen müssten entfallen. Christian Magerl (Bündnis Aufgemuckt) will erreichen, dass die "unselige dritte Startbahn" am Flughafen im Erdinger Moos aus dem Landesentwicklungsplan gestrichen und damit endgültig beerdigt werde. Was Straßenbaumaßnahmen betrifft, forderte Magerl einen Verzicht des vierspurigen Ausbaus der Schlüterbrücke über die Isar. Stattdessen sollten der öffentliche Personennahverkehr gefördert und Radwege massiv ausgebaut werden. Drobny sieht bei einem Verzicht auf die dritte Startbahn die Möglichkeit, die Moore im Freisinger und Erdinger Moos als natürliche Kohlenstoffspeicher in größerem Umfang zu erhalten und zu regenerieren.

Hans Stanglmair verwies auf die Rolle, die Gebäude im Klimaschutz spielen. Bislang werden diese oft mit Öl oder Gas beheizt und aus zum Teil umweltschädlichen Materialien hergestellt. Energetische Gebäudesanierung sollte daher nach Ansicht des Bündnisses für Klimaschutz gefördert werden. Sanierung müsse vor Neubau gehen. Dabei sei auf klimafreundliche Materialien zu achten.

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SZ vom 13.08.2021
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