Süddeutsche Zeitung

Klasse Doberauer:Isolation im Alten Gefängnis

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Schüler der Münchner Akademie der Bildenden Künste zeigen in der Ausstellung "Freisingsing" im Gefängnis ebenso erschreckende wie faszinierende Werke. Zu sehen ist die Schau noch bis 9. April

Von Alina Sabransky, Freising

Isolation. Innerliche, soziale oder räumliche. "Es gibt die unterschiedlichsten Arten und jeder nimmt sie anders wahr", erklärt Beniamino Foschini, Betreuer der Ausstellung "Freisingsing", das sich durch alle Kunstwerke ziehende Hauptthema. Noch bis zum 9. April zeigen die Schüler der Klasse Doberauer der Akademie der Bildenden Künste auf Einladung des Modern Studios im Gefängnis ihre Vorstellungen von und Assoziationen zu diesem so weitreichenden Begriff. Der Ausstellungstitel ist eine Anspielung auf das amerikanische Gefängnis Sing Sing, das vor allem durch zahlreiche Filme berühmt geworden ist. Gleichzeitig bezieht er sich auf den jedem Menschen innewohnenden Drang nach Freiheit und die Grausamkeiten und Zwänge, die eine Isolation hervorrufen kann. Zu sehen sind lebensgroße Portraitzeichnungen, kleine Skizzen, Skulpturen, Landschaftsbilder und mehr. Viele Acrylgemälde, aber auch einige Bleistiftzeichnungen. Alle Künstler haben das Thema auf ihre Weise umgesetzt, haben sich von den örtlichen Begebenheiten und vielfach auch vom Nationalsozialismus inspirieren lassen und letztendlich ein großes Gesamtwerk in den Räumen des Gefängnisses zusammen gestellt.

Gleich zu Anfang findet man sich in der Rauminstallation von Sebastian Maas und Amelie Köppel wieder. Die Wände sind mit sterilem, weißem Plastik abgeklebt. Es gibt keine Fenster. Ein White Cube, der vor allem eines soll: alles Wohnliche verdrängen und die ständige Beobachtung verdeutlichen, der man im Gefängnis unweigerlich ausgesetzt ist. An der Wand hängen fünf Schwarz-weiß-Portraits von Gefangenen, die durch große, helle Leuchtröhren getrennt sind: Gefängniszellen ohne Entkommen. Maas hat seine Bilder Fotografien von NS-Gefangenen nachempfunden. "Damit sie authentischer wirken", erklärt er. Auf dem Boden befinden sich drei Figuren von Amelie Köppl. Es seien Fantasiegebilde, aber auch sie habe sich an Fotografien orientiert: Menschen, die sich unter Folter und Misshandlung zusammenkauern, deren Glieder verformt sind. In einem anderen Raum hängt das Bild von Xenia Hartok. Eine Frau sitzt seitlich auf einem Stuhl. Sie ist nackt und man erkennt sie nur verschwommen. Der Hintergrund ist grauschwarz. Durch die Nacktheit wolle sie das Ungeschützte darstellen, die Unkenntlichkeit der Umgebung solle darauf hinweisen, dass Isolation überall sein könne. "Auch in seinem eigenen Zimmer kann man sich isoliert fühlen", erklärt sie. Im gleichen Raum hängt Jia Yoos riesengroße "Dreiköpfige Mutter". Drei unkenntliche Gesichter, um sie herum dunkle und leuchtend rote Farben. So habe sie das Thema gefühlt, beschreibt sie. Andere Bilder zeigen ungeborene Föten , ernste afrikanische Frauen oder kalte, erdrückende Winterlandschaften. Jeanette Scheiner hat sich von Briefen ehemaliger KZ-Häftlinge inspirieren lassen, andere Künstler von Familienfotografien. Es ist eine ernste, melancholische und vielfach auch erschreckende Ausstellung, aber definitiv eine, die es wert ist, gesehen zu werden.

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Quelle:
SZ vom 25.03.2017
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