Noch warten sie auf den Brief von der Stadt. "Wir sitzen wie auf Kohlen", sagt eine Freisinger Mutter, die anonym bleiben möchte. Sie und ihr Partner haben ihre sechsjährige Tochter für das kommende Betreuungsjahr für den Hort und parallel dazu für die Offene Ganztagsbetreuung angemeldet. "Wir hoffen auf einen Platz", sagt die Mutter. Falls sie keinen bekommen sollten, hätte das für sie erhebliche Folgen: "Mir bliebe nichts anderes übrig, als meinen Job zu kündigen. " Nach einer Kündigung hätte sie aber ein weiteres Problem, denn ohne Job-Nachweis habe sie erst recht keine Chance auf einen Hort-Platz. "Und ohne Betreuungsplatz wiederum wenig Hoffnung auf einen neuen Job."
Eine andere Betreuung - beispielsweise durch Großeltern - kommt für die Freisinger Familie nicht infrage. Die einzige Möglichkeit wäre, dass sie ihren Teilzeitjob aufgibt, um sich zu Hause um die Tochter kümmern zu können, erzählt die Mutter. Auch die finanziellen Folgen wären für die Familie gravierend, die Mieten und Lebenshaltungskosten in Freising seien extrem hoch. "Eigentlich brauchen wir mein Einkommen", sagt die Mutter. "Wir hoffen auf eine Zusage und das möglichst bald." Denn spätestens am 15. Mai müsste sie kündigen - falls es mit einem Platz tatsächlich nicht klappen sollte.
Sie sind nicht die Einzigen, in Freising gibt es viele Familien, die sich in der gleichen Situation befinden. Die ersten haben auch bereits eine Absage bekommen. Allerdings seien das nur die Familien gewesen, die sich für einen Hort im Stadtteil Lerchenfeld angemeldet haben, berichtet Rupert Widmann, Hauptamtsleiter der Stadt Freising.
Diejenigen Eltern, deren Kinder keinen Betreuungsplatz erhalten haben, wurden auf Wunsch der Grundschule St. Lantbert bereits nach dem Abgleich angeschrieben. "So hatten sie noch die Chance, ihre Kinder für die Ganztagesklasse der Schule St. Lantbert anzumelden. Die Anmeldefrist ging nämlich nur bis zum 30. April", erklärt Widmann. Alle anderen Familien, die ihr Kind für einen Kita-Platz angemeldet haben, bekommen nun in den nächsten Tagen Bescheid, die Elternbriefe werden am 8. Mai versandt.
"Es herrscht bei den meisten Eltern eine resignative Hoffnung", sagt Annalisa Fischer, Mitinitiatorin der Bürgerinitiative für Freisings Kinder, die sich im vergangenen Sommer gegründet hat. Viele der Freisinger Familien bräuchten dringend einen Platz, aber dass auch alle einen bekommen, sei sehr unwahrscheinlich. "Das ist allen bewusst - und inzwischen ist die Klagebereitschaft auch ziemlich hoch", sagt Annalisa Fischer.
Zuletzt standen etwa 680 Familien auf der Warteliste
Schon jetzt sei zu erwarten, dass sich die Situation in Freising nicht verbessern werde, dass nicht alle angemeldeten Kinder einen Platz bekommen werden. Zuletzt standen etwa 680 Familien auf der Warteliste, die für das laufende Kita-Jahr keine Zusage bekommen haben. Nicht, weil es keine Plätze gibt, sondern weil das dafür notwendige Betreuungspersonal fehlt. Die Zahl der Familien auf der Warteliste werde sich wohl noch einmal erhöhen, befürchtet Annalisa Fischer. "Die Stadt müsste einfach mehr tun, um neue Fachkräfte zu gewinnen", sagt sie. "Da muss noch deutlich mehr passieren." Dass sich nun schon Vereine und Organisationen Gedanken machten, wie sie einen Beitrag leisten können, um die Not zu lindern, spreche für sich.
Die Freisinger Musikschule "3klang" beispielsweise wird gemeinsam mit dem Verein "Musik für Kinder" ab September im Haus der Vereine an vier Vormittagen eine musikalische Spielgruppe für Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren anbieten. Die Freisinger Wärmestube dagegen will bei ihrem Projekt "Wunschoma und Wunschopa" fitte Seniorinnen und Senioren auf der Basis eines Minijobs in Familien vermitteln, um diese bei der Kinderbetreuung zu unterstützen.
Eine neue Demo ist für Juni geplant
"Wir sind dankbar für jede Initiative", sagt Fischer. Diese könnten aber nur eine punktuelle Unterstützung bieten - ersetzten aber keinen dauerhaften Betreuungsplatz mit dem Angebot einer frühkindlichen Bildung. "Die Stadt zumindest darf sich deshalb nicht aus der Pflicht nehmen", betont Fischer. Es gebe einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Diesen müssten die Kommunen erfüllen, "das darf nicht auf private Initiativen abgewälzt werden".
Die Bürgerinitiative für Freisings Kinder zumindest schätzt offensichtlich die momentane Situation nicht sehr optimistisch ein. Schon jetzt ist eine Demonstration für Juni geplant, um wieder auf die große Misere in der Kinderbetreuung aufmerksam zu machen.