Süddeutsche Zeitung

Landkreis Freising:Wie ein buckliger Radweg eine Gemeinde berühmt machte

Ein kurios geplanter Fahrradweg mit fünf Hügeln auf 500 Metern Strecke hat deutschlandweit für Aufregung gesorgt. Kirchdorfs Bürgermeister Uwe Gerlsbeck hält das für übertrieben.

Interview von Thilo Schröder, Freising

Ein im Freisinger Landratsamt kurios geplanter Radweg hat die 3400-Einwohner-Gemeinde Kirchdorf quasi über Nacht berühmt gemacht. Bürgermeister Uwe Gerlsbeck (CSU) bekommt jetzt Anfragen aus ganz Deutschland. Für ein Interview muss er den Anrufer am Freitag zunächst kurz vertrösten. Er müsse "erst einmal eine richtige Baustelle abnehmen", sagt der 52-Jährige ironisch - bevor er etwas später im Gespräch einige Fehldarstellungen der vergangenen Tage einordnet und erklärt, warum er im Grunde sehr zufrieden mit der Maßnahme ist, die weit mehr sei als ein 500 Meter langer buckliger Radweg.

Herr Gerlsbeck, über den buckligen Radweg in Ihrer Gemeinde wird bundesweit berichtet. Wie geht es Ihnen damit? Gibt es schon Buckelpisten-Tourismus?

Uwe Gerlsbeck: Dass wir jetzt hier in aller Munde sind, ist schon komisch. Das ist für mich ungewohnt, und Gott sei Dank hab ich das auch nicht so oft. Bekannte aus Norddeutschland fragen plötzlich: Was ist denn bei dir los? Was daraus gemacht wird, ist teilweise überraschend. Ich war einigermaßen verwundert, dass sogar dem heute journal der Kirchdorfer Radweg einen Bericht wert war. Da hab ich mir gedacht: Wenn das die Probleme dieser Welt sind, dann weiß ich auch nicht. Jeder Fernsehsender schnappt das auf, jeder kleine Lokalsender in Köln und Frankfurt schreibt mich an, ob ich Interviews geben würde. Ich rufe eigentlich jeden zurück und sage, dass ich keine Filminterviews gebe. Wenn sie mich zur Sachthematik fragen, schildere ich aber telefonisch meine Sichtweise. Die wird jedoch meistens nicht dargestellt am Ende des Tages.

Wie ist denn Ihre Sichtweise?

Der Fehler an sich war ja: Man hat vergessen, dass die Landwirte über den Weg auf ihre Felder kommen müssen. Und dann hat man das korrigiert mit der Maßnahme, dass man diesen Radweg an bestimmten Positionen nach oben gelegt hat, damit man darüber einfahren kann. Es ist ein Konstrukt entstanden aus mehreren Dingen und man hat gedacht, man kann das Ganze korrigieren mit einer kleinen Maßnahme, die jetzt so ausschaut, wie sie ausschaut.

Den Radweg geplant hat das Freisinger Landratsamt. Inwieweit war Ihre Gemeinde darin eingebunden?

Die Gemeinde hat die Grundverhandlungen mit den einzelnen Landwirten getätigt. Das war mein Part. Wir haben mit allen sachkundigen Stellen gesprochen: Wo genau muss der Weg verlaufen? Wir hatten ihn zuerst auf der anderen, der westlichen Seite geplant, da haben aber naturschutzfachliche Belange dagegen gesprochen. So weit waren wir eingebunden. Aber natürlich haben wir keine Höhenprofile und sonstiges in Bearbeitung gehabt.

Wie groß ist der Höhenunterschied zwischen Straße und Radweg am Ende?

Das sind jetzt keine Höhenunterschiede von fünf, sechs Metern, sondern wir reden hier von 1,20 Metern und 50 Zentimetern - und nach technischen Vorschriften war das zu viel, das hatte man übersehen. Jetzt hätte man einen Wirtschaftsweg auf Höhe der Straße machen können, aber dann ist die Frage: Reißt man alles wieder raus, entsorgt das, macht alles neu? Dann entstehen wieder Kosten. Oder sagt man: Damit kann man leben. Und ich kann damit im Großen und Ganzen leben.

Was sagen die Kirchdorfer dazu?

Es gibt die unterschiedlichsten Rückmeldungen. Von "Wer plant so was?" und "Das kann doch nicht sein, dass das so geplant wurde" bis zu "Mei, ist das lustig". Manche sagen: "Das ist zum Fahren überhaupt kein Problem." Der nächste sagt: "Gott sei Dank habt ihr keinen Wirtschaftsweg draus gemacht, sonst hätten wir den Dreck der Landwirte auf dem Radweg." Das geht querbeet. Was im ersten Moment oft vorgeworfen wird: Was hat die Gemeinde da gemacht? Da muss ich mich wehren und sagen: Nein, nicht die Gemeinde, definitiv nicht. Aber wer unterscheidet denn bei uns nach Straßen und Baulastträgern? Da wird gesagt: Den Weg baut doch die Gemeinde. Nein, den baut das Landratsamt. Und die Planung war auch beim Landratsamt.

Haben Sie darüber hinaus den Eindruck, dass Fakten falsch verstanden oder dargestellt werden?

Es war zuletzt von 3,3 Millionen Euro Baukosten für den Radweg die Rede - das stimmt so gar nicht. Es hat im Zuge dieser Maßnahme eine Brückensanierung stattgefunden, es hat eine Kreisstraßensanierung stattgefunden. Das ist der größere Teil. Der kleinere Teil ist der Radweg. Wir haben dafür mit dem Landkreis eine Planung durchgeführt und ein Konzept aufgestellt entlang der Frage: Wie kommen wir von Kirchdorf nach Burghausen? Und am besten noch nach Wippenhausen? Der ganze Radweg, nicht nur der Abschnitt mit den Buckeln, wurde in diesem Zug gebaut. Darum sind wir mit der Gesamtmaßnahme sehr, sehr zufrieden. Gut, die fünf Hügel, die da jetzt drin sind, die hätten vielleicht nicht unbedingt sein müssen.

Der Wunsch, diesen Radweg zu bauen, besteht ja schon länger. Wann wurde mit der aktuellen Planung begonnen?

Die konkreten Planungen für diesen Radweg, so wie er jetzt entstanden ist, haben vor zirka sechs Jahren begonnen. Da wurde die Westtrasse verworfen und wir haben noch mal von Neuem begonnen. Und dann ging's halt, wie's so geht, das dauert einige Jahre, bis wirklich alles geplant ist. Und dann baut man und stellt fest: Man hat doch was vergessen. Ich mache da keinem einen Vorwurf. Ich denke auch, dass der Landkreis da nichts mehr dran verändern wird. Wir freuen uns auf die Einweihung, wenn er fertig ist. Und dann schauen wir mal, vielleicht laden wir dann die ganzen Fernsehsender noch mal ein. Da wird's aber dann keinen mehr interessieren, vermute ich.

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SZ vom 11.07.2020/amm
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