Kirchbergers Woche:Totgesagte leben länger

Das Hintertürchen für die dritte Startbahn hat sich aufgetan

Kolumne von Johann Kirchberger

Es ist schon beeindruckend, dieses Luftbild von Freisings neuer Nordostumfahrung, das vom Staatlichen Bauamt geknipst wurde. Die vielen Zu- und Abwege bilden zusammen mit den neun Brückenbauwerken und den Haupt- und Nebenstrecken irgendwie ein Gesamtkunstwerk. Und so preiswert das Ganze. In vier Jahren wurden für das vier Kilometer lange Straßenstück nur schlappe 42 Millionen Euro verbaut. Fast schon ein Schnäppchen im Vergleich zur Westtangente.

Wer sich zu einer Probefahrt entschließt, der muss zwar aufpassen, nicht auf einen falschen Weg zu geraten, aber nur am Anfang und am Ende der Trasse. Dort gibt es diverse Bypässe und Kreisverkehre, und an die wird man sich bestimmt gewöhnen.

Und dass die Amperleite ein wenig durchschnitten wurde, na ja, das wird schon bald niemand mehr merken. Für einen Geh- und Radweg zwischen Erlau und Marzling hat es allerdings nicht mehr gereicht. Schade eigentlich, denn durch das malerische Hügelland im Norden der Stadt nicht nur zu rasen, sondern auch zu radeln, das wäre bestimmt schön gewesen. Schließlich war es einmal ein beliebter Naherholungsraum für die Freisinger, der da jetzt topografisch ein wenig umgestaltet wurde.

Ein weiterer Naherholungsraum, das Freisinger Moos im Westen, wird gerade auch ein wenig verändert und im Süden der großen Kreisstadt hat seit 1992 sogar ein schmucker Flughafen Platz gefunden. Der schönste in ganz Europa. Wer momentan am Zaun von MUC entlang radelt, der kann das Kunstwerk in aller Ruhe betrachten. Flugzeuge sieht man allerdings nur noch wenige starten oder landen, dafür parken dort im beschaulichen Erdinger Moos umso mehr silberne Vögel.

Aber nicht nur Flugzeuge, auch ein ganzes Terminal wurde jetzt in den Winterschlaf geschickt, weil irgendwie keiner mehr fliegen will. Aber auch diese "Delle" bei den Flugbewegungen wird vorübergehen, versichern die Flughafenbetreiber, und wenn die Menschen überall in der Welt erst einmal gegen Corona geimpft sind, dann soll wieder geflogen und Kerosin verbrannt werden, was das Zeug hält.

Deshalb will die Flughafen GmbH auch an ihren Plänen für den Bau einer dritten Startbahn festhalten, auch wenn Ministerpräsident Markus Söder versichert hat, dass die in seiner Amtszeit nicht mehr gebaut werde. Aber wer weiß schon so genau, wann Söders Amtszeit endet.

Das Baurecht für die Dritte soll jedenfalls nicht enden, sondern ewig bestehen bleiben, sagt jetzt die Staatsregierung und hat erklärt, dass der Planfeststellungsbeschluss auch dann seine Gültigkeit nicht verliert, wenn die Verjährungsfrist überschritten wird. Denn in diesem ist auch die Verlängerung des S-Bahn-Tunnels nach Osten enthalten und mit diesem Tunnelbauwerk für den Erdinger Ringschluss wurde ebenso bereits begonnen wie mit dem Ausbau der Staatsstraße 2584. Deshalb könne der Planfeststellungsbeschluss nicht mehr außer Kraft gesetzt werden, auch wenn der Ringschluss mit der dritten Startbahn nichts zu tun hat. Ganz schön schlau.

Klar, dass sich die Projektgegner gegen diesen Trick zur Wehr setzen wollen. Aufgemuckt-Sprecher Christian Magerl wirft der Staatsregierung vor, wie ein Winkeladvokat zu agieren. Grünen-Abgeordneter Johannes Becher sieht sein Rechtsempfinden verletzt, und Freisings OB Tobias Eschenbacher will vor Gericht ziehen.

Dass die Startbahnplaner irgendein Hintertürchen finden werden, um ihre Piste zu bauen, ob sie nun notwendig ist oder nicht, war immer schon befürchtet worden. Nun so scheint es, hat sich dieses Hintertürchen aufgetan. Totgesagte leben länger.

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