Kirchbergers Woche:Sehr viel heiße Luft

Konzepte erstellen, beraten und prüfen, bis das Klima gerettet ist

Kommentar von Johann Kirchberger

Für alle Verschwörungstheoretiker, die sich partout nicht impfen lassen wollen und dafür immer abstruser werdende Gründe anführen, gäbe es da noch so ein Thema, in das sie sich verbeißen könnten: den Klimaschutz. Wenn sich die Erde noch schneller erwärmt, könnten sie argumentieren, dann müssten wir weniger heizen und würden dadurch weniger CO₂ in die Luft blasen. Das Klima würde sich auf diese Weise praktisch selber schützen. Eine tolle Idee, oder? Wer von Bill Gates noch keinen Chip eingesetzt bekommen hat und mit einem Alu-Hut herumläuft, für den muss das logisch klingen.

Neulich haben sich in Glasgow wieder bedeutende Staatsmänner und -frauen zum Weltklimagipfel getroffen, haben dort viel heiße Luft ausgestoßen - was extrem klimaschädlich ist - und mit ernster Miene betont, wie wichtig der Klimaschutz ist. Darum müssten größte Anstrengungen unternommen werden, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Aber es soll bitte nichts überstürzt werden, in den Jahren 2050 oder 2060 vielleicht, da könnte man aufhören, CO₂ auszustoßen, falls bis dahin die gerade geplanten Kohlekraftwerke abgeschrieben sind und der Regenwald abgeholzt ist. Oder wenn alle jetzt amtierenden Politiker das Zeitliche gesegnet haben und nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden können.

Auch bei uns in Freising hat man den Ernst der Lage erkannt und schon 2007 einen Energiewendebeschluss gefasst, wonach im Jahr 2035 der gesamte Landkreis mit erneuerbaren Energien versorgt werden soll. Damit das klappt, hat der Landkreis Informationsfahrten veranstaltet, Broschüren mit Tipps zum Energiesparen verteilt, ein Solarpotenzialkataster online gestellt und sogar an den Moosburger Solartagen war der Landkreis mit einem Infostand beteiligt. Außerdem wurden ein paar Elektroautos für den Fuhrpark des Landratsamts gekauft, die Aktion Stadtradeln unterstützt und einige Gelbbauchunken gerettet.

Vorbildlich wie immer, hat die große Kreisstadt Freising die Klimaschutz-Bemühungen des Landkreises von Anfang an kräftig unterstützt und fast alles gemacht, was sich gut anhört, aber nichts kostet. Eine Freisinger Klima-Offensive wurde ausgerufen, Resolutionen verabschiedet, Studien in Auftrag gegeben, der Klimanotstand ausgerufen, ein Energie- und Klimabeirat ins Leben gerufen, Strategietreffen anberaumt und Ziele formuliert, viele Ziele.

Es wurde auch schon einiges erreicht. So wurde das integrierte Klimaschutzkonzept durch ein Klimaanpassungskonzept mit dem schönen Namen Klaps 50 ergänzt. Im Rathaus soll alles digitalisiert und weitgehend auf Papier verzichtet werden. Dort wo das noch nicht geht, am Kopierer etwa, bei der Erstellung von Drucksachen oder auf der Toilette, darf nur noch Recyclingpapier verwendet werden. Lastenräder werden gefördert und Stadträume geschaffen, die als "grüne Lunge" Sauerstoff produzieren. In erster Linie aber will der Stadtrat selbst zum Gelingen der Energiewende beitragen. Einmal im Jahr, so wurde beschlossen, soll eine Sitzung stattfinden, bei der man sich ausschließlich mit dem Klimawandel beschäftigt. Auch wenn bei dieser Gelegenheit jede Menge heißer Luft ausgestoßen wird, es muss dringend beraten werden, was man bis zum Jahr 2035 noch alles prüfen und untersuchen könnte, damit das mit der Energiewende auch klappt.

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