Kirchbergers Woche:Immer schön flexibel bleiben

Bei der Flughafen-Gesellschaft wird fleißig gerechnet

Kolumne von Johann Kirchberger

Der Kran steht, das Oktogon fällt. Die Umbau-, Sanierungs- und Neubaumaßnahmen auf dem Domberg können beginnen. 215 Millionen Euro sollen hier in den nächsten sechs Jahren investiert werden, damit Kardinal-Döpfner-Haus, Dombibliothek und Diözesanmuseum in neuem Glanz erstrahlen. So schön es ist, dass auf dem Mons Doctus endlich etwas vorangeht, so nachdenklich macht es, wie es dazu gekommen ist. Denn der Freisinger Stadtrat hat sich - man kann es nicht anders sagen - von der Erzdiözese erpressen lassen. Die Drohung, keinen einzigen Euro zu verbauen, wenn der ehemalige Kloturm, ein achteckiger, denkmalgeschützter Anbau an das Diözesanmuseum, nicht abgerissen werden darf, hat seine Wirkung nicht verfehlt. Die Stadträte sind eingeknickt.

Zum Wohle der Stadt müssten eben manchmal Opfer gebracht werden, hieß es. Die Frage stellt sich, ob sie auch dem Abriss des Wopperer-Turms an der östlichen oder des Kanzlerbogens an der westlichen Domberg-Auffahrt zugestimmt hätten, um die Baustelle mit Lastwagen anfahren zu können. Vielleicht ja - wurde aber zum Glück nicht gefordert. Was das Kardinal-Döpfner-Haus angeht, befindet man sich ohnehin noch in der Vorplanung. Aber das alles wird schon werden, irgendwie. Die Stadträte werden ganz sicher kein weiteres Veto einlegen, ganz egal was werden wird.

Noch mehr Geld investiert werden soll im Erdinger Moos, genauer gesagt zwischen den beiden Startbahnen. Eine Ideenfabrik, eine Airport-University sollen entstehen, die Ansiedlung von Weltfirmen wie Siemens oder SAP ist geplant. Noch im Frühjahr hieß es, hier würden einmal 5000 Menschen arbeiten - arbeiten, nicht wohnen. Irgendwie erschien dies dann den FMG-Managern zu wenig und es wurde kräftig aufgestockt. Ende Juni war plötzlich die Rede von 20 000 neuen Arbeitsplätzen. Die Begeisterung im Flughafenumland hielt sich freilich in Grenzen. Sowohl in Freising als auch in Erding wurde darauf verwiesen, dass es hierzulande weder Arbeitskräfte, noch Wohnungen gebe und auch die Infrastruktur nicht ausreiche, um so viele Menschen aufzunehmen.

Sichtlich erschrocken über den Gegenwind ist die FMG nur wenige Wochen später zurückgerudert. Man habe sich verrechnet, hieß es. Der Lab Campus werde ja in vier Abschnitten errichtet. In den nächsten sechs Jahren würden nur 4000 Arbeitsplätze geschaffen, davon 3000 auf Dauer. Also 500 pro Jahr. Nur 40 Prozent der Menschen für diese Arbeitsplätze würden sich eine Wohnung im Umland suchen, und weil die FMG so gut im rechnen ist, kommt sie zu dem Schluss, dass pro Jahr nur etwa 50 Personen sich mit ihren Familien im Raum Freising/Erding niederlassen werden.

Neue Gewerbebetriebe sollen auch nicht gebaut werden, nur ein kleiner Lebensmittelmarkt und ein Bäcker zur Selbstversorgung. Nanu, warum plötzlich so bescheiden? Hat nun etwa auch die FMG mitbekommen, dass großartige Expansionspläne im Raum München gar nicht gut ankommen? Angesichts verstopfter Straßen, überlasteter S- und U-Bahnen und fehlendem Wohnraum sorgen 20 000 neue Arbeitsplätze eben nicht für Jubel, sondern eher für gewaltige Unruhe. Aber zum Glück hat die FMG ja noch einmal nachgerechnet. Schön, wenn man flexibel ist.

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