Kirchbergers Woche:Gute Zeit für Visionäre

Manchmal werden Wahlkampfträume war, glücklicherweise aber nicht immer

Kolumne von Johann Kirchberger

Mit Visionen ist es ja so eine Sache. Als unsereins 1986 die Vision von einer geöffneten Moosach in der Oberen Hauptstraße hatte, ohne vorher einen Arzt konsultiert zu haben, behauptete ein Freisinger Geschäftsmann, so eine Idee könne nur dem gehässigen Gehirn eines bösartigen Schmierfinken entstammen. Lange her, heuer wird mit der Moosachöffnung begonnen, in zwei Jahren soll sie vollzogen sein. Als wir 1992 vom Bau einer Kunsteisbahn in der Luitpoldanlage träumten, wurde das als nicht finanzierbar bezeichnet. Aber zum Glück war gerade OB-Wahlkampf und deshalb gibt es nun in Freising nicht nur eine Kunsteisbahn, sondern sogar eine Kunsteishalle. Manchmal werden Träume wahr, aber nicht immer.

Der frühere SPD-Stadtrat Max Mayer zum Beispiel schlug einmal vor, die Hauptstraße teilweise zu überdachen. Die Idee fand kein Gehör. Vermutlich war die Lobby der Regenschirmverkäufer zu mächtig. Der frühere Stadtbaumeister Siegfried Lorenzer machte dereinst den Vorschlag, den Domberg auszuhöhlen und darin eine Parkgarage zu bauen. Auch daraus wurde nichts. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahrzehnten gefordert, einen Tunnel unter dem Bahnhof zu graben und damit die Verbindung von und nach Lerchenfeld in die Stadt zu verbessern. Interessant, aber teuer, gerade wird wieder einmal drüber diskutiert. Noch besser wäre es, den Bahnhof selbst in den Untergrund zu verlegen. Aber das ist eine Vision, die in Freising, obwohl in Ismaning oder Unterföhring längst Realität, noch nie näher in Betracht gezogen wurde. 2014 wünschte sich Paddy Romer von der Freisinger Mitte einen städtischen Brotbackofen. Der Zeitpunkt war günstig: Kommunalwahlen. Schon ein Jahr später wurde gebacken.

Jetzt ist gerade wieder Wahlkampf, und da entwickeln Kandidaten Ideen, schon um ins Gespräch zu kommen. Der FDP-Bewerber Jens Barschdorf etwa hat vorgeschlagen, Seilbahnen auf den Domberg und nach Weihenstephan zu bauen. Ein Leuchtturmprojekt. Aber seine eigene Partei hat ihn, warum auch immer, schnell zurückgepfiffen. Ein AfD-Bewerber hat die Idee entwickelt, in der Luitpoldanlage alles plattzumachen, Wohnungen zu bauen und den Volksfestplatz samt Sportanlagen nach Untergartelshausen zu verlegen. Das wird wohl - zum Glück - ebenso nichts werden wie der Bierbrunnen, den die Satiriker von der "Partei" gerne hätten. Auch Ulrich Vogl von der ÖDP führt Großes im Schilde. Er will Kammergasse und Steineckerstraße umbauen und die Autos so lange um den Friedhof fahren lassen, bis deren Fahrer sich dort erschöpft zur Ruhe legen.

Jürgen Maguhn von den Grünen wiederum hat die Umwandlung der Westtangente in eine Fahrradstraße ins Gespräch gebracht. Angeblich scherzhaft und nicht wirklich ernst gemeint. Oder doch? Zumindest wäre das eine ideale Verlängerung des geplanten Radschnellwegs von Garching nach Freising, nur nicht ganz billig. Wesentlich günstiger käme ein anderer Vorschlag aus dem Lager der Grünen. OB-Kandidatin Susanne Günther will jeden Zugezogenen zwei Bäume pflanzen lassen und ihn erst dann in die Bürgerliste der Stadt Freising eintragen. Ob sie diese Bäume dann selbst umarmt oder das unserem Ministerpräsidenten überlässt, muss noch geklärt werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: