Kirchbergers Woche:Goldbarren unter der Nordmanntanne

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Früher war vielleicht nicht alles besser, aber auf jeden Fall ganz anders

Kolumne von Johann Kirchberger

Es begab sich aber zu jener Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. So beginnt die Weihnachtsgeschichte im Lukas-Evangelium, die auch heuer bei der Christmette, der Jahreshauptversammlung der Kirchensteuerzahler, feierlich verlesen wird. Welches Ergebnis diese erste Volkszählung brachte, ist nicht überliefert. Aber sie führte dazu, dass der kleine Jesus nicht in Nazareth, sondern in Bethlehem zur Welt kam. Heutzutage wird das Volk bei uns tatsächlich in der Regel nur geschätzt und nicht gezählt. Genauestens gezählt werden Flüchtlinge, gewaltbereite Rechtsradikale und die Millionen, die in den Bau der Westtangente fließen.

Zurück zu unserem Neugeborenen, das von Hirten bestaunt und von Engeln besungen wurde. Später eilten noch drei Könige herbei und überbrachten Geschenke. Heute werden Geschenke nicht mehr von Königen gebracht, sondern vom Christkind selbst - neuerdings auch vom Coca-Cola-Weihnachtsmann - und man findet die Gaben bevorzugt unter einer Nordmanntanne. Vorausgesetzt, der Paketbote hat rechtzeitig geliefert und nicht einen Zettel eingeworfen, dass man das Paket im Postamt am Bahnhof abholen könne. Bis man sich da in der langen Warteschlange nach vorne gearbeitet hat, ist Weihnachten vorbei.

Die drei Könige brachten dem kleinen Jesus einst Weihrauch, Gold und Myrrhe mit. Weihrauch und Myrrhe sind als Geschenke aus der Mode gekommen, Gold nicht, das ist auch heute noch gefragt. Über so einen kleinen Goldbarren unterm Baum, wer würde sich da nicht freuen?

Nicht immer aber kommen Weihnachtsgeschenke zur richtigen Zeit an. Das ist ärgerlich. Früher waren es vielleicht Socken, die von der Mutter nicht mehr fertig gestrickt werden konnten, in Freising war es im Vorjahr das Freizeitbad Fresch, das vom OB als Weihnachtsgeschenk für die Bürger angekündigt war. Abgesehen davon, dass es eh nicht unter den Baum gepasst hätte, haben den OB seinerzeit Handwerker im Stich gelassen, das Geschenk gab es erst im März. War aber halb so schlimm, denn nun ist ja alles fertig und gut.

In Langenbach will die Gemeinde heuer ihren Einwohnern auch ein Weihnachtsgeschenk machen, eine kostenlose "Bürger-App" für das Smartphone soll es geben. Das ist, haben wir uns sagen lassen, so etwas wie ein Liveticker für aktuelle und zeitkritische Informationen rund um die Gemeinde. Wenn zum Beispiel in der Finkenstraße ein Wasserrohrbruch zu beklagen ist, sagt der Geschäftsleiter, dann erfahren das die Langenbacher sofort per Push-Benachrichtigung. Ausgesprochenes Pech haben nur jene, die kein Smartphone besitzen. Aber vielleicht gibt es da ja was im nächsten Jahr als Geschenk von der Gemeinde.

In Freising gibt es zwar auch eine Finkenstraße, aber noch keine Push-Benachrichtigung. Wasserrohrbrüche gibt es auch, noch öfter aber gibt es verstopfte Straßen. Wäre das nicht schön, wenn man gleich am Morgen die Warnung erhielte, heute nicht durch die Innenstadt zu fahren, weil wild parkende Paketdienste den Verkehr lahm gelegt haben?

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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