Süddeutsche Zeitung

Kirchbergers Woche:Freie Sicht auf Radler

Lesezeit: 2 min

Schwammige Ziele beim "Radentscheid" tun keinem weg

von Johann Kirchberger

Wenn Bürger etwas begehren, starten sie ein Bürgerbegehren und sammeln Unterschriften. Das ist würdig und recht. Auf so einer Unterschriftenliste, schreibt das Gesetz vor, muss eine Frage stehen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden kann. Das ist bei dem nun ausgerufenen Re-Start des Bürgerbegehrens "Radentscheid" nicht anders. Da hätte man jetzt beispielsweise fragen können, ob in Freising auch so ein schöner Buckelpisten-Radlweg gebaut werden soll, wie es der Landkreis in Kirchdorf gemacht hat. Fragt man aber nicht. Die möglichen Unterzeichner werden nur gefragt, ob sie dafür sind, dass die Stadt Ziele für einen attraktiven, leistungsfähigen und sicheren Radverkehr kontinuierlich und verkehrspolitisch vorrangig verfolgen soll. Da kann eigentlich niemand dagegen sein, niemand wird es ablehnen, dass sichere Radwege gebaut und vorhandene sicherer gestaltet werden.

Die aufgelisteten Ziele, fünf sind es exakt, sind recht schwammig formuliert und verlieren sich weitgehend in Allgemeinplätzen. Manche geben Rätsel auf. Wenn etwa gefordert wird, dass Radwege mit einer durchgehend ebenen und eingefärbten Oberfläche ohne Bordsteinkanten baulich so zu gestalten sind, dass ein unzulässiges Befahren und Halten durch Kraftfahrzeuge unterbleibt. Wie soll das gehen? Schließlich weiß jeder Packerlfahrer und Pizzabote, dass man nirgends so gut halten kann wie auf Radwegen.

Schwamm drüber. Die meisten Ziele dieses Bürgerbegehrens werden die Bürger akzeptieren können, schließlich sind sie ja nicht nur Autofahrer, sondern gelegentlich auch Radfahrer. Radvorrangrouten, die alle Stadtbezirke verbinden, Kreuzungen und Einmündungen, die freie Sicht für und auf den Radverkehr erlauben, so etwas wird jeder Verkehrsteilnehmer begrüßen. Da wird nicht nur Erika Musterfrau gerne unterschreiben, sondern den Stift vielleicht sogar an ihren Mustermann weitergeben.

Ein bisschen anders würde es wohl aussehen, wären die Ziele konkreter formuliert. Würde etwa gefragt, ob an der Korbinianskreuzung eine Autospur zugunsten eines Radwegs wegfallen soll, oder ob die Kammergasse zu einer Fahrradstraße umgebaut werden soll, um es wenigen Radlern zu ermöglichen, die Innenstadt weiträumig zu umfahren. So ein breiter Radweg mag zwar den einen oder anderen Radler erfreuen, der schnell ans Ziel kommen will, aber braucht es das wirklich? Denn, seien wir mal ehrlich, schöner und unterhaltsamer ist es doch, Freising durch die Innenstadt zu durchqueren. Zumindest, wenn irgendwann die Baustellen verschwunden und die parkenden Autos allesamt abgeschleppt sind. Ein wenig fraglich ist auch, ob man sich wirklich wünscht, dass die Hauptstraße von vorne bis hinten mit eisernen Halterungen zugepflastert wird, um daran Fahrräder anzuketten.

Dringend wünschen würde man sich dagegen einen Radweg entlang der Schlüterbrücke. Aber davon ist in diesem Bürgerbegehren nicht die Rede. Auch nicht vom Isarsteg Süd. Es bleibt bei der bloßen Aufforderung an die Stadt, mehr für die Sicherheit der Radfahrer zu tun, damit bequemes Radeln möglich ist. Das zu versprechen, dürfte den Stadträten nicht schwerfallen. Sie sind - Beispiel Kammergasse - eh gerade dabei, den Verkehr in der Innenstadt stärker umzukrempeln, als die Bürger je begehren würden.

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Quelle:
SZ vom 11.07.2020
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