Süddeutsche Zeitung

Kirchbergers Woche:Feiern mit Abstand

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Es ist gar nicht so leicht, den Durchblick zu behalten, was gerade erlaubt ist

Kolumne von Johann Kirchberger

Langsam aber sicher macht sich Verwirrung breit. Wie viele Kumpels dürfen jetzt an einem Tisch sitzen und wenn ja wie lange, wenn sie aus mehr als zwei Haushalten kommen? Darf man die Kumpels nur im Biergarten treffen, oder auch in einer Wirtschaft? Und wie ist das, wenn man sich Freunde in die Wohnung einlädt? Wie lange dürfen die bleiben, wenn sie aus zwei Haushalten kommen? Bis 22 Uhr, oder womöglich ein wenig länger? Müssen diese Besucher eine Maske tragen? Und wenn einer geht, darf dann dafür ein anderer kommen, aus einem dritten Haushalt, wenn er genügend Abstand hält, sich die Hände wäscht und sich nicht aufs Sofa zu den anderen setzt? Oder gilt das alles nicht mehr? Ach, es ist alles so kompliziert. Es wird höchste Zeit, dass uns das der Hubert Aiwanger einmal genau erklärt.

Gerne wissen würden wir auch, warum Politiker so schnell vergessen, was sie in ihren Sonntagsreden erzählen. So betonen sie seit Jahren die Bedeutung des Sportunterrichts für die Kinder, weil die wegen Pommes und Burger immer dicker werden. Aber wenn es dann in den Schulen irgendwo zwickt, egal ob räumlich oder personell, dann wird zuvörderst der Sport vom Stundenplan gestrichen. Auch jetzt natürlich, in die Turnhallen werden Tische und Stühle geräumt, und der Vereinssport, der für einen gewissen Ausgleich sorgen könnte, muss weiter pausieren. Können ja im Wald ein wenig joggen, die Mädels und Jungs. Wie lange? Bis auf Weiteres, sagt die Stadt. Das ist doch mal eine klare Auskunft.

Radeln kann auch eine Möglichkeit sein, um sich zu bewegen. Die BR-Radltour wurde zwar ebenso abgesagt wie die ADFC-Feierabendtouren. Aber es gibt ja die Aktion Stadtradeln, die am 21. Juni beginnt. Da sollen sich Teams bilden, die drei Wochen lang mit dem Rad zur Arbeit fahren. Aber nicht gemeinsam, das geht in Corona-Zeiten nicht, sondern einsam, also allein. Auch wer gerade nicht zur Arbeit fährt, weil er ein Home-Office betreibt, kann teilnehmen. Er soll dann, so die offizielle Empfehlung, täglich ein paarmal um seinen Wohnblock fahren. So oder so, ganz wichtig ist, damit das Klima auch so richtig geschützt werden kann, jeden Kilometer in einen Online-Radlkalender einzutragen. Übrigens, wer daheim bleibt oder niemand darüber informieren will, wohin er wann geradelt ist, schützt das Klima natürlich auch, heimlich. Vor allem, wenn er nicht nur drei Wochen lang, sondern ganzjährig radelt. Und im Herbst darf man dann nicht nur zur Arbeit, sondern sogar in die Stadt radeln. Zur Belohnung gibt es in den Geschäften Sammelmarken. Das ist so was wie Payback, nur analog.

Nicht jeder will sich übrigens von Corona jeglichen Spaß verderben lassen. So hat FDP-Stadtrat Jens Barschdorf ein Drive-in-Volksfest vorgeschlagen. Da geht es dann im Schritttempo an diversen Essensständen vorbei, Hendl, Haxen, Steckerlfisch, Brezn und Bier werden ins Auto gereicht und fertig ist die Riesengaudi. Ungeklärt ist noch, wie viele Mass mitgenommen werden dürfen und ob man - Radlsommer! - auch mit einem Lastenfahrrad anreisen darf. Weil auch Künstler gefördert werden sollen, ließe sich zusätzlich alle zehn Meter ein Blasmusiker postieren, der "oans, zwoa, gsuffa" spielt. Barschdorf könnte sich übrigens auch den Aufbau von Fahrgeschäften und Karussells in der Unteren Hauptstraße vorstellen. Das könnte man machen, klar. Nur, wo parken dann die ganzen Autos, die dort sonst stehen.

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SZ vom 06.06.2020
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