Kirchbergers Woche:Deutsch wird abgeschafft

Wer heutzutage etwas auf sich hält und "in" sein will, bemüht die englische Sprache

Kolumne von Johann Kirchberger

Ab und zu kann man schon mal auf dumme Gedanken kommen und manchmal sogar Verschwörungstheorien entwickeln. Dergestalt etwa, dass die deutsche Sprache abgeschafft werden soll. Die Anzeichen dafür mehren sich. Früher galt als Hinterwäldler, wer sich im bayerischen Dialekt ausdrückte, weshalb schon in der Schule Wert auf gepflegtes Hochdeutsch gelegt wurde. Das hat sich inzwischen geändert. Wer heutzutage etwas auf sich hält, wer sich einen modernen, zeitgemäßen, ja internationalen Anstrich geben und "in" sein will, bemüht die englische Sprache.

So heißt das Wissenschaftszentrum Weihenstephan jetzt School of Life Sciences und lädt zu einer Research Opportunities Week. An der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf ist ein Creativity and Innovation Lab geplant um Start-ups zu fördern. An der Rotkreuzstraße in Freising entsteht eine Studentenwohnanlage mit stolzen Mietpreisen von 20 bis 25 Euro pro Quadratmeter, da braucht es einen zugkräftigen Namen wie Bee Free. In Hallbergmoos wird Wasser in eine Grube eingelassen, schon entsteht eine Surftown. Daneben kommt ein Büro- und Einzelhandelskomplex namens Hybrid One. Gebaut von der Rock Capital Group - nicht aus England, sondern aus Grünwald. Am Flughafen plant eine SWMunich Real Estate eine gewaltige Event Arena.

Nicht nur bei McDonald's gibt es jetzt neben einem Drive-in auch einen Abholservice "to go". Wer in Freising bei eigentlich geschlossenen Geschäften etwas bestellt und die Ware an der Ladentüre abholt, bedient sich des Systems Click&Collect. Die Sparkasse bietet dafür die E-Commerce-Lösung One-Stop-Shop an und hat außerdem ein Interface für uns entwickelt. Das Neufahrner Kino heißt Cineplex und hat ein Event und Fun Center mit Billardroom und Bowling. Dazu gibt es Lasertag auf mehreren Ebenen, angeblich so etwas wie ein Räuber- und Gendarmspiel und verschiedene Escape Rooms, was immer das sein mag. In unmittelbarer Nachbarschaft geht es abenteuerlich zu beim Bodyflying and Indoor Skydiving in der FlyStation Munich.

Der Lockdown oder Shutdown soll ja jetzt etwas gelockert werden oder auch nicht, zumindest haben seit Montag die Barbershops wieder geöffnet. Fitnesscenter noch nicht. Um die Läden in der Innenstadt kümmert sich die Active City, das Stadt-Marketing und Quartiersmanagement. Das hat gerade eine Gourmetmeile mit einem Pop Up Cafè ausgerufen, mit dem Lindenkeller "on top". Schlimm, dass heuer der Winter-Sale ausgefallen ist, aber vielleicht kann man ja bald wieder shoppen gehen. Eching will Fairtrade-Kommune werden. In Attaching gibt es das Steinecker Brew Center. Stromzähler tauscht die Solutions 30 Holding GmbH.

Wir biken, joggen und walken, es wird gebouldert und nicht mehr geklettert. Wir skypen und haben ein Headset auf. Wer kann, der arbeitet im Homeoffice und für die Kinder gibt es Homeschooling. Fernsehsendungen kann man sich im Livestream ansehen und wer beim Metzger ein Ripperl verlangt, wird gefragt, ob man Spareribs meine. In manchen Restaurants "to go" werden Pulled Pork Burger verkauft und Coleslaw-Salat.

Deutsch hat ausgedient, das scheint klar. Vielleicht haben die Kreisräte deshalb den MiBikids keinen Zuschuss mehr für Deutschkurse bewilligt. Migrantenkinder sollen sich nicht mehr mit dieser Sprache abplagen müssen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: