Kirchbergers Woche:Das Wort zum Samstag

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Wie der Freisinger Alltag im Jahr 2026 auch aussehen könnte, wenn es ganz schlimm kommt...

Kolumne  von Hans Kirchberger

Es ist ein herrlicher sonniger Tag Ende Mai 2026. Die Familie lagert auf einer Picknickdecke am Pullinger See und verdrückt genüsslich eine Torte mit Erdbeeren aus Südamerika. Keine Wespe stört das Idyll, keine Mücke ist zu sehen. Über den vertrockneten Wiesen schwirren keine Insekten, die sind ausgerottet, seit die Landwirte den Einsatz von Glyphosat verstärkt haben. Die Kinder lachen nicht, ihnen sind die 40 Grad zu heiß. Sie quengeln, weil sie nicht ins Wasser dürfen. Geht nicht, das Landratsamt hat wegen starker Verunreinigungen ein Badeverbot erlassen. Gülle ist über das Grundwasser in den Weiher gelangt. Angler gibt es auch keine mehr, die Fische sind mit Malachitgrün verseucht und ungenießbar. Das gleiche gilt für die Schwammerl und das Wild. Seit diesem schrecklichen Atomunfall sind Tiere und Pflanzen in den Wäldern zu stark radioaktiv belastet.

Es ist Spätnachmittag, Zeit aufzubrechen, zurück in die Stadt. Der Weg ist zwar nicht weit, aber er dauert lange. Die Familie setzt sich in ihren großen Van und reiht sich in die Autoschlange auf der Bundesstraße ein, um sich Schritt für Schritt nach Freising vorzuarbeiten. Die Stadt ist hell erleuchtet, Strom kostet ja fast nichts mehr. Die Freien Wähler haben nach der letzten Bundestagswahl zusammen mit der AfD eine Koalition gebildet und den Wiedereinstieg in die Atomenergie und den Ausbau der Braunkohleförderung beschlossen.

Auch in der Stadt kommt man nur langsam voran. Überall in der verkehrsberuhigten Innenstadt parken Autos, vor den Häusern stehen Mitglieder der Landjugend und trinken Bier aus Plastikbechern, die leeren werden auf das Pflaster geworfen. Männer der Security patrouillieren durch die Stadt. Polizisten gibt es kaum noch, die stehen alle an der österreichischen Grenze und verhindern das Eindringen von Kriegsflüchtlingen. Die kommen jetzt wieder verstärkt über die Balkanroute, seit Donald Trump den Iran und andere arabische Staaten überfallen und ihnen die Ölquellen weggenommen hat. Das hat den Vorteil, dass auch das Benzin unglaublich billig geworden ist.

Endlich zu Hause angekommen, bereitet die Mutter das Abendessen zu. Es gibt Schweinsbraten mit Knödel, ohne Salat. Der wächst ja nirgends mehr. Die Kinder hätten gern noch etwas Milch gehabt, die enthält aber inzwischen zu viele Schadstoffe. Limo und Spezi sind gesünder. Danach muss der Vater noch in sein Homeoffice, er hat einen Nebenjob, die acht Stunden im Büro reichen nicht, um den Lebensunterhalt der Familie zu verdienen. Zum Glück hat die Mutter noch eine Putzstelle am Flughafen. Dort boomt das Geschäft, weil so viele Leute am Wochenende für fünf Euro zum Ballermann nach Mallorca fliegen. Viele Flugzeuge starten auch in Richtung Afghanistan und Syrien, Flüchtlinge müssen abgeschoben werden.

Bevor der Vater mit seiner Nachtarbeit beginnt, prüft er noch, ob alle Fenster geschlossen sind, damit die mit Feinstaub belastete Luft nicht in die Wohnung zieht. Gerade hört er noch in der Tagesschau, dass Bundeskanzler Hubert Aiwanger und sein Umweltminister Benno Zierer alle Klimaziele abgeschafft haben. Zusammen mit der AfD haben sie angeblich herausgefunden, dass der Klimawandel nur eine Erfindung der Grünen ist. Die übrigen Nachrichten versteht er nicht mehr, der Hagel ist zu laut.

Inspiriert vom "Wort zum Sonntag", das Benno Zierer vor einer Woche in den Sozialen Medien verbreitet hat.

© SZ vom 22.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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