Kirchbergers Woche:2020 ist kein gutes Jahr

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Am besten wäre ein Zeitsprung ins Jahr 20121, das aktuelle hat nicht mehr viel zu bieten

Kolumne von Johann Kirchberger

Es ist gerade einmal drei Monate her, da haben wir uns alle ein gutes neues Jahr gewünscht, haben uns die Hände geschüttelt (igitt!), haben mit einem Glas Sekt angestoßen, haben uns vielleicht sogar umarmt. Einige haben auch Raketen gezündet, um böse Geister zu vertreiben. Hat aber nichts geholfen. Dieses neue Jahr ist nicht gut geworden, nirgendwo auf dieser Erde. Es ist ein schlimmes Jahr geworden, eines zum Vergessen. Wäre es da nicht schön, wenn wir einfach die Reset-Taste drücken und die Zeit zurückstellen könnten auf den ersten Januar? Ein neues Jahr beginnen, ohne Corona, ohne Krankheiten und Tod, ohne Ausgehbeschränkungen?

Ein Neustart, das wär es doch. Oder gleich ein Zeitsprung auf 2021. Dieses Jahr 2020 hat eh nichts mehr zu bieten. Die Starkbierfeste sind ausgefallen, Volksfeste sind abgesagt, der gesamte Sportbetrieb ruht, Biergärten und Wirtschaften sind geschlossen, Urlaubspläne gestrichen, keine Fußball-Bundesliga, keine Olympischen Spiele, wahrscheinlich auch kein Oktoberfest. Alles sitzt daheim und hofft, dass dieser Spuk, dieses Jahr schnell an uns vorbeigehen wird.

Gerade der Kreis Freising ist schwer betroffen von der Coronakrise, er ist zu einem Hotspot geworden. Bundesweit gibt es nur wenige Regionen, die mehr Infizierte melden. Das hänge mit der hohen Ultrafeinstaubbelastung in der Umgebung des Flughafens zusammen, wird im Netz spekuliert. Mag sein, Beweise dafür gibt es nicht. In solchen Zeiten wird eben viel spekuliert und die Menschen machen sich Gedanken, fragen nach dem Warum. Man hat ja auch viel Zeit, viel Zeit nachzudenken. Manche beschäftigen sich neben den gesundheitlichen auch mit den wirtschaftlichen Folgen und haben Angst davor. Wie viele Geschäfte, wie viele Gaststätten und Cafés werden überleben? Wie lange wird dieser Ausnahmezustand anhalten, wann wird wieder so etwas wie Normalität zurückkehren? Auch zwischenmenschlich könnte das Coronavirus Auswirkungen haben. Die einen sagen einen Babyboom voraus, die anderen glauben an einen steilen Anstieg der Scheidungsrate, die Polizei vermutet eine Zunahme der häuslichen Gewalt, und wie es sich auswirkt, wenn sich jeder selbst die Haare schneidet, wird sich bald zeigen. Oder auch nicht, wer nur daheim sitzt, muss keinen Spott befürchten.

Manchen ist ja auch langweilig, sie wissen nicht so recht etwas anzufangen mit der vielen Sommerzeit, die sie in diesem Spätwinter haben. Da hätte es bei den Stichwahlen vergangene Woche eigentlich zu einer Rekordbeteiligung kommen können. Die Stimmzettel wurden ins Haus geschickt. Einmal unterschreiben, ein Kreuzchen machen, Kuvert in einen Postkasten werfen, fertig. Einfacher geht's nicht mehr. Trotzdem wollten sich im Landkreis nur die Hälfte der Wahlberechtigten dieser Aufgabe unterziehen. Aber vielleicht wissen ja viele nicht mehr, wo der nächste gelbe Postkasten steht, weil sie keine Briefe mehr schreiben und alles online erledigen. Oder interessiert es wirklich nicht mehr, wer in den nächsten sechs Jahren Landrat ist, wer sich um unsere Schulen, das Krankenhaus und um die Bewältigung der Coronakrise in unserem unmittelbaren Umfeld kümmert? 50,9 Prozent Wahlbeteiligung bei einer Landratswahl, das ist beschämend und erschreckend zugleich. Es ist nicht gut geworden, dieses Jahr 2020.

© SZ vom 04.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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