Kinderbetreuung:Nur noch Personal puzzeln

Kinderbetreuung: Raum zum Spielen im Kinderhaus "Glücksklee".

Raum zum Spielen im Kinderhaus "Glücksklee".

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Fachkräftemangel trifft in Freising zunehmend auch Kinderhorte. Weil Erzieher gekündigt hatten, musste im Pallotti-Haus bereits eine Gruppe geschlossen werden. Für freie Stellen gibt es kaum Bewerbungen.

Von Laura Dahmer, Freising

Die Erkenntnis war nur wenige Wochen vor Beginn des neuen Betreuungsjahres gekommen: Der Kinderhort St. Vinzenz Pallotti musste im August 2018 eine Gruppe schließen, 21 Hortplätze standen plötzlich auf der Kippe. Der Grund: Kurzfristig hatten drei Erzieher gekündigt, der Hort konnte die Aufsichtspflicht nicht mehr gewährleisten und zog die Konsequenz. Personalmangel - die Einrichtung der Katholischen Jugendfürsorge der Erzdiözese München und Freising ist damit nicht allein, der Fall des Pallotti-Horts zeigt nur die Auswirkung einer strukturellen Entwicklung in Freising, auch wenn diese aktuell nicht in allen Horten spürbar ist.

Eine Katastrophe hat die Jugendfürsorge in Zusammenarbeit mit der Stadt vergangenes Jahr abwenden können: Bis auf eines konnten alle 21 Kinder kurzfristig anders untergebracht werden, so die Stadt - vor allem in den zwei weiteren Gruppen des Hortes St. Vinzenz Pallotti. Dort wurden die Kapazitäten von 25 Kindern pro Gruppe ausgereizt, die Gruppen überbelegt. Dafür brauchte es eine Betriebserlaubnis des Amtes für Jugend und Familie. Ansonsten konnten Alternativlösungen in Mittagsbetreuung oder Offenen Ganztagsschulen gefunden werden.

Fachkräftemangel: Es fehlt nicht an Platz, es fehlt an Personal

Die Erzieher hatten teils aus privaten Gründen gekündigt, teils wurden sie aber auch abgeworben. "Da liegt für uns das Problem: Der Markt ist leergefegt, die Erzieher haben den Luxus, sich anders zu orientieren und das beste Angebot zu suchen. Und sie sind sich ihrer Stellung bewusst", stellt Bernadette Baufeld fest, Bereichsleiterin Hort und Offene Ganztagsschulen der Katholischen Jugendfürsorge. Im nächsten Jahr möchte sie die dritte Hortgruppe wiedereröffnen, gerne noch eine vierte. Denn: Das Pallotti-Haus wurde vor wenigen Jahren renoviert, hat mit 100 Plätzen die größte räumliche Kapazität der Freisinger Horte. Was den Platz angeht, "hätten wir auch mit Blick auf die Wartelisten kein Problem, die Gruppen zu füllen. Aber ich bekomme kaum Bewerbungen", klagt Baufeld. Es seien ein paar gute Kinderpflegerinnen da, aber Baufeld braucht Erzieher, eine Fachkraft. "Ohne die können wir unsere Aufsichtspflicht nicht zur Genüge erfüllen." Und so groß die Not auch ist: Die Bereichsleiterin kann und will nicht "zu jedem Preis jeden einstellen".

"Die Personaldecke ist absolut auf Kante genäht"

Hildegard Waldinger, Bereichsleiterin Kinder und Jugendliche der Lebenshilfe Freising, kennt das: "Bei uns ist die Personaldecke absolut auf Kante genäht." Die Jugendhilfe ist Träger des Integrativen Kinderhorts im Bildungszentrum Gartenstraße. Zu einer Gruppenschließung ist es noch nicht gekommen, aber Waldinger weiß, wie schnell das gehen kann. "Kommt es zu Kündigungen, kommen kaum Bewerbungen. Und das Personal wechselt heute schneller als früher, sie können sich die Stellen ja aussuchen. In der Verwaltung mache ich nichts anderes mehr als Personal puzzeln." Aktuell gibt es für die Gruppe mit 18 Kindern drei Betreuer. "Die braucht es auch, ein Drittel der Kinder hat Förderbedarf." Deshalb ist Waldinger, wie auch Baufeld, auf Fachkräfte angewiesen. Kinderpfleger und andere Lösungen können die Personalsituation nicht entspannen.

Einrichtungen müssen Anreize schaffen, um das Personal zu halten

In den Einrichtungen der Stadt geht das eher, man arbeitet mit Springern und Elterninitiativen. Trotzdem: Die Gruppen sind voll ausgelastet, viele Eltern warten auf Plätze. Laufend seien Stellen ausgeschrieben, der Fachkräftemangel ein generelles Problem, so die Stadt. Eine Herausforderung ist auch hier, bestehendes Personal zu halten: Es bedarf tarifkonformer Vergütung, Extras wie Gemeinschaftsaktivitäten und Gesundheitstage, vor allem aber "Wertschätzung für das Personal".

Wegen dieser Wertschätzung habe man aktuell kein Personalproblem, heißt es bei der Erzdiözese München und Freising, Träger des Kinderhortes St. Lantpert. "Wir sind total gut ausgelastet - und das seit zwei bis drei Jahren", erzählt eine Mitarbeiterin des Regionalverbunds Freising. Die Erzdiözese sei als Arbeitgeber flexibler geworden: "Wir bieten alle möglichen Modelle an, geben unbefristete Arbeitsverträge, fördern Fortbildungen und haben Praktikanten, um diese direkt auszubilden." Drei Erzieherinnen gibt es zur Zeit für eine Hortgruppe mit 23 Kindern, ab Januar kommt sogar noch eine Kinderpflegerin dazu. So gut war es nicht immer, weiß die Mitarbeiterin. Die Stunden am Nachmittag finden viele Teilzeitkräfte unattraktiv, lange hatte man in St. Lantpert Probleme, diese Zeiten zu besetzen. Aber: Es gibt einen Kindergarten im Haus, übergangsweise konnten Erzieher von dort aushelfen. Schließen mussten sie die Gruppe nie, "irgendwie haben wir es immer geschafft".

Traumbesetzung durch "Mehrgenerationenkonzept"

An einem Hort in Freising scheint die ganze Problematik völlig vorbeizugehen. "Wir haben eine Traumbesetzung", erzählt Karin Bungartz fröhlich. Sie ist Leiterin des Kinderhorts Familienservice Villa, eine Einrichtung für Studenten und Beschäftigte der TU. "Wir arbeiten mit einem Stammpersonal und Aushilfskräften - darunter Schüler und Studenten." Bungartz hat dieses "Mehrgenerationenkonzept", wie sie es nennt, bewusst initiiert. Es gebe einen perfekten Austausch zwischen Erzieherinnen und jungen Leuten, von dem auch die Kinder profitierten. Und es entspannt die Personalsituation. "Fachkräfte zu finden war immer ein Problem, das wir jetzt nicht mehr haben." Aber: Das Konzept des Horts ist ein anderes, viele TU-Mitarbeiter oder Studenten liefern ihre Kinder nur ein paar Tage pro Woche ab. Dass die Gesamtsituation sehr schwierig ist, weiß auch Bungartz.

Egal, wie der Personalschlüssel im Einzelfall aussieht, in einem Punkt sind sich die Einrichtungen einig: Es ist keine Besserung in Sicht, trotz vieler Vorstöße wie die Fachkräfteoffensive von Familienministerin Franziska Giffey, die künftig den Ausbildungsberuf Erzieher fördern soll. Und das Problem beschränkt sich beileibe nicht nur auf Horte.

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