Kinderbetreuung :"Wir sind am Ende unserer Kraft"

Kinderbetreuung : Die Pandemie hat in der Kinderbetreuung eine ganze Branche frustriert und ausgebrannt zurückgelassen, auch in Allershausen.

Die Pandemie hat in der Kinderbetreuung eine ganze Branche frustriert und ausgebrannt zurückgelassen, auch in Allershausen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Immer neue Bestimmungen, schlechte Bezahlung und Nachwuchsmangel: Die Pandemie hat in der Kinderbetreuung eine ganze Branche frustriert und ausgebrannt zurückgelassen.

Von Petra Schnirch, Allershausen

Nach fast zwei Jahren Pandemie geht Johanna Weiner oft mit Kopfschmerzen ins Bett und steht mit Kopfschmerzen wieder auf. "Wir sind ausgelaugt, am Ende unserer Kraft", sagt die Leiterin der Kinderkrippe Fridoline in Allershausen. Mittlerweile bestimmt der Kampf mit der Bürokratie ihre Arbeit. Sie plane von Tag zu Tag, erzählt sie, und wisse nicht, ob die Informationen, die sie an die Eltern weitergibt, am nächsten Tag überhaupt noch Bestand haben. Vor Corona hatte die Personalplanung im Schnitt ein halbes Jahr Bestand, in den ersten gut eineinhalb Jahren der Pandemie zumindest eine Woche. Seit Anfang Januar, durch die ansteckende Omikron-Variante, hat sich die Situation noch einmal verschärft.

133 Newsletter hat die Krippenleiterin seit Beginn der Pandemie erhalten, fast wöchentlich einen. Darin übermittelt das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales aktuelle Anordnungen und Informationen. Früher sei alle zwei, drei Monate eine solche Anweisung gekommen, sagt Weiner. Was auch schon passiert ist: Freitagabend um 19 Uhr treffen neue Regelungen ein, die bereits am Montag darauf umzusetzen sind. Seitdem nimmt Weiner ihren Laptop, "ihr Büro", wie sie sagt, immer mit nach Hause.

Hinzu kommen Kontrollen der Tests durch die Eltern, Masken- und Schnelltest-Bestellungen für das Personal, die Anschaffung von Luftfiltern, die dafür notwendigen Einweisungen. Sie fühle sich manchmal als verlängerter Arm der Staatsregierung, sagt Weiner.

Auf drei Häuser verteilt, betreuen Weiner und das 15-köpfige Fridoline-Team etwa 70 Kleinkinder in sechs Gruppen - sofern der "Sonderling Corona", wie die Krippenleiterin das tückische Virus nennt, dies zulässt. Die Fälle, dass Mitarbeiterinnen zu Hause bleiben müssen, weil sie selbst oder aber ihre eigenen Kinder infiziert sind, häufen sich. "Wir schauen jeden Tag, was möglich ist, planen nur noch von heute auf morgen." Eine Schließung der Fridoline konnte bisher verhindert werden, zeitweise kann aber nur die Hälfte der Kinder einer Gruppe betreut werden. Drei Mitarbeiterinnen waren zuletzt in Quarantäne. "Wir haben bald keine Leute mehr."

"Wir wollen eine gute Arbeit leisten", sagt Weiner. "Aber ich fühle mich sehr weit weg von meiner wirklichen Aufgabe." Die Pandemie offenbart schonungslos die Probleme einer Branche, die es auch zuvor schon nicht leicht hatte. Sie würde sich hier mehr Engagement von Seiten der Politik wünschen, sagt die Krippen-Leiterin. Der Arbeitsdruck motiviere viele der Praktikantinnen nicht, den Beruf danach tatsächlich zu ergreifen.

Ähnliche Erfahrungen hat Bianca Kellner-Zotz gemacht. Die Allershausener CSU-Gemeinderätin hat an der Hochschule Landshut unterrichtet, Fakultät Soziale Arbeit. Viele Studierende strebten mittlerweile eher einen Job in der Verwaltung an, als in die Praxis zu gehen, erzählt sie. Fertig ausgebildete Pflegekräfte dagegen gingen lieber an die Uni. Kellner-Zotz gehört zum Leitungsteam des Arbeitskreises Kinderbetreuung in Allershausen. Die Kitas in der Gemeinde klagten alle über die gleichen Schwierigkeiten - und darüber, dass sie am Ende seien. Einen Hilferuf Weiners per E-Mail leitete die Gemeinderätin an mehrere Politiker weiter.

Was müsste sich aus Weiners Sicht ändern? Während der zweijährigen Ausbildung an der Kinderpflegeschule verdienen die jungen Leute, anders als Azubis, kein Geld. Die Leiterin der Fridoline wünscht sich deshalb mehr duale Ausbildungsangebote in ihrer Branche. Die Bezahlung bleibt auch danach ein Problem: "Mit diesem Beruf kann ich keine Familie gründen", kritisiert Johanna Weiner, "wir fühlen uns immer noch als Nebenverdiener".

Die Tätigkeit müsse mehr Anerkennung und Wertschätzung bekommen - nicht nur in Form von Worten. Für notwendig hält sie zudem mehr Fortbildungen und Teamtage, um den Beruf attraktiver zu machen. Weiner regt außerdem eine Plattform auf den Seiten des Familienministeriums oder auch des Landratsamts an, um Stellenangebote zu bündeln und gut sichtbar zu machen.

Während der Corona-Krise galt das Kita-Personal als systemrelevant, ebenso wie Pflegekräfte und Verkäuferinnen. Doch am Verdienst habe sich nicht verändert. "Das verursacht Frust." Die Kinder bräuchten gerade jetzt viel Empathie und Betreuung, einige seien sehr verschüchtert, weil sie in den vergangenen Monaten nur wenige Kontakte hatten, andere hätten Rückschritte beim Erlernen der deutschen Sprache gemacht. Sie sei "ein bisschen enttäuscht", sagt auch Bianca Kellner-Zotz. Sie habe seit Herbst 2020 viele Gespräche in der CSU geführt. Man spüre aber, dass Kinder und Jugendliche keine Lobby hätten, dass der Wirtschaft wieder Vorrang eingeräumt werde. Man habe gesehen, dass Kinder keine Pandemie-Treiber seien. Die anlasslosen Massentests sollten deshalb wegfallen, fordert sie, ebenso ein "vernünftiges Grundgehalt für alle Erzieherinnen und Erzieher. Gebe es nicht bald Perspektiven auf eine Lockung der Auflagen, befürchtet sie einen "Aderlass" für den Beruf. "

Am Ende ihrer Hilferuf-Mail schreibt Johanna Weiner: "Ich sitze und sitze und versuche, meinen Kolleginnen, den Eltern und Kindern gerecht zu werden und dabei immer freundlich zu bleiben. Und frage mich: Wann hat dieser Wahnsinn endlich ein Ende?" Auf der anderen Seite macht sie weiter. Denn eigentlich liebt sie ihren Beruf. "Man wächst mit seinen Aufgaben", sagt die Leiterin der Fridoline. Allerdings klingt dabei viel Resignation durch.

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