Kichbergers Woche:Der Segen aus dem TV muss reichen

Das Osterfest 2020 wird anders verlaufen als man es gewöhnt ist. Einiges bleibt dennoch wie früher

Kolumne von Johann Kirchberger

Weil nun schon seit Wochen der Frühschoppen ausfällt und auch kein Stammtisch mehr zusammentritt, sucht man nach Alternativen, um die Couch im Wohnzimmer ein wenig zu entlasten und sich fit zu halten in diesen schweren Zeiten. Da bietet sich zum Zeitvertreib und aus sportlichen Gründen eine Radltour durch das Erdinger Moos an, natürlich allein, versteht sich von selbst. Frische Luft und Bewegung können ja nicht schaden. Es ist angenehm ruhig, stellt man bald fest. Gelegentlich kommt einem ein Rennradfahrer im Tour-de-France-Outfit entgegen oder ein Traktor, ganz selten ein Auto. Obwohl sich in unmittelbarer Nähe der Flughafen befindet, sieht man kein einziges startendes oder landendes Flugzeug. Vor Riegerau springen ein paar Hasen über die Straße und verschwinden dann in einem Feld. 200 Meter weiter kommt ein kleines Gehöft mit einem Transparent davor. "Eierhütte" steht da. Aha denkt man sich, das waren Osterhasen, die sich Nachschub besorgt haben. Auf der Autobahn, die zwischen Hirschau und Eittingermoos überquert wird, ist verdammt wenig los. Trotzdem sieht man noch einige Autos. Merkwürdig, Ausflüge sind untersagt, Besuche verboten, die Wohnung darf man eigentlich nur zum Einkaufen verlassen, um Sport zu treiben oder aus anderen triftigen Gründen. Wo die wohl alle hinwollen?

Daheim sieht und hört man im Corona-TV sofort wieder die üblichen Verdächtigen. Virologen, Professoren, Mediziner und Gesundheitsminister aus ganz Deutschland und natürlich den Chef des Robert-Koch-Instituts, die alle versichern, dass die Lage ernst sei. Finanzminister Robert Scholz verkündet zum wiederholten Mal, dass er die Bazooka auspacken will, um großen Firmen und kleinen Selbständigen zu helfen. Manchmal spricht auch Angela Merkel zu uns. Täglich auf Sendung ist Markus Söder und sagt, dass wir noch lange nicht über den Berg sind, weiterhin daheim bleiben und bald alle Schutzmasken tragen müssen, die wir uns bitte selbst basteln sollen. Neben ihm oder auch hinter ihm sehen wir immer einen ernst schauenden Florian Herrmann, der nach beendeter Pressekonferenz seinem Chef Akten hinterherträgt. Ist viel beschäftigt zurzeit, unser Landtagsabgeordneter, weshalb er auch das schlechte Abschneiden seiner CSU bei den Kommunalwahlen im Landkreis noch nicht so richtig analysiert hat, wie er sagt. Den Kampf um die Wählerstimmen will erst dann wieder so richtig aufnehmen, wenn er das Coronavirus im Griff hat.

Ostern 2020, das könnten ruhige Feiertage werden. Allerdings steht zu erwarten, dass sich viele nahe und entfernte Verwandte telefonisch nach unserem Gesundheitszustand erkundigen und dazu raten, gut auf uns aufzupassen. Machen wir, fest versprochen. Wir lassen uns auch Schinken, Meerrettich, bunte Eier und Osterbetzerl schmecken, die nach alter Tradition am Sonntagmorgen auf den Tisch kommen, auch wenn das Osterfrühstück oder der Osterbrunch, wie das neuerdings heißt, diesmal nicht geweiht ist, weil morgen Ostermesse und Speisenweihe ausfallen. Aber vielleicht genügt ja heuer ausnahmsweise der päpstliche Segen "Urbi et Orbi", der frisch aus Rom aus unserem Fernsehgerät kommt, damit wir auch heuer was "Gweichts" essen können.

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