Kaum genutzt im Landkreis Freising:Ehrenamtskarte ist ein Flop

Kaum genutzt im Landkreis Freising: 1629 Ehrenamtliche aus dem Landkreis Freising besitzen entweder die goldene oder die blaue Ehrenamtskarte.

1629 Ehrenamtliche aus dem Landkreis Freising besitzen entweder die goldene oder die blaue Ehrenamtskarte.

(Foto: oh)

Engagierte Bürger sollten mit der Karte belohnt werden - doch nur wenige Freisinger profitieren von den damit verbundenen Rabatten und reduzierten Eintrittspreisen.

Von Christian Gschwendtner, Freising

Ein Zeichen wollte der ehemalige Landrat Michael Schwaiger setzen. Maßgeblich auf sein Betreiben hin führte der Landkreis im Dezember 2012 die Ehrenamtskarte ein. Wer sich fürs Gemeinwohl engagiert, sollte endlich eine Anerkennung zum Anfassen bekommen. Schwaiger sprach damals von "interessanten Vergünstigungen". Drei Jahre später ist davon wenig übrig geblieben, die Ehrenamtskarte ist in der Versenkung verschwunden. Angedacht als große Geste, erweist sie sich zusehends als Flop.

1629 Ehrenamtliche aus dem Landkreis Freising besitzen entweder die goldene oder die blaue Ehrenamtskarte, doch kaum einer nutzt sie regelmäßig. Zu zwei Dritteln rekrutieren sich die Kartenbesitzer ohnehin aus den Reihen der Freiwilligen Feuerwehr. Dort meldete man sich gleich am Anfang geschlossen über eine Liste beim Landratsamt an. In den vergangenen drei Jahren hat der Freisinger Feuerwehrmann Florian Wöhrl die Vorteilskarte allerdings höchstens drei Mal beansprucht. Die ganze Rabattaktion sei zwar gut gemeint, findet er. "Es gibt aber zu wenig Akzeptanzstellen, die für mich persönlich interessant sind". Nach Auskunft von Wöhrl ergeht es seinen Feuerwehrkollegen ähnlich. Entweder die Geschäfte haben noch nie was von Ehrenamtskarten gehört oder vergessen, dass sie eigentlich an der Aktion teilnehmen. Wöhrls Fazit lautet jedenfalls: "Der Mehrwert ist überschaubar, da ist auf jeden Fall Luft nach oben".

Wer soll die Stunden der Ehrenamtlichen kontrollieren?, fragen Kritiker

Bei der aktuellen Diskussion muss man wissen, dass die Ehrenamtskarten von Anfang an umstritten waren. Ein Dutzend Landkreisgemeinden lehnte die Einführung ursprünglich ab. Die Rede war von einem "bürokratischen Irrsinn". Eine blaue Vorteilskarte erhält schließlich nur, wer unentgeltlich mindestens fünf Stunden pro Woche oder 250 Stunden im Jahr im Dienst der Allgemeinheit unterwegs ist. Und das über einen Mindestzeitraum von zwei Jahren. Wer soll das kontrollieren?, fragten die Kritiker. Zollings Bürgermeister Max Riegler wollte die Arbeit der Ehrenamtlichen deshalb lieber vor Ort würdigen, in der jeweiligen Gemeinde, und bekam damals breite Zustimmung für seinen Vorschlag. Bis heute beteiligen sich nur Rudelzhausen, Moosburg und Freising an der Rabattaktion des Landkreises.

Auffallend ist die geringe Zahl der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer. In der offiziellen Statistik tauchen sie erst gar nichts auf. Das Landratsamt hat dafür keine Erklärung. Und auch Erwin Girbinger vom Moosburger Helferkreis kennt niemanden aus seinem Umfeld, der sich für die Ehrenamtskarte interessieren würde. "Zehn Prozent Rabatt in irgendeinem exotischen Geschäft finde ich jetzt nicht wahnsinnig verlockend", sagt Girbinger. Eine finanzielle Entlohnung steht für den Moosburger auch gar nicht im Vordergrund. Weitaus wichtiger wäre ihm eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Und daran mangelt es aus seiner Sicht mitunter erheblich. Erwin Girbinger hat einige Beispiele parat: Die peniblen Auslegungen der Öffnungszeiten im Landratsamt stören ihn genauso wie unnötige Fahrten nach Freising oder fehlende Ansprechpartner, wenn mal ein Asylberater krank ist. Aber das sei jetzt ein anderes Thema, sagt Girbinger.

Das Landratsamt versucht die Aktion dennoch am Leben zu erhalten

Im Landratsamt bemüht man sich nach wie vor um neue Partner. Derzeit gewähren 41 Geschäfte einen Preisnachlass für Ehrenamtliche - die meisten von ihnen wurden bereits vor zwei Jahren angeworben. Seitdem sind kaum neue Partner dazugekommen. Und so manches Angebot hat nur wenig Potenzial zum Kassenschlager. So verspricht ein Autoreifenhändler drei Prozent Rabatt beim Kauf von Neureifen, beim Hüpfburgverleih gibt es zwölf Prozent, und wer neben seiner Ehrenamtstätigkeit noch Zeit zum Motorsägen hat, darf mit 15 Prozent rechnen.

Vielleicht ist das der Grund, warum die Zahl der Neuanträge bei den Ehrenamtskarten kontinuierlich abnimmt. Für den THW-Ortsbeauftragten Michael Wüst ist die ganze Aktion "ein nettes Entgegenkommen". Aber auch nicht mehr. "Es ist jetzt nicht so, dass ich mich allein wegen der Ehrenamtskarte noch einmal weitere 15 Jahre engagiere", sagt Wüst. Sinnvoller wäre es, findet er, wenn Brand- und Katastrophenhelfer sich ihre Arbeit auf die Rente anrechnen lassen könnten. Schließlich nähmen sie oftmals ganz bewusst berufliche Nachteile in Kauf. Seine eigene Ehrenamtskarte zückt Michael Wüst eher selten. Abgesehen vom Eintritt ins Neufahrner Schwimmbad.

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