Auch Freising muss sich vorbereiten:Klimatauglicher Katastrophenschutz

Einsatz im Ahrtal

Aus Einsätzen wie hier nach dem Hochwasser im Ahrtal weiß man beim THW Freising: Es braucht mehr gemeinsame Übungen und Maßnahmen seitens der Hilfsorganisationen, um auf häufigere Extremwetter vorbereitet zu sein.

(Foto: THW/oh)

Weil Extremwetterlagen in Zukunft öfter vorkommen, werden die Einsätze für Feuerwehren und Technisches Hilfswerk mehr. Feuerwehrexperte Jens Motsch mahnt eine bessere Ausrüstung und Ausbildung diesbezüglich an. Im Landkreis sieht man sich schon recht gut aufgestellt.

Von Thilo Schröder, Freising

Feuerwehr und Technisches Hilfswerk (THW) müssen sich in Folge der Klimakrise auf häufiger auftretende Extrem- und Unwetterereignisse wie Hochwasser, Dürren und Waldbrände einstellen. Das mahnt der Feuerwehrexperte Jens Motsch aus Homburg im Saarland an. Selbst Angehöriger einer Freiwilligen Feuerwehr, beschäftigt er sich seit Jahren mit Meteorologie im Zusammenhang mit Einsatzgeschehen. Die Hilfsorganisationen müssten nachsteuern, fordert Motsch. Bei der Feuerwehr Freising und seitens des Kreisbrandrats sieht man sich bereits gut gerüstet. Beim THW Freising erkennt man indes einen Trainingsbedarf, gerade mit Blick auf größere, übergreifende Einsätze.

Die Folgen der Klimakrise im Umfeld der Gefahrenabwehr seien zwar "schon seit Jahren Thema, aber nie so richtig auf dem Schirm", moniert Motsch. Wissen über Wetter und Klima mache die Daseinsvorsorge jedoch zuverlässiger und Arbeitsschritte besser planbar. Es brauche deshalb mehr Expertise in den Feuerwehren, fordert er. Doch die fehle vielerorts, obwohl das Interesse daran "gigantisch" sei. Unter anderem, weil es an den Feuerwehrschulen kaum gesonderte Ausbildungen dazu gebe. Vor Ort reagiere man deshalb oft erst nach einem Extremwetter vor der eigenen Haustür.

In Freising hat man nach dem Isar-Hochwasser 2006 und dem Starkregen 2013 reagiert

Bereits mehrfach reagiert hat man im Landkreis Freising. Als Teil eines Hochwassermaßnahmenplans nach dem Isar-Hochwasser 2006 seien beispielsweise sechs mobile Hochwasserpumpen beschafft und Schöpfwerke an der Isar errichtet worden, sagt Feuerwehrsprecher Florian Wöhrl. Auch auf die Starkregenereignisse 2013 in Freising habe die Stadt mit "umfangreichen Maßnahmen" reagiert. Die Hauptfeuerwache verfüge über eine unabhängige Stromversorgung, Pumpen seien auf leicht transportablen Rollcontainern untergebracht; eine Vielzahl von Geräten werde bereitgehalten wie beispielsweise Sandsäcke und Sandsackfüllmaschine, Schubkarren, Schaufeln und Schneeschaufeln in größeren Stückzahlen, Ausrüstung zur Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung.

Auf Stadt- und Landkreisebene herrscht Wöhrl zufolge "ein hohes Bewusstsein für die Herausforderungen des Klimawandels". Kreisbrandrat Manfred Danner sieht daher keinen gesonderten Bedarf an Schulungen oder Spezialisten beim Thema Extremwetter. "Das ergibt sich aus dem Klimawandel, da muss man sich generell damit auseinandersetzen", sagt er. Ähnlich äußert sich der Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbands Bayern, Johann Eitzenberger. Der Umgang mit Wetterextremen und den Auswirkungen des Klimawandels sei überdies "(leider) schon lange Realität in der Einsatzpraxis". Die Szenarien "Unwetter und Extremwetter" gehörten "schon seit jeher zu den klassischen Übungs- und Ausbildungsinhalten".

Beim THW sieht man Bedarf für mehr gemeinsames Training der Hilfsforganisationen

Im Landkreis Freising übe die Feuerwehr etwa Sandsäcke zu füllen, bilde mit Blick auf Sturmschäden Motorsägenführer aus, sei für Waldbrände aufgestellt, zählt Danner auf. Im kommenden Jahr sei eine Fortbildung zum Bau von Deichverteidigungsanlagen denkbar. Benötigt würden angesichts steigender Pegel bei Unwettern zudem Fahrzeuge, die durch tiefere Gewässer fahren können. Ende des Monats soll es nach zweijähriger Corona-Pause außerdem wieder eine Stabsrahmenübung geben; ein Führungsstab aus Hilfsorganisationen und Behörden übt dabei "auf dem Papier" die Abläufe im Katastrophenfall. Auch Jens Motsch betont, dass alle relevanten Akteure sich kontinuierlich vernetzen und gemeinsam üben sollten.

Beim THW Freising sieht man dahingehend mehr gemeinsamen, praktischen Trainingsbedarf. Es gebe zwar bereits übergreifende Ausbildungen in einzelnen Bereichen, sagt Zugführer Marco Eisenmann. Um für größere Katastrophenlagen gewappnet zu sein, müsse neben Stabsrahmenübungen aber auch der "kombinierte Einsatz der Einheiten" geprobt werden. Großeinsätze wie jener im vergangenen Sommer nach dem Hochwasser im Ahrtal hätten gezeigt, wie herausfordernd es sei, einen Gesamtüberblick zu bekommen. Eisenmann rechnet damit, dass solche Einsätze künftig häufiger auftreten.

Eine kritische Nachbereitung zum Ahrtal-Einsatz laufe bereits. Neben Fragen des Vorgehens und der technischen Aufstellung gehe es da auch darum, zu "schauen, ob man bei der Ausbildung gegensteuern muss".

Im Landkreis könnte es künftig mehr Tage mit viel Niederschlag und längere Hitzeperioden geben

Extremwetter-Einsätze fordern die Beteiligten besonders, sagt auch Florian Wöhrl von der Freisinger Feuerwehr. Starkregen sorge meist für viele Einsatzmeldungen in sehr kurzer Zeit, Sturmlagen könnten sich über ein oder zwei Tage ziehen, Hochwasser über mehrere Tage. Verglichen mit anderen Einsätzen sei hier "von einem erhöhten Personalbedarf auszugehen". 2020 waren Wöhrl zufolge rund 15 Prozent der gut 400 Einsätze der Freisinger Feuerwehr auf Unwetter zurückzuführen. Auch Jens Motsch geht davon aus, dass die Zahl von Extremwetter-Einsätzen zunimmt und Hilfsorganisationen an ihre Grenzen kommen.

Darauf deuten auch Prognosen zur Klimaveränderung hin. Daten des Climate Service Center Germany (GERICS) für den Landkreis Freising zeigen: Bei ungebremsten Emissionen gibt es hier bis Mitte des Jahrhunderts an bis zu neun Tagen im Jahr mindestens 20 Millimeter Niederschlag. Bei dieser Menge spricht der Deutsche Wetterdienst eine Warnung aus. Bisher gab es fünf bis sechs solcher Tage im Jahr.

Einsätze der Feuerwehr könnten durch den Klimawandel generell anstrengender werden

Ohne Klimaschutzmaßnahmen könnten außerdem Hitzeperioden im Landkreis bis Mitte des Jahrhunderts bis zu zwölf Tage lang anhalten, fast zwei Wochen am Stück, mit Temperaturen über 30 Grad. Bis Ende des Jahrhunderts könnten Hitzewellen sogar bis zu 29 Tage anhalten, bisher waren es im Schnitt zwei.

Unabhängig von Extremwetter-Einsätzen verändere sich durch den Klimawandel auch das Alltagsgeschäft der Einsatzkräfte, sagt Jens Motsch. Es mache einen Unterschied, ob man bei 20 oder 40 Grad Außentemperatur oder in einer Tropennacht einen Wohnungsbrand lösche. "Da steigt die Einsatzintensität enorm an." Im Landkreis gibt es nach den GERICS-Daten bei anhaltend hohen Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts bis zu 24 Tage im Jahr, an denen die Temperatur auch nachts nicht unter 20 Grad sinkt. Solche Tropennächte kamen hier bisher praktisch nicht vor.

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