Kaminkehrerin:Mit Leine und Schlagzeug

Kaminkehrerin: Kaminkehrerin Johanna Hiergeist ist natürlich schwindelfrei. Und die Arbeit, das Klettern auf den Dächern, halte sie auch fit, versichert sie.

Kaminkehrerin Johanna Hiergeist ist natürlich schwindelfrei. Und die Arbeit, das Klettern auf den Dächern, halte sie auch fit, versichert sie.

(Foto: Marco Einfeldt)

Johanna Hiergeist sorgt dafür, dass die Feuerstätten in Freising gut funktionieren. Die Arbeit bringt einiges an Verantwortung mit sich

Interview von Katharina Aurich, Freising

"Die Aufgaben eines Kaminkehrers oder Schornsteinfegers haben sich in den vergangenen 20 Jahren enorm erweitert", berichtet Kaminkehrerin Johanna Hiergeist. Sie ist gemeinsam mit ihrem Mann, zwei Gesellen und einem Lehrling auf den Dächern Freisings unterwegs und sorgt dafür, dass alle Feuerstätten gut funktionieren.

SZ: Was gehört zu den Aufgaben eines Kaminkehrers?

Hiergeist: Wir kehren die Kamine, machen sie sauber und messen die Abgase. Denn wir sind von der Regierung von Oberbayern damit beauftragt, die Sicherheit der Brennstätten zu gewährleisten und haben die Verantwortung für die Brandsicherheit, aber auch dafür, dass niemand eine Kohlenmonoxidvergiftung bekommt. Wie oft wir im Jahr kommen und die Kehrungen machen, hängt davon ab, wie oft geheizt wird und von der verwendeten Energieform. Zentralheizungen sind einmal im Jahr fällig, zu Holzöfen kommen wir manchmal auch zwei oder drei Mal jährlich. Wichtig ist vor allem, dass das verwendet Holz trocken ist und sich kein Ruß im Kamin ablagert, denn der könnte auch brennen.

Woraus besteht Ihr Handwerkszeug?

Ich habe Leine und Schlagzeug. Diese lasse ich von oben in die Kamine hinein. Früher trug ich Arbeitshosen und Jacken mit Lederbesatz, die waren aber umständlich zu waschen, deshalb ist die Kleidung heute ohne Leder. Aber der Gürtel mit dem Kaminkehrersymbol, unser Erkennungszeichen, ist natürlich geblieben.

Sind Sie schwindelfrei ?

Natürlich - und die Arbeit, das Klettern auf den Dächern, hält auch fit. Einmal hatte ich allerdings Angst, da musste ich den 25 Meter hohen Turm des Biotechnikums in Weihenstephan kehren - und es war sehr windig. Ich stand auf einem Tritt auf dem Dach und der Kamin, der eine halbe Schrittlänge vom Gebäude entfernt stand, bewegte sich im Wind. Da habe ich lieber nicht nach unten geschaut. Als 2007 die Kehrbezirke neu festgelegt wurden, kam dieser Kamin zum Glück zu einem Kollegen.

Werden Sie manchmal von Bewohnern nicht hereingelassen? Was passiert dann ?

Das kommt vor, besonders alte Menschen werden manchmal komisch. Dann werden die Behörden eingeschaltet, denn bei Kehrverweigerung ist das Landratsamt zuständig. Jeder Haus- und Wohnungseigentümer ist verpflichtet, den Kaminkehrer herein zu lassen.

Haben sich die Heizungsarten und Ihre Aufgaben im Laufe der Jahrzehnte verändert ?

Als ich anfing, gab es noch viel mehr einzelne Holz- oder Ölöfen in den Wohnungen. Zum Beispiel in Lerchenfeld, dort waren die Sozialblöcke noch voll belegt. Nach jeder Reinigung war ich selbst auch völlig schwarz und hab ganz lustig ausgeschaut. Inzwischen gibt es viel mehr Öl-Zentralheizungen, da wird man beim Kehren nicht so dreckig. Außer dem Kehren gehört heute aber auch die Energieberatung und die Ausstellung eines Energiepasses zu unseren Aufgaben.

Was beinhaltet die Energieberatung?

Zunächst machte ich eine sechsmonatige Weiterbildung, denn seit 2006 benötigen alle Gebäude, die vermietet oder verkauft werden, einen Energiepass. Dafür analysiere und bewerte ich die Gebäudesubstanz, zum Beispiel, ob es freistehend oder ein Mehrfamilienhaus ist. Ich vermesse die Fenster und bewerte die Anlagentechnik. Seit ich das mache, sehe ich Gebäude mit anderen Augen und schaue viel genauer hin. Inzwischen wurde die energetische Bewertung von Gebäuden zu meinem Schwerpunkt in unserer Firma und ich sitze daher viel am PC und rechne. Aber das ist für mich das Reizvolle an dem Job, dass ich beim Kehren mit Menschen zu tun habe, aber auch die anspruchsvollen technischen Zusammenhänge verstehe.

Gehören zu Ihrem Bezirk auch ungewöhnliche Gebäude?

Ja, wir sind auch für den Flughafen zuständig, allerdings nur für die Kontrolle der Abluftschächte der Dunstabzugshauben. Die müssen funktionieren und sauber sein, denn wenn sich dort Fett ablagert und entzündet, ist der Teufel los. Die Energie- und Heizungsversorgung des Flughafens erfolgt in riesigen Blockheizkraftwerken, die sind für uns eine Nummer zu groß.

Sie sind auf Dächern unterwegs, sitzen viel am PC, engagieren sich als Stadträtin und haben inzwischen auch zwei Enkel, um die Sie sich kümmern - erholen Sie sich auch von diesem vollen Programm ?

Für mich gibt es nichts Schöneres, als in der Freisinger Innenstadt in einem Café zu sitzen und die Menschen zu beobachten. Ich liebe meine Stadt und möchte dazu beitragen, die gute Stube, die Innenstadt, schöner und erlebbarer zu gestalten. Und wenn wir tatsächlich einmal Zeit für uns haben, fahren mein Mann und ich mit dem Cabrio Richtung Hallertau.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: