Kämpferin:Unerschrockene Pionierin

Kämpferin: Eine Ausstellung im Rathaus erinnert an Ellen Ammann, eine der ersten Frauen im Landtag, sowie die ersten Freisinger Stadträtinnen. Bei der Eröffnung (v. l.): Sylvia Nazet (KDFB-Diözesanvorsitzende), OB Tobias Eschenbacher, Diskussionsleiterin Theresa Reischl und Irene Montag (KDFB Freising/Haindlfing).

Eine Ausstellung im Rathaus erinnert an Ellen Ammann, eine der ersten Frauen im Landtag, sowie die ersten Freisinger Stadträtinnen. Bei der Eröffnung (v. l.): Sylvia Nazet (KDFB-Diözesanvorsitzende), OB Tobias Eschenbacher, Diskussionsleiterin Theresa Reischl und Irene Montag (KDFB Freising/Haindlfing).

(Foto: Marco Einfeldt)

Ausstellung im Rathaus widmet sich Ellen Ammann, die 1919 als eine der sieben ersten Frauen in den Landtag einzog

Von Petra Schnirch, Freising

"Die Zahl der gewählten Frauen (steht) in gar keinem Verhältnis ... zu der Zahl der Wählerinnen ... es wäre wahrscheinlich nicht zu viel verlangt gewesen, dass z. B. bei der Reichstagswahl in jedem Wahlkreis eine Frau an aussichtsreicher Stelle aufgestellt worden wäre." Dass diese Aussage von Ellen Ammann auch fast 90 Jahre später noch Gültigkeit hat, hätte der engagierten Wahl-Münchnerin wohl nicht gefallen. Sie gehörte 1919 zu den sieben ersten Frauen, die nach Einführung des Frauenwahlrechts in Bayern in den Landtag einzogen, die Wogen schlugen damals hoch.

Doch die gebürtige Schwedin, Mutter von sechs Kindern, ließ sich nicht beirren und kämpfte für sozialpolitische Themen. Eine Ausstellung des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB) im Freisinger Rathaus erinnert an die unerschrockene Frau, die 1911 den Landesverband gegründet hat. Mit ihrem Mann Otto war Ellen Ammann, Jahrgang 1870, im Alter von 20 Jahren nach München gekommen. 18 Jahre lang arbeitete sie in seiner Privatklinik mit. 1895 errichtete sie die erste katholische Bahnhofsmission in München. 1909 baute sie eine sozial-karitative Frauenschule auf, aus der die Katholische Stiftungsfachhochschule München für Sozial- und Pflegeberufe hervorging. 1923 gehörte sie zu den Politikern, die noch in der Nacht des 8. November Hitlers Putschversuch als Staatsverbrechen verurteilten. Ihre letzte Rede im Landtag hielt sie 1932 wenige Stunden vor ihrem Tod.

KDFB-Diözesanvorsitzende Sylvia Nazet beschrieb Ellen Ammann bei der Ausstellungseröffnung als "Multitalent". Sie sei eine zierliche Person gewesen, nicht auffallend, gut gekleidet, aber resolut. Die Schautafeln erinnern aber auch an die ersten Freisingerinnen, die sich in ihrer Stadt politisch engagierten. In den Stadtrat wurden am 16. Juni 1919 zwei Frauen gewählt, die Musiklehrerin Karola Wasserburger und Kaufmannsgattin Fanny Schiestl. Wasserburger war damals gerade einmal 32 Jahre alt. Ihre Familie stammte aus Wambach im Kreis Erding. Die Eltern gestanden ihr eine gute Ausbildung zu. Sie war nicht nur Musik-, sondern auch Handarbeitslehrerin. Später arbeitete sie bei der Stadt Freising als Fürsorgerin und wohnte in der Hauptstraße. Die junge Frau litt jedoch stark unter Asthma und musste 1930 ihren Beruf aufgeben. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1954 lebte sie unverheiratet im Heiliggeist-Spital in Freising.

Franziska Schiestl, geborene Kerner, kam am 21. Februar 1888 in München zur Welt. 1908 heiratet die gelernte Buchhalterin in Freising den Kaufmann Karl Schiestl. 1913 wurde Sohn Karl geboren. Über ihr weiteres Leben nach der Wahl 1919 konnte die KDFB nichts herausfinden. Weder im Standesamt noch im Pfarrarchiv Sankt Georg gibt es demnach Hinweise. Weitere Kandidatinnen schafften es 1919 nicht in den Stadtrat, darunter Näherin Maria Zilker, Stadtarbeitersgattin Anna Huber, Reallehrerswitwe Greta Frör, Weberin Theres Wilpertshofer, Schlossersgattin Leni Müller und Ziegeleiarbeiterin Kathi Bügl.

Derzeit sind im Stadtrat 16 von 40 Ratsmitgliedern Frauen, das sind immerhin 40 Prozent. Nicht so gut sieht es im aktuellen Landtag aus: 28,3 Prozent der Abgeordneten sind weiblich. Bei Einführung des Frauenwahlrechts in Bayern 1919 waren es 4,4 Prozent, 1946 sogar nur 1,7 Prozent. Unter den Direktkandidaten für die Landtagswahl am 14. Oktober ist im Landkreis wieder nur eine Frau. Irene Montag, Vorsitzende des KDFB-Zweigvereins Freising/Haindlfing, hofft, dass die Ausstellung als Inspiration dient, dass sich dies bald einmal ändert.

Die Ausstellung über Ellen Ammann ist voraussichtlich bis Ende Oktober im ersten Stock des Rathauses zu sehen.

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