Nach dem Angriff auf den Infostand der Jusos:„Das Unwohlsein bleibt“

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Jeden Samstag werben die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer mit ihren Helfern auf dem Freisinger Marienplatz um die Stimmer der Wähler. Müssen sie jetzt Angst haben? (Foto: Marco Einfeldt)

Quer durch alle Parteien erfahren die Freisinger Jusos nach der Attacke vom Samstagabend Solidarität. Nach dem Angriff auf ihren Wahlkampfstand ermittelt mittlerweile die Kriminalpolizei. Die Jusos sehen den Vorfall als einen Angriff von rechts und haben Anzeige erstattet.

Von Birgit Goormann Prugger, Antonia Grabowski, Freising

Nach dem Angriff auf einen Wahl-Infostand der Freisinger Jusos am Samstagabend in der Freisinger Innenstadt ist die Aufregung nach wie vor groß. Wie berichtet, hatte laut der Polizei ein 25-jähriger Mann die Mitarbeiter des Infostands körperlich angegriffen, die Anwesenden beleidigt und Bedrohungen ausgesprochen. Erst durch Eingreifen unbeteiligter Passanten hatten die Beteiligten voneinander getrennt werden können.

Die Ermittlungen in diesem Fall hat die Kriminalpolizei in Erding übernommen. Neue Erkenntnisse gebe es aber nicht, sagte am Montag ein Sprecher der Polizeidirektion Oberbayern Nord. „Die Polizei geht jetzt an den Start und wird die Menschen vernehmen. Wenn man das abgeschlossen hat, kann man sich ein Bild machen“, erläuterte der Polizeisprecher. Was dann folge, seien sogenannte Umfeldermittlungen.

Es werde geprüft, wo die Beteiligten herkommen und was tatsächlich passiert sei.  „Irgendwann kommt man zu einem Ergebnis, dann wird das Ganze unter Umständen der Staatsanwaltschaft übergeben“, so der Polizeisprecher weiter. Näher wollte sich der Polizeisprecher zunächst nicht äußern, auch nicht zum möglichen Motiv des Angreifers. Am Montagnachmittag teilte die Polizeidirektion dann mit, gegen den Mann werde unter anderem wegen Körperverletzung ermittelt.

Die Jusos selbst haben da eine klare Meinung: Ihr stellvertretender Vorsitzender Michael Weindl sagte am Montag, kurz nachdem er von der Freisinger Polizei vernommen worden war, er sei sich sehr sicher, dass es sich bei dem Tatverdächtigen um eine Person mit rechter Gesinnung handele. Bei der Debatte am Infostand der Jusos seien Sätze gefallen wie „Deutschland nur den Deutschen“, keine Zahlungen von Hilfsgeldern für Ausländer und bei Femiziden seien die Täter Ausländer oder Deutsche, die vor drei Jahren ihre Staatsbürgerschaft „gewonnen“hätten. Weindl hat gegen den Mann laut eigenen Aussagen Anzeige wegen versuchter Körperverletzung und Bedrohung erstattet. Anzeigen weiterer Juso-Mitglieder würden folgen.

„Der Nachtinfostand der Jusos Freising wurde gestern Nacht von Rechten angegriffen, Genoss*innen körperlich angegangen. Das dürfen und werden wir niemals hinnehmen“, war am Montag dem Facebookaccount von SPD und Jusos nachzulesen. Auch Leon Eckert, der Bundestagskandidat der Grünen äußert sich klar zu dem Vorfall: „Dass ein Infostand von Rechtsextremen angegriffen wird, ist für Freising etwas Neues, was die Debatte hier verändert“, sagte er auf Anfrage. Und weiter: „Das dürfen wir uns als Demokraten von CSU bis Linke nicht gefallen lassen. So etwas darf nicht geduldet werden. Für die Region ist das ein erschütterndes Ereignis.“

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Die Jusos erfahren Unterstützung aus unterschiedlichen Richtungen. Vielfach wird die Sorge geäußert, dass sich nach diesem Vorfall ehrenamtliche Wahlhelfer und Wahlhelferinnen nicht mehr freiwillig in der Öffentlichkeit engagieren wollen. Einfach aus Angst davor, im derzeit so aufgeheizten politischen Klima selbst Opfer einer Attacke zu werden. Für den Freisinger Kreisverband der CSU äußerte sich dessen Vorsitzender Florian Herrmann in einer Presseerklärung: „Mit Erschütterung haben wir vom Angriff auf einen Infostand der SPD-Jugendorganisation Jusos in Freising am Wochenende erfahren. Wir wünschen dem verletzten Wahlkämpfer baldige Genesung“, heißt es darin unter anderem. Den tätlichen Angriff verurteile die CSU im Landkreis Freising „aufs Schärfste“.

Auf allen Seiten würden sich insbesondere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer für den Wahlkampf einsetzen. Dieses ehrenamtliche Engagement dürfe nicht durch gewaltsame Bedrohung gefährdet werden, sagte Florian Herrmann weiter.

„Der Angriff war klar politisch motiviert.“

Auf dieses Engagement angewiesen ist auch der SPD-Bundestagskandidat Andreas Mehltretter, der noch am Sonntag in einer Presseerklärung auf den Angriff des Juso-Infostands reagiert hatte. Alle politisch Engagierten seien schon seit längerem Beschimpfungen und Drohungen gewohnt – das sei schlimm genug, sagte er. Und weiter „Der gestrige Angriff war klar politisch motiviert und zeigt: Die politischen Entwicklungen der letzten Wochen, wenn Konservative mit Rechtsextremen gemeinsame Sache machen, haben ein Klima geschaffen, in dem sich die Feinde der Demokratie wieder stark und zu solchen Taten ermutigt fühlen. Das macht mich betroffen.“

Gewaltausübung gegen Wahlkämpfer sei nicht zu tolerieren, betont der CSU-Bundestagskandidat Christian Moser. Angriffe auf Menschen, die in einer demokratischen Wahl am Wahlstand um Stimmen werben würden, seien für die Demokratie mehr als schädlich. Demokratie lebe schließlich vom Mitmachen. Wenn ehrenamtliche Wahlhelfer nun Angst haben müssten, dass ihre körperliche Unversehrtheit gefährdet sei, engagierten sich weniger. Auch die JU im Landkreis Freising sei am Freitag mit einem Nachtinfostand präsent gewesen, da sei aber nichts passiert, so Moser weiter.

Nach diesem Vorfall stellt sich für viele die Frage, ob die Infostände von Parteien künftig Polizeischutz bekommen müssen. Christian Moser lehnt das ab. „Einen Wahlkampfstand mit Polizei abzuschirmen, das entfremdet Wahlkämpfer noch mehr von allen anderen. Die Parteiendemokratie muss sichtbar bleiben. Ich erachte das nicht als notwendig und es wird auch nicht gehen. Das Unwohlsein bleibt natürlich“, erläuterte er seine Einstellung dazu.

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Sebastian Pisot, Bundestagskandidat der Linken im Wahlkreis 213, berichtet von internen Wahlkampf- und Infostandschulungen, die seine Partei anbiete. Da lernten die Teilnehmer, wie man mit Personen rede, die aggressiv auftreten würden oder sich erkennbar rechtsextrem äußern. Polizeischutz für Wahlkämpfer und ihre Unterstützer? Davon hält auch Stefan Pisot nichts: „Das wäre der Untergang für die Demokratie, wenn wir für alles, was wir in der Partei tun, Polizeischutz brauchen.“

Was auch angesprochen wird, ist die zunehmende Aggressivität, die Politikerinnen und Politiker bei öffentlichen Auftritten erleben würden. Das höre er oft von Kollegen im Bundestag, so Moser. In seinem Wahlkreis sei die Beschädigung der Wahlplakate Normalität.  „Aber das ist eine Lappalie im Vergleich zu körperlichen Angriffen. Man gewöhnt sich fast daran, dass Plakate zerstört werden, dass Nazi darauf geschrieben wird. Das ist schon Usus geworden. Das zeichnet ein verheerendes Bild für die Demokratie“, beschreibt der CSU-Bundestagskandidat.

Risikoabwägung vor Wahlkampfauftritten

Leon Eckert berichtete, die Grünen würden vor Wahlkampfveranstaltungen nach dem Steinwurf gegen Spitzenkandidaten im Landtagswahlkampf mittlerweile eng mit der Polizei in Freising zusammenarbeiten und vorher immer eine Risikoabwägungen ausführen.

„Wir sind mehr. Wir lassen uns niemals einschüchtern“, liest man nach dem Vorfall vom Samstag auf dem Facebookaccount der Jusos. Und Leon Eckert zeigt sich für den Landkreis Freising optimistisch, dass die Zivilgesellschaft zusammenhalte und solche Vorgänge geschlossen ablehne.  „An unserem Verhalten gegenüber den Menschen hat sich nichts geändert. Wir wollen mit den Leuten über die Herausforderungen in unserem Land sprechen. Alle Bewerber im Wettstreit sehen das genau so.“

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