Süddeutsche Zeitung

Jugendwerk Birkeneck in Hallbergmoos:Stabiler Träger

Aufgrund von Nachwuchssorgen haben die Herz-Jesu-Missionare das Jugendwerk Birkeneck an eine neue Stiftung übergeben. An der Arbeit der Einrichtung für minderjährige straffällige Jugendliche ändert sich dadurch nichts

Von Alexandra Vettori, Hallbergmoos

Oft werden Stiftungen ja gegründet, um Steuern zu sparen. Im Fall der "Jugendwerk Stiftung" der Herz-Jesu-Missionare schaut das allerdings anders aus. Denn wie viele religiöse Orden plagen auch die Herz-Jesu-Missionare Nachwuchssorgen. Deshalb hat man sich entschieden, das Jugendwerk in eine auch künftig stabile Trägerschaft zu übergeben. Seit Anfang des Jahres gibt es dazu die "Jugendwerk Stiftung", an diesem Freitag sollte in Schloss Birkeneck dazu ein Festempfang mit geladenen Gästen stattfinden. Der aber ist wegen der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus nun abgesagt worden.

An der neuen Struktur für den bundesweit bedeutenden Jugendhilfeträger Birkeneck ändert das freilich nichts. Wie Geschäftsführer Otto Schittler erklärt, steht die staatliche Stiftung bürgerlichen Rechts unter der Aufsicht der Regierung von Oberbayern. Die Herz-Jesu-Missionare haben der Stiftung das komplette, acht Hektar große Areal des Jugendwerks Birkeneck übertragen. Die Stiftung wird künftig den Haushaltsplan erstellen, sieben Stiftungsvorstände prüfen diesen, haben die Aufsichtspflicht und haften auch. Derzeit arbeiten 150 Beschäftigte in der Einrichtung, "der Einzige, für den sich etwas ändert, bin ich", sagt Schittler mit einem Lächeln, denn er wird künftig von den Stiftungsvorständen kontrolliert.

Die Jugendarbeit von Birkeneck hat im Jahr 1920 als St. Georgsheim in Hohenkammer begonnen. Fünf Jahre später zog man nach Hallbergmoos in den Ortsteil Birkeneck um, aus dem ehemaligen Jagdschloss der Freisinger Bischöfe aus dem Jahr 1706 wurde eine Fürsorgeerziehungsanstalt. Heute sind hier minderjährige straffällige Jugendliche untergebracht, 112 Plätze gibt es. Aus dem ganzen Bundesgebiet werden nach richterlicher Verfügung massiv auffällige Jugendliche hierher gebracht, um umfassend diagnostiziert und therapiert zu werden. Gleichzeitig können die jungen Bewohner in der hauseigenen Schule den Mittelschulabschluss, auch den qualifizierten, ablegen. Die Klassen sind kleiner als an den Regelschulen, jahrgangsübergreifend und stets mit zwei Lehrern besetzt. Dazu gibt es heilpädagogischen Unterricht und viel Sport. Im Anschluss kann man eine Lehre machen. Wer noch nicht weiß, was ihm liegt, der findet seine Stärken in einer angeschlossenen Arbeitstherapie.

Lehrstellen gibt es in der hauseigenen Bäckerei, die auch einen Shop für die Öffentlichkeit hat, im Maler- und Lackierhandwerk, als Maurer, Koch oder in den eigenen Werkstätten als Metallbauer, Schreiner, Elektriker und, neu, in der Hauswirtschaft. Der begleitende Fachunterricht findet in der angegliederten Berufsschule statt. Die Hauswirtschaftslehre ist nun an die Stelle des Druckerhandwerks getreten. Denn Ende vergangenen Jahres wurden Druckerei, Buchbinderei und die Mediengestaltung geschlossen, laut Schittler konnten sie nicht mehr wirtschaftlich geführt werden.

Auch eine Gruppe minderjähriger Flüchtlinge lebt in Birkeneck, hier wurde 2002 die erste Clearingstelle für unbegleitete Flüchtlinge Bayerns eröffnet. Sie erhalten therapeutische Hilfe, lernen Deutsch und können Praktika oder eine Lehre machen. Bevor die Herz-Jesu-Missionare Birkeneck an die neue Stiftung übergaben, haben sie noch für knapp zwölf Millionen Euro neue Wohnhäuser für die Jugendlichen gebaut, freilich mit staatlicher Förderung.

Ausdrücklich soll auch die Stiftung die christlichen Werte der Herz-Jesu-Missionare hochhalten. Wie Schittler erklärt, habe man aber schon immer einen Sonderweg beschritten: "Das Christliche wirkt genauso viel oder wenig wie bisher. In den vergangenen 30 Jahren hatten wir keine konfessionellen Einschränkungen bei den Beschäftigen. Für uns ist wichtig, dass jemand fachlich der Aufgabe gewachsen ist. Da kann er Muslim sein, konfessionslos oder was auch immer."

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Quelle:
SZ vom 13.03.2020
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