Süddeutsche Zeitung

Jugendhilfeausschuss:Rückhalt für die Pflegeeltern

Petra Bouschka greift als Coach ein, wenn es in Familien Probleme mit den oftmals traumatisierten Pflegekindern gibt. Der Landkreis unterstützt ihre Arbeit auch 2018 mit einem Zuschuss

Von Peter Becker, Freising

Es ist eine anonymisierte Familie, die Petra Bouschka vom Caritas-Zentrum Freising im Jugendhilfeausschuss des Kreistags vorgestellt hat: Da ist der zehnjährige Thomas, der seiner Pflegefamilie Sorgen bereitet. In dieser gibt es zwei weitere Pflegekinder sowie die mittlerweile erwachsenen leiblichen Kinder der Pflegeeltern. An dem Beispiel wollte Petra Bouschka ihre Arbeit als Coach für Vollzeitpflegepersonen veranschaulichen. Der Landkreis unterstützt diese Arbeit im Jahr 2018 mit einem Zuschuss von 15 633 Euro.

Die Familie wohnt in einem eigenen Haus. Thomas geht in die vierte Klasse. Er ist zusammen mit seinem Halbbruder in die Familie gekommen. Die Pflegemutter fühlte sich mit der Erziehung von Thomas überfordert, während der Vater alles ein wenig auf die leichte Schulter zu nehmen schien. Bouschka hat den Buben als "kleinen, süßen Jungen" kennengelernt, der sich auf der Eckbank in der Küche an seine Pflegeeltern kuschelt. Seine leibliche Mutter sieht Thomas selten, den Vater kennt er kaum.

Der Zehnjährige ist verhaltensauffällig, leidet unter dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS). Was der Mutter besonders peinlich ist: Thomas hat gestohlen und ist dabei erwischt worden. Er ließ sich nichts sagen, sägte einen Schreibtisch an. Freunde hat er keine, erzählte die Sozialpädagogin, denn er klammere zu sehr. Was ihr bei einem Besuch des um Hilfe bittenden Paares auffiel war, dass es finanzielle Probleme vor den Kindern ausdiskutierte. Da sei dann schon mal der Satz gefallen: "Die Pflegekinder sind so teuer", berichtete Bouschka. In der Ehe begann es zu kriseln. Die Aufgabe der Sozialpädagogin bestand nun darin, die Wogen zu glätten und den schlimmsten Fall in der Vollzeitpflege zu verhindern: die Beendigung des Pflegeverhältnisses. Bouschka erarbeitete Ziele, um Thomas und seine Pflegeeltern zu unterstützen. Sie sollten mehr mit dem Zehnjährigen unternehmen, fand die Sozialbetreuerin. Denn sein pflegeleichterer Bruder bekam offensichtlich mehr Zuneigung ab. Sie sollten seine Talente, wie etwa Schwimmen und Malen, und seine Sozialkompetenzen fördern. In keinem Fall sollten die Eltern vor den Kindern über die Finanzen sprechen.

Nach einem dreiviertel Jahr stellte sich der Erfolg ein. Der Vater hatte Thomas öfters zum Kajakfahren mitgenommen. Zwischen beiden entwickelte sich ein stabiles Verhältnis. Thomas besucht einen Aquarellkurs, um seine zeichnerischen Fähigkeiten zu verbessern. Er sucht noch einen Platz in einem Schwimmkurs. Der Vater engagiert sich mehr zu Hause. Die Mutter fühlt sich entlastet und macht einen Yoga-Kurs. "Es trat eine deutliche Verbesserung ein", bilanzierte Bouschka. "Kinder und Eltern sind jetzt ausgeglichener."

Insgesamt gibt es 30 Pflegefamilien im Landkreis, zwölf davon betreut die Sozialpädagogin derzeit als Vollzeitpflege-Coach. 28 Stunden im Monat, wobei sie mit den Pflegeeltern telefoniert, sich mit ihnen oder den Kindern an einem neutralen Ort trifft und natürlich auch Hausbesuche macht. "Diese sind sehr aufschlussreich", sagt Bouschka. Denn an bestimmten Situationen, etwa an der Art der Begrüßung, wenn der Vater von der Arbeit heimkommt, lässt sich vieles ablesen.

Im Vorfeld werden die Pflegeeltern sorgsam auf ihre Aufgabe vorbereitet. Ausgeschlossen ist es trotzdem nicht, dass es im Laufe des Pflegeverhältnisses zu problematischen Situationen mit den oftmals traumatisierten Kindern kommt.

Andererseits kämen Krisen auch in anderen Familien vor, sagte die Freisinger Jugendamtsleiterin Arabella Gittler-Reichel in der Sitzung des Ausschusses. "Das ist wie das Leben." "Wir müssten dankbar sein, dass es Familien gibt, die Kinder bei sich aufnehmen", sagte Johannes Becher (Grüne). "Denn die Alternative ist, dass so ein Kind ohne Familienverband im Heim bleibt."

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Quelle:
SZ vom 20.10.2017
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