Süddeutsche Zeitung

Josef Hauner verabschiedet sich:42 Jahre Kommunalpolitik sind genug

Josef Hauner war Freisinger CSU-Stadtrat, 18 Jahre stellvertretender Oberbürgermeister, 36 Jahre Kreisrat und zuletzt sechs Jahre lang Landrat. In seiner Amtszeit galt es nicht nur, von heute auf morgen hunderte Flüchtlinge unterzubringen, sondern jetzt auch die Coronakrise zu meistern

Interview von Peter Becker

Es ist keine Woche mehr hin, dann ist die Amtszeit von Landrat Josef Hauner (CSU) vorüber. Am kommenden Dienstag wird er mit dem Ferienausschuss des Kreistags noch den Haushalt für das Jahr 2020 beschließen. Am 1. Mai übernimmt sein Nachfolger Helmut Petz (Freie Wähler) die Regentschaft im Landratsamt. Hauner hatte sich aus Altersgründen nicht mehr zur Wiederwahl gestellt. Mit seinem Abschied geht auch eine 42 Jahre lang andauernde kommunalpolitische Karriere zu Ende. Im Interview mit der Freisinger SZ blickt Hauner auf die abwechslungsreiche und spannende Zeit zurück.

SZ: Herr Hauner, als Sie vor sechs Jahren ihr Amt als Landrat antraten, hatten Sie sich ihre Amtszeit wohl wesentlich ruhiger vorgestellt?

Josef Hauner: Das trifft zu. Der erste Teil meiner Amtszeit war hauptsächlich vom Asylthema bestimmt. Eine Situation, die wir in der Art vorher noch nicht gehabt haben. Aber rückblickend kann ich feststellen, dass wir diese Herausforderung in einer großen Gemeinschaftsaktion bei uns im Landkreis gut bewältigt haben. Auf der einen Seite hat sich gezeigt, dass eine Verwaltung imstande ist, außergewöhnliche Situationen zu bewältigen. Zum anderen wäre das Ganze nicht möglich gewesen, ohne die große Unterstützung im ganzen Landkreis. Durch die Gemeinden, die Hilfsorganisationen, die Helferkreise, die Kirchen. Alle, die daran beteiligt waren, haben dazu beigetragen, dass dies gut gelungen ist. Zunächst war das Hauptthema die Unterbringung der Asylbewerber. Später ging es überwiegend um Integrationsbemühungen für Bleibeberechtigte.

Später kam noch die sogenannte Malachit-Skandal dazu.

Beim Malachit-Thema bin ich überzeugt, dass unsere Mitarbeiter immer verantwortungsbewusst und gesetzeskonform gehandelt haben. Für uns war die Situation auch deswegen nicht immer einfach, weil zum Beispiel die Staatsanwaltschaft acht Monate gebraucht hat, um festzustellen, wer jetzt als Verursacher angeklagt werden soll. Auf der anderen Seite war das Landratsamt täglich gezwungen Entscheidungen zu treffen. Alle Fachbehörden, die uns zugearbeitet haben, haben von Anfang an immer festgestellt, dass keinerlei Gesundheitsgefährdung für die Bürger besteht. An dem haben wir uns ausgerichtet. Es gibt bestimmte Regeln, was öffentlich gemacht werden soll und was nicht, auch zum Schutz der Betroffenen.

Die Arbeit im Kreistag erscheint im Rückblick als sehr harmonisch. Würden Sie dem zustimmen?

Es war mir von Anfang an ein ganz großes Anliegen, dass wir im Kreistag beweisen, dass es uns um die Sache geht. Der Kreistag ist kein Parlament mit Regierung und Opposition, sondern ein Kommunalorgan, in dem man möglichst zusammenwirken soll. Wichtig war mir, dass es dort stets kollegial zugeht. Außerdem habe ich mich bemüht, die Sitzungen so vorzubereiten, dass sie strukturiert ablaufen. Ich glaube, das ist auch gelungen. Ebenfalls sehr wichtig war mir, dass wir eine gute Zusammenarbeit mit allen Gemeinden im Landkreis - nach dem Motto: Der Landkreis und die Gemeinden Hand in Hand.

Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?

Ich bin sehr zufrieden mit dem, was wir in den sechs Jahren erreicht haben. In meiner Amtszeit ging es nicht nur um Asyl, Malachit und Corona. Wir haben ja auch unsere originären Aufgaben durchgehend gut erledigt. Der Landkreis ist nach wie vor sehr wirtschaftsstark. Was die Steuerkraft je Einwohner anbelangt, liegt er an der fünftbesten Stelle der 71 bayerischen Landkreise. Unser größter Ausgabenposten ist der Bereich Bildung und Schule. Ich erinnere daran, dass der Landkreis zu Beginn meiner Amtszeit für neun Schulen zuständig war und jetzt ist er für 14 Schulen zuständig. Allein das hat einen großen zusätzlichen Personal- und Sachaufwand mit sich gebracht. Wir sind zertifizierte Bildungsregion geworden. Die Vernetzung aller Akteure im Bildungsbereich ist ebenso wichtig wie im Gesundheitssektor. Daher ist der Landkreis seit einigen Jahren auch anerkannte Gesundheitsregion plus. Wir haben auch das Angebot im ÖPNV deutlich ausgebaut und ein besonderes Augenmerk auf die Digitalisierung der Schulen und der Landkreisverwaltung gelegt.

Hat Sie irgendetwas besonders geärgert, etwa in Form von ungerechtfertigter Kritik?

Es hat sicher Tage gegeben, an denen ich mich ungerecht behandelt gefühlt habe. Aber das gehört wahrscheinlich zum Amt des Landrats mit dazu. Wichtig ist, dass am Ende immer das Positive deutlich überwiegt. Ich glaube, das hat die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger auch so empfunden. Zumindest habe ich mich durch die vielen Rückmeldungen, die ich aus der Bevölkerung zu verschiedensten Anlässen bekommen habe, bestätigt gefühlt.

Was hat Ihnen an Ihrer Arbeit besonders viel Spaß bereitet?

Ganz wichtig waren mir immer die Kontakte mit Bürgern, mit Vereinen, Organisationen, die Besuche auch in kleineren Ortschaften, beispielsweise wenn Orts- oder Vereinsjubiläen stattgefunden haben. Mir war daran gelegen, dass alle Bürger das Gefühl haben, der Landrat ist für sie da. Bei den Besuchen vor Ort ist mir auch immer deutlich geworden, in welch großem Maße bei uns im Landkreis ehrenamtliches Engagement stattfindet. Es war mir immer besonders wichtig, die Ehrenamtlichen bei jeder Gelegenheit zu loben und ihnen deutlich zu machen, dass Landrat und Kreistag voll hinter ihnen stehen. Ich möchte auch hervorheben, dass wir bei uns im Landratsamt sehr tüchtige Leute haben, die gute Arbeit leisten, die engagiert sind und das oft über das normale Maß hinaus. Das zeigt sich gerade jetzt wieder in diesen schwierigen Coronazeiten. Es ist eine Gemeinschaftsleistung. Der Landrat steht an vorderster Linie. Wir können aber nur erfolgreich sein, wenn der Landrat sowie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammenhelfen.

Die dritte Startbahn am Flughafen ist in Ihrer Amtszeit nicht beerdigt worden. Wie sehen Sie die Chancen, dass sie in Zeiten der wirtschaftlichen Krise durch die Coronapandemie überhaupt noch gebaut wird?

Ich habe von Anfang an die deutliche Meinung vertreten, dass ich den Bau der dritten Startbahn ablehne, dass wir aber trotzdem gute nachbarschaftliche Beziehungen zum Flughafen pflegen sollten. Er ist ein wichtiger Arbeitgeber, Ausbilder und Auftraggeber in unserer Region. 2015, als der Ministerpräsident (Horst Seehofer, Anm. de.Red) in Attaching zu Besuch war, habe ich gehofft, dass wir dieses Thema erledigen können. Das hat sich leider nicht ergeben. Als die jetzige Staatsregierung angetreten ist, habe ich im Zusammenhang mit dem Moratorium bedauert, dass man diese Chance nicht genutzt hat, um da beim Flächenverbrauch und dem Klimaschutz ein deutliches Zeichen zu setzen. Ich nehme an, in der jetzigen Situation wird es lange dauern, bis der Flugverkehr wieder in so großem Maße stattfindet wie vor Corona. Da wird man schon noch mal die Frage stellen müssen, ob angesichts dieser Entwicklungen eine dritte Startbahn wirklich erforderlich ist.

Wird die Arbeit für Ihren Nachfolger Helmut Petz im Kreistag schwieriger, weil jetzt dort auch die Alternative für Deutschland (AfD) mit drin sitzt?

Ich glaube, man sollte jetzt zunächst schauen, welche Personen da im Kreistag vertreten sind und wie sie dort auftreten. Generell muss man sagen, auch diese vier Kreisräte sind von der Bevölkerung gewählt worden.

Wie wird Corona die Gesellschaft verändern? Erwarten Sie dauerhafte Veränderungen?

Zumindest erhoffe ich mir dauerhafte Veränderungen. Wir sollten uns bewusst werden, dass der Mensch nicht alles selbst in die Hand nehmen kann und diesen Fingerzeig nutzen, um unser eigenes Verhalten überprüfen. Zum Beispiel, ob man wirklich ununterbrochen Fernreisen unternehmen und sich ständig neue Kleidung kaufen muss. Bei Allem, was mit unseren Wegwerfgesellschaft zu tun hat, sollte man überlegen, was sinnvoll, was überflüssig ist. Ich möchte niemandem das Feiern verbieten, aber auch da kann man darüber nachdenken, ob wirklich jede Feier zum fünf- oder zehnjährigen Jubiläum sein muss.

Welche Konsequenzen wird die Pandemie für den Landkreis haben? Muss man etwa manche Sachen von der Wunschliste streichen?

Es wird wohl so sein, dass die Einnahmen des Landkreises genauso zurückgehen wie die der Gemeinden. Je nachdem, in welchem Umfang das der Fall ist, wird der Kreistag Prioritäten setzen müssen. Die finanziellen Belastungen, die jetzt entstehen, müssen ja irgendwann wieder abgetragen werden. Ich hoffe aber, dass das nicht so gravierend ist, wie das manche jetzt schon befürchten.

Was bedeutet die Coronakrise für die gesundheitliche Versorgung im Landkreis, für die Besetzung des Gesundheitsamts und die Würdigung der Pflegekräfte im Krankenhaus, das ja dem Landkreis gehört? Die hätten es doch sicher verdient, in den Genuss der Großraumzulage zu kommen.

An unserem Gesundheitsamt besteht seit einigen Jahren eine Unterversorgung im ärztlichen Bereich. Es war zum Beispiel die Leiterstelle sieben Monate nicht besetzt. Die jetzige Coronakrise hat gezeigt, dass der Staat die Gesundheitsverwaltung personell und auch sachlich deutlich besser ausstatten muss. Es muss Vorsorge getroffen werden, damit bei einer neuerlichen Pandemie Strukturen bereits vorhanden sind und nicht erst mühevoll in Wochenend- und Nachtarbeit geschaffen werden müssen. Ich habe höchste Achtung vor der überragenden Leistung unserer Bediensteten im Gesundheitsamt und unserer Unterstützer aus dem Landratsamt.

Wir können auch sehr dankbar sein, dass unsere Klinikum die Corona-Belastungen bisher ganz hervorragend bewältigt hat. Es hat sofort genügend Platz für Covid-19-Patienten geschaffen und zu jeder Zeit die erforderlichen Intensiv- und Beatmungskapazitäten zur Verfügung gestellt. Erfreulicherweise mussten wir bisher keine Notquartiere beispielsweise in Turnhallen einrichten. Ich hoffe, dass das so weitergeht. Ich kann nur den höchsten Dank an das Klinikum aussprechen und zwar an alle Beteiligten: die Ärzte, die Pfleger und alle anderen, die dazu beitragen, dass alles funktioniert. Insgesamt ist das Klinikum gut aufgestellt, auch für den normalen Betrieb. Zur Großraumzulage: Ich habe ja in der Kreistagssitzung im Dezember, also vor Corona, deutlich gemacht, dass wir diese Zulagen auch dem Klinikpersonal zukommen lassen sollen.

Was für einen Rat geben Sie Ihrem Nachfolger mit?

Ich möchte mich nicht mehr einmischen. Aber es wäre vielleicht sinnvoll, sich zunächst umzuschauen, was im Landkreis und dem Landratsamt so läuft, und dann je nach Situation Schwerpunkte setzen.

Ziehen Sie sich jetzt ganz aus dem politischen Leben zurück?

Aus dem kommunalpolitischen Leben ziehe ich mich zurück. Ich war jetzt 42 Jahre lang kommunaler Mandatsträger. 1978 bin ich in jungen Jahren in den Freisinger Stadtrat gewählt worden, 1984 in den Kreistag. Ich war Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, ich war 18 Jahre lang Stellvertreter des Oberbürgermeisters und jetzt zum Schluss noch Landrat. Kommunalpolitik war mein großes Hobby. Ich hab das gerne gemacht, aber irgendwann muss Schluss sein. Jetzt freue ich mich darauf, wenn nicht mehr der Terminkalender bestimmt, was ich den ganzen Tag zu tun habe.

Was haben Sie sich für ihre neu gewonnene Freizeit vorgenommen?

Ich werde mir viel mehr Zeit für die Familie nehmen und für Hobbys wie Geschichte und Lesen. Ich möchte unser schönes neues Freisinger Schwimmbad genießen, wenn es wieder geöffnet ist und in Bewegung bleiben. Außerdem will ich unser schönes Bayernland und viele mir noch wenig bekannte Landstriche in Deutschland kennenlernen. Und meinen Garten mehr genießen.

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Quelle:
SZ vom 25.04.2020
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