Ramadan im Landkreis Freising:Großeltern vermissen ihre Enkel

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Wegen der Kontaktbeschränkungen müssen Muslime in diesem Jahr während des Fastenmonats auf das allabendliche gesellige Fastenbrechen verzichten

Von Alexandra Vettori, Freising

Zum Sonnenaufgang kurz nach sechs Uhr hat am Freitag der Ramadan 2020 begonnen, für Muslime einer der Höhepunkte im religiösen Jahr. Einen Monat lang fasten die Gläubigen dann vom frühen Morgen bis zum Sonnenuntergang. Das abendliche Fastenbrechen ist normalerweise eine gesellige Sache und wird mit Freunden, Verwandten, Nachbarn oder in der Moschee begangen. Dieses Jahr ist das nicht so, da wird der Ramadan wegen der durch Corona bedingten Kontakteinschränkungen und geschlossener Moscheen stiller als sonst.

"Ich versuche, es positiv zu sehen", sagt Ismet Ünal aus Freising, "ansonsten aber ist es eine traurige Sache, nicht nur für uns Muslime wegen Ramadan, sondern für die ganze Welt." Der 54-Jährige war zehn Jahre im Vorstand der Islamischen Gemeinde, zuletzt Mitglied im Arbeitskreis Migrations der Stadt Freising. Auch er verbringt das Fastenbrechen nur im engsten Kreis der Familie daheim. "Ich versuche, mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren, einen Gang zurück zu schalten", sagt er. Dass das nicht so leicht ist, wenn die ganze Familie daheim sitzt, erfährt er aus dem Bekanntenkreis, "für größere Familien ist es sehr schwierig". Bei ihm daheim geht es ruhiger zu, seine vier erwachsenen Kinder sind schon aus dem Haus. Großfamilien unter einem Dach, das sei auch für muslimische Familien nicht mehr das gängige Modell. "Vielen Alten fehlt jetzt der Kontakt zu den Enkeln", weiß Ünal. Dafür gibt es viel nachbarschaftliche Unterstützung, auch das gehört zum Ramadan, dem Nächsten zu helfen, Arme zu unterstützen. Bisher haben die Frauen der Islamischen Gemeinde Freising im Ramadan abends gekocht, für bis zu 400 Menschen, die Hälfte davon Flüchtlinge. Auch diese Aktion muss jetzt ruhen. Ömer Korkmaz, der Vorsitzende der Islamischen Gemeinde, vermisst die große Runde. Er hofft, dass zum großen Fastenbrechen in einem Monat zumindest in kleinerer Runde ein Zusammenkommen in der Moschee wieder möglich ist.

"Normalerweise ist das ein richtiges Fest."

Auch Akbas Kenan, der zweite Vorsitzende der Ditib Moschee in Neufahrn, vermisst die gemeinschaftlichen Gebete und das Fastenbrechen in der Moschee. "Normalerweise ist das ein richtiges Fest", erzählt er. Etwa 200 Gläubige gehören zu seiner Moschee, normalerweise kommen viele von ihnen freitags in die Gebetsräume. Jetzt aber bleiben die Familien daheim, auch die Koranschule am Wochenende, die rund 45 Kinder besuchen, ist seit Wochen abgesagt. Angst, das Immunsystem durch das Fasten zu schwächen, hat Akbas Kenan nicht: "Für gesunde Menschen ist es eher gesund, und wenn sich jemand krank fühlt, muss man es nicht machen. Auch der Prophet Mohammed sagt, dass es Ausnahmen gibt."

Wie christliche Kirchen setzen viele Moscheen auf Online-Angebote. Malik Usman Naveed, Imam der Ahmadiyya Mosche in Neufahrn zum Beispiel, hat damit einiges zu tun. Sechsmal am Tag werden seine Predigten live gestreamt, vor einigen Tagen hatte er eine virtuelle Sitzung mit einer Frauengruppe der Ahmadiyya Mosche Regensburg, täglich gibt es Koranschule für Kinder, wöchentlich einen Lesezirkel für Frauen, bei dem er als Fachmann für Fragen mitwirkt und dann hat er kürzlich noch an einem Webinar für Imame teilgenommen über Seelsorge und Psychologie. "Wir lassen uns von der Pandemie nicht zurück schrecken", sagt der Imam lächelnd.

Er versucht, der erzwungenen Isolation etwas Positives abzugewinnen: "Bei unseren Gottesdiensten ist kein Imam notwendig, jeder männliche Gläubige kann die Gebete vorsprechen. Dann betet man eben fünfmal am Tag Schulter an Schulter mit der Familie." Jetzt, da viele Gläubige in Kurzarbeit sind, sei es leichter, fünfmal am Tag zu beten, "sonst, zwischen den Schichten in der Arbeit, ist das oft etwas hektisch", sagt Naveed. Jetzt könne man mehr reflektieren, sich um die eigene Spiritualität zu kümmern, auch das sei Sinn des Ramadan. Was bleibt, ist die klitzekleine Hoffnung, dass bis Ende Mai, wenn das große Fastenbrechen am Ende des Ramadan ansteht, wieder Treffen in der Moschee möglich sind, "weil", sagt Imam Naveed, "es doch viel schöner mit anderen zusammen ist".

© SZ vom 25.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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