Interkulturelle Woche in Freising:Immer wieder aufstehen

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In seinem Programm "Ghettos Faust" spielt Kabarettist Özgür Cebe mit Klischees.

(Foto: Andreas Wosnitza/privat)

Zum Auftakt der "Interkulturellen Woche" in Freising gastiert der Stand-up-Kabarettist Özgür Cebe im Lindkeller. Seine These lautet, auch der Bildungsbürger muss die Sprache der Straße verstehen

Von Clara Wollmann

Beinahe hätte es wegen der Corona-Pandemie keine dritte "Interkulturelle Woche" in Freising gegeben. Doch dann brachte die bundesweite Initiative, die dazu jährlich aufruft, noch einmal Bewegung in die Veranstaltungsplanung: Gerade in diesem Jahr der Corona-Pandemie, mit den "Black Lives Matter"-Protesten und nicht zuletzt wegen der die bedrückenden Lage der Menschen in dem Flüchtlingslager auf Lesbos sei es umso wichtiger, die Multikulturalität vor der eigenen Haustür zu sehen, hieß es. Der Vielfalt an Menschen und ihren Geschichten müsse Raum gegeben werden, ihnen müsse Wertschätzung entgegen gebracht werden. Während der "Interkulturellen Woche" finden bundesweit jedes Jahr im September rund 5000 Veranstaltungen in mehr als 500 Städten und Gemeinden statt. Sie ist eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie.

"Zu einer Stadt gehören alle, die faktisch dort leben", sagt Sina Hörl. Sie ist Integrationsbeauftragte der Stadt Freising und zusammen mit dem Kulturamt, der "Interkulturellen Stelle" der Stadt Freising und dem Freisinger Migrationsrat für die Programmgestaltung zuständig. Das sollte von einer großen Bandbreite sein, die Reihe von Veranstaltungen sollte möglichst viele Personen ansprechen.

Genau genommen dauert die "Multikulturelle Woche" drei Wochen lang: von Samstag, 26. September, bis Samstag, 17. Oktober. Wenn auch dieses Jahr recht kurzfristig und in "etwas abgespeckt", wie Sina Hörl sagt.

Ein Glücksfall ist, dass der Auftritt von Özgür Cebe nach wie vor steht, vor dem Lockdown geplant und nicht zwischendurch abgesagt wurde. Der Stand-up-Kabarettist, wie er sich selbst bezeichnet, gastiert im Unterhaus des Freisinger Lindenkellers an diesem Donnerstag, 1. Oktober, um 20 Uhr und eröffnet damit die neuen Saison im Lindenkeller nach der Corona-Zwangspause. Im Internet, auf Youtube und anderen sozialen Netzwerken war er auch während des Lockdowns präsent. Die Zahl der Live-Auftritte sei aber noch nicht wieder auf dem Niveau von einst, sagt Özgür Cebe.

Als Spiegel der Gesellschaft sei Kultur immer wichtig, und dies besonders in schweren Zeiten wie diesen, sagt er weiter. "Wenn der Spiegel längere Zeit nicht da ist, wird das auch für die Gesellschaft schwierig", so seine Analyse.

Mit einem Augenzwinkern befasst sich Özgür Cebe mit aktuellen Themen in seinem aktuellen Bühnenprogramm "Ghettos Faust". Denn zwei Seelen wohnen, ach, auch in seiner Brust: MC Ghetto und Dr. Faust. Der Junge aus dem Ghetto und der Waldorfschüler. "Das Programm zeigt die verschiedenen Facetten, die mein Leben ausmachen. Es ist der Mix, der jedes Leben ausmacht", sagt er. Mehr will er vorab nicht verraten.

Auf jeden Fall spielt er bewusst mit den Klischees. So führt er zwar mit Humor, aber doch so, dass es nachdenklich macht, vor Augen, was die Menschen abhält, auf einander zuzugehen. Das liege an Vorurteilen und an den Denkstrukturen, mit denen man aufgewachsen sei. "Wir sind nun einmal so konditioniert, dass wir auf Äußerlichkeiten achten. Ich kann die Bomberjacke zwar gegen den Anzug tauschen, aber ich kann nicht meine Hautfarbe ausziehen", schildert er das.

Was er jedenfalls kann, ist die Dinge mit Humor nehmen. "Ich bin Entertainer, das Eis zu brechen, das gehört zu meinem Job", sagt er und fügt hinzu: "Aber es liegt schon auch in meinem Naturell."

Ob er denn auch mal ernst ist? Die Themen, mit denen er sich befasse, seien bitterernst, sagt er, aber "ich verdaue sie mit Humor", sagt er - da muss er wieder lachen. "Ich sage immer: Humor entspringt der Tragödie". Auch er habe einiges einstecken und schwierige Zeiten erleben müssen. "Hinzufallen ist in Ordnung, aber man darf nicht liegen bleiben. Das Ziel muss immer sein, wieder aufzustehen". Sein Youtube-Kanal trage daher im doppelten Wortsinn den Namen "Stand-up, wenn du fällst", das solle seine Botschaft über die Komik hinaus sein.

Und noch etwas ist Özgür Cebe wichtig. "Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln", sagt er und zitiert damit ein chinesisches Sprichwort. In seinen Worten ausgedrückt bedeutet das: "Weltfrieden kann es nur geben, wenn der Bildungsbürger die Sprache der Straße versteht."

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