Süddeutsche Zeitung

Initiative für respektvolle Debattenkultur:Schüler gegen Hasskommentare

Aktionstag am Moosburger Gymnasium dreht sich um einen fairen Umgang mit anderen Usern im Internet

Von Alexander Kappen, Moosburg

Auf der Leinwand in der Aula des Moosburger Karl-Ritter-von-Frisch-Gymnasiums läuft ein Video. Darin melden sich Youtuber zu Wort, bringen in dem knapp zweiminütigen Spot auf den Punkt, worum es geht. Man solle sich nicht von negativen Kommentaren unterkriegen lassen, sagt da Diana zur Löwen. Es müsse nicht immer jeder derselben Meinung und alles Friede, Freude, Eierkuchen sein, meint Lisa Sophie Laurent. Aber, so Emrah: "Immer fair bleiben, sachlich bleiben, konstruktiv sein." Und Dr. Wissen 2Go weiß: "Demokratie tut manchmal weh."

Andere Meinungen aushalten und dagegen argumentieren, ohne beleidigend und verletzend zu sein, aber auch einschreiten, wenn in einer Diskussion im Netz Grenzen des Anstands und guten Geschmacks oder gar des Strafrechts überschritten werden. Darum drehte sich am Dienstag der Aktionstag der Initiative #NichtEgal am Moosburger Gymnasium, wo sich rund 120 Siebt- und Achtklässler mit einer respektvollen Debattenkultur in Offline- und Online-Diskussionen beschäftigten.

#NichtEgal ist eine Initiative von Youtube, der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM), Klicksafe, Medienblau und Digitale Helden, die es seit 2017 gibt. Schirmherrin ist Bundesfamilienministerin Franziska Giffey. Den Projekttag in Moosburg organisierte eine medienpädagogische Einrichtung aus München, "Studio im Netz" (SIN). Deutschlandweit nehmen etwa 10 000 Jugendliche in 60 ausgewählten Schulen an den Aktionstagen teil.

Das Moosburger Gymnasium habe sich schon zum zweiten Mal beworben - "und diesmal hat's geklappt", sagte die stellvertretende Schulleiterin Claudia Theumer. Es sei wichtig, "dass wir das Internet nicht denen überlassen, die sich mit Hasskommentaren in der Anonymität verstecken, wir müssen Stellung beziehen". Wie das geht, lernten die Gymnasiasten in Peer-to-peer-Workshops, in denen zuvor vom "Studio im Netz" ausgebildete Mentoren aus ihren Reihen ihr erlerntes Wissen an die Mitschüler weitergaben.

Kathrin Walter und Björn Friedrich vom SIN führten die Schüler am Dienstag in einer Auftaktveranstaltung zunächst in das Thema ein. Mit dabei war auch Youtuber Marco Risch, der auf seinem Kanal "Nerdkultur" Filme rezensiert und zuweilen viele Hasskommentare ertragen muss, wie er berichtete. Nerdkultur zielt eher auf etwas ältere User ab, aber auch die meisten Siebt- und Achtklässler aus Moosburg sind täglich online, schauen Videos und kommentieren teilweise, wie sie per Handzeichen kundtaten.

Walter und Friedrich zeigten an konkreten Beispielen, welche Wirkung Kommentare - auch im Zusammenspiel mit Bildern - haben können. Auf der Leinwand war ein Foto aus dem Film "The Big Lebowski" mit John Goodman samt einer Pistole in der Hand zu sehen. Darauf der Text: "Noch mehr Flüchtlinge? Ich bin dann mal einkaufen." Die Aussage sei doch relativ klar, so Friedrich. "Das kommt für mich ablehnend rüber gegenüber Menschen aus anderen Ländern, ich vermute, der kauft noch mehr Waffen", sagte eine Schülerin. "Er will sie einfach erschießen", sagte ein anderer. Die SIN-Pädagogen versuchten ein Gespür dafür zu vermitteln, wann ein Kommentar oder Post okay, nicht okay oder gar strafbar ist: "Selbst wenn die Grenze zur Strafbarkeit noch nicht überschritten sei "und die Polizei nicht handelt, ist es wichtig, dass Ihr handelt, was drunter schreibt oder zumindest den Kommentar, der nicht okay ist, meldet". In den Workshops entwickelten die Schüler dann eigene Clips darüber, was es braucht, um sich im Netz wohlzufühlen - schließlich wollen sie das Internet nicht den Verbreitern von Hasskommentaren überlassen.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2018
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