Industrie- und Handelskammer:Ernüchterung bei Arbeitgebern

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Qualifizierte Fachkräfte sind unter Flüchtlingen eher weniger anzutreffen. Vor allem mangelnde Deutschkenntnisse erschweren eine Ausbildung. Unternehmer klagen zudem über bürokratische Hindernisse

Von Gerhard Wilhelm, Erding/Freising

Die Unternehmer in den Landkreisen Erding und Freising sind ernüchtert, was den Einsatz von Asylbewerbern als Arbeitskräfte und Lehrlinge betrifft. Hindernisse sind mangelnde Deutschkenntnisse und unterschiedliche Ausbildungsniveaus. Auch schwingt bei vielen Arbeitgebern die Furcht mit, dass sie viel Energie für die Ausbildung eines Flüchtlings aufwenden und dieser dann ausgewiesen wird. Dies zeigte sich beim Regionalausschusstreffen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erding-Freising.

Monja Rohwer, Geschäftsführerin des Jobcenters Erding, hatte, was die Integration von Flüchtlingen betrifft, zumindest ein paar Tipps. Wen die Frage quäle, ob seine neue Arbeitskraft bleiben dürfe, könne sich an den "Top fünf" der Bewerbernationen orientieren. Wer aus Irak, Iran, Syrien, Somalia oder Eritrea komme, habe eine fast 100-prozentige Chance auf Anerkennung. Auf 50 zu 50 sinke sie aber bei Flüchtlingen aus Afghanistan. Entscheiden werde die Ausländerbehörde vor Ort. "Es gibt Fälle, in denen der Flüchtling sogar einen Ausbildungsvertrag hatte, aber die Behörde sagte, er wird nicht geduldet und ihm die Arbeitserlaubnis entzog." Sowohl in Erding wie in Freising stellten Syrer, gefolgt von Flüchtlingen aus Eritrea das größte Kontingent, das beim Jobcenter betreut wird. Inzwischen pendelt sich laut Rohwer die Zahl der Flüchtlinge bei rund 20 im Monat in Erding ein, in Freising liege sie geringfügig darüber. Rund 1300 seien noch im Verfahren.

Was sich nicht gezeigt habe, sei, dass ein großes Potenzial an qualifiziertem Fachpersonal nach Deutschland komme. "Das mag in Einzelfällen sein, aber die Realität sieht anders aus. Wir haben Probleme mit der Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen. Dazu kommen die mangelnden Sprachkenntnisse." Viele Flüchtlinge müssten sogar erst einmal einen elfmonatigen Alphabetisierungskurs machen. Mit den einfachen Deutschkursen seien nur Hilfsjobs möglich, man könne keine Ausbildung anfangen. "Alles unter B 1 ist hanebüchen", sagte Herbert Neumaier von der Agentur für Arbeit Erding.

Bernhard Reiml vom Jobcenter Freising mahnte, nicht die Fehler der Vergangenheit bei den Gastarbeitern zu wiederholen. "Sprache ist das A und O." Ohne Ausbildung werde es schwer für Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt. Doch die Motivation zur Ausbildung werde oft erschwert durch den Druck, Schulden aus der Flucht zu bezahlen. Vielen gehe es zuerst ums Geld verdienen. Auch bei den Deutschkursen gebe es Unterschiede bei der Qualität, das hänge auch vom Träger ab. Vor einer Ausbildung prüfe das Jobcenter lieber noch einmal das Niveau. Leider werde während des Asylverfahrens der Besuch der Kurse nicht forciert.

Kleinere oder mittlere Unternehmen sehen sich angesichts der sprachlichen und kulturellen Unterschiede überfordert. "Das Problem wird sich nicht in Luft auflösen. Es müssen beide Kompromisse machen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer", sagte Otto Heinz aus Moosburg, er ist Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses. Doch auch von bürokratischen Hindernissen wurde berichtet. Beispielsweise verlören die nationalen Führerscheine der Flüchtlinge nach sechs Monaten ihre Gültigkeit. Der Mitarbeiter müsste dann vielleicht anders eingesetzt werden, das sei ein "Rückschlag" für den Flüchtling. "Zum geeigneten Bewerber gehört eine Portion Aufwand dazu, um alles in der Praxis umzusetzen. Dazu gehören Themen wie Führerschein oder Sicherheitsunterweisungen. Das ist alles nicht zu unterschätzen", sagte Heinz - auch wenn den Jobcentern und Agenturen für Arbeit mittlerweile ein großes Angebot an Förderinstrumenten zur Verfügung stehe.

© SZ vom 28.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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