Tierpflege:Wenn Igel in die Studenten-WG einziehen

Tierpflege: Derzeit haben Juliane Mitschke (links) und Verena Rampelmann junge Igel bei sich aufgenommen. Sobald sie kräftig sind, sollen sie ausgewildert werden.

Derzeit haben Juliane Mitschke (links) und Verena Rampelmann junge Igel bei sich aufgenommen. Sobald sie kräftig sind, sollen sie ausgewildert werden.

(Foto: Marco Einfeldt)

Seltsam ist eigentlich nur, dass Tupperdosen mit getrockneten Maden auf dem Küchentisch stehen: Juliane Mitschke und Verena Rampelmann ziehen pflegebedürftige Tiere auf und wildern sie wieder aus.

Von Eva Zimmerhof, Freising

Da hockt ein winziger Igel im hohen Gras mit Knopfaugen und Stupsnase, wie niedlich. Soll sein Finder ihn mitnehmen? Igel haben doch Würmer und Flöhe, heißt es immer. Soll er ihm etwas zu fressen geben, Katzenfutter vielleicht und etwas Milch dazu? "Katzenfutter ja, aber bitte niemals Kuhmilch! Das ist sonst das Todesurteil für das Tier", sagt Juliane Mitschke. "Igel haben nämlich eine absolute Laktoseintoleranz und bekommen davon schlimmen Durchfall." Auch solle man dem Igel unbedingt erst zu fressen geben, wenn er sich aufgewärmt hat.

Mitschke kennt sich aus mit Wildtieren. Den Master in Biologie frisch in der Tasche arbeitet sie in der Arbeitsgruppe Wildbiologie und Wildtiermanagement am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der TU. Wie ihre Mitbewohnerin Verena Rampelmann gehört sie zur "Päppler-Gruppe". Die habe gar keinen richtigen Namen, sagt Mitschke. Ziel sei es, Wildtiere zu pflegen und wieder auszuwildern.

Auf den ersten Blick wirkt ihre Wohnung wie eine ganz normale Studenten-WG mit Bierposter an der Küchentür und etwas Chaos in den Ecken. Dass auf dem Esstisch Tupperdosen mit frischen und getrockneten Maden, Heimchen und Buffalo-Würmern stehen, ist dann doch etwas ungewöhnlich, für ihre Insekten fressenden Untermieter aber unerlässlich.

Mit dem Kamm gegen Flöhe

Diese bekommen ihre Stacheln von Mitschke und Rampelmann nicht nur gekämmt, sondern auch bunt lackiert. "Snoopy" trägt gelb, "Momo" blau und "Hexe" hat einen roten Stachel. So können die beiden ihre drei Jungigel besser auseinanderhalten. Und das Kämmen sei eben notwendig, um ihre Schützlinge von Flöhen zu befreien, sagt Mitschke. "Igel haben sehr häufig Flöhe, Milben, Zecken und innen Würmer in Darm und Lunge. Hexe ist gerade unser Sorgenkind." Die Igeldame habe, als sie zu ihnen kam, zunächst gut zugelegt, doch jetzt verliere sie immer weiter an Gewicht.

Zu ihnen kamen die drei stacheligen Verwandten von Maulwurf und Spitzmaus über das Tierheim München. Auch über den Tierschutzverein Freising kämen immer wieder Anfragen, ob sie Tiere für die freie Wildbahn fit machen könnten, sagt Mitschke. Im Raum München gebe es eine richtige Päppler-Szene, die Tiere aufnimmt und Fahrgemeinschaften bildet, um gleiche Arten zusammenzuführen, damit sie bei den Pflegern nicht allein sind.

Einmal im Monat treffen sich die Tierfreunde zum Stammtisch, bringen Kotproben mit, um sie gemeinsam auf Parasiten zu untersuchen. Zu dem Kreis gehören auch einige Tierärzte. Um Tiere aufzupäppeln, müsse man aber kein Wissenschaftler sein, sagt Juliane Mitschke. Vorrangig sei es, richtig zu füttern und zu wiegen. Letzteres sei unbedingt notwendig, um Fortschritte und Rückschläge bei der Entwicklung zu beobachten.

Hochbetrieb im Igelzentrum Niedersachsen

Ein Jungigel sollte für den Winterschlaf im Freien mehr als etwa 500 Gramm wiegen. Wenn er das nicht schafft, sollte er im Haus überwintern.

(Foto: dpa)

Wenn Igel sich nicht zusammenrollen, sind sie geschwächt

Bei "Hexe" steht nun dringend eine Untersuchung an. Ihr Kot sei zu schleimig, sagt ihre Pflegerin. "Jungigel brauchen bei Wurmbefall unbedingt das passende Antibiotikum. Ein Rundumschlag schwächt sie viel zu sehr." Generell sollten junge Igel einen runden bis birnenförmigen Körper und glänzende Augen haben.

Wer einen kleinen Igel findet, dem rät Mitschke, ihn unbedingt hochzuheben. "Am besten aber mit Gartenhandschuhen", sagt Rampelmann, "sonst können die Stacheln schon sehr piksen." Normalerweise rollt sich ein Igel sofort zusammen. "Wenn er das nicht macht, ist es ein Zeichen dafür, dass er stark geschwächt ist," erklärt Juliane Mitschke. "Vielleicht ist er schon länger nicht mehr gesäugt worden, weil seine Mutter überfahren wurde."

Als Gänsemutter schwamm Mitschke schon mit drei flauschigen Wildgänseküken durch den Pullinger Weiher, ihre Wohnung teilte sie schon mit Amseln, Spatzen und Bachstelzen. Die kleinen Igel wohnen auf dem WG-Balkon, bald sollen sie in ein Außengehege und von dort aus in die Freiheit. "Das ist immer der schönste Moment, wenn die Tiere dann wieder losziehen können."

Wer ein pflegebedürftiges Wildtier findet, sollte im Landkreis den Tierschutzverein Freising benachrichtigen. Infos zur Aufzucht von Wildtieren gibt auch Juliane Mitschke: Telefon 01 72/783 78 61.

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