Landkreis Freising:Corona-Impfung lieber heute als morgen

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Viele Menschen, die über 80 Jahre alt sind, warten ungeduldig auf ihren Termin im Freisinger Impfzentrum (Foto: Marco Einfeldt)

Viele Menschen aus der gefährdeten Personengruppe der über 80-Jährigen warten bisher vergebens auf eine Einladung zur Corona-Impfung. BRK-Geschäftsführer Söhl begründet die Verzögerung mit dem logistischen Aufwand und dem Mangel an Impfstoff.

Von Gabriel Wonn, Freising

Die Corona-Impfungen im Landkreis Freising sind laut Landratsamt in vollem Gange. Momentan sind sie noch auf die besonders gefährdete Altersgruppe der über 80-Jährigen beschränkt. Neben den Menschen in Senioren- und Pflegeheimen wurden dementsprechend alle anderen Bürgerinnen und Bürger, bei denen diese höchste Priorität gegeben ist, aufgefordert, sich für die Impfungen anzumelden. Doch für viele beginnt damit eine Zeit ungewissen Wartens.

"Wir warten dringend darauf, geimpft zu werden. Wir gehen kaum mehr vor die Tür, treffen keine Leute. Wir gehen nur noch ins Geschäft", sagt eine 84-Jährige aus Attenkirchen. Ihr Mann (86) und sie hätten am 30. Dezember 2020 die Nachricht der Gemeinde Zolling bekommen, sich für die Impfung anzumelden. Daraufhin hätten beide "ordnungsgemäß" die Unterlagen ausgefüllt und alles innerhalb von drei Tagen an das zuständige Impfzentrum geschickt. Seitdem warte man auf eine Nachricht.

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"Man muss doch zumindest informiert sein"

Gerade das Ausbleiben einer solchen Nachricht ist für die Seniorin ein Problem: "Man muss doch zumindest informiert sein." Sie wisse, dass es Engpässe beim Impfstoff gebe, wünsche sich aber zumindest Klarheit. "Mein Mann hat sich auch schon gefragt, ob wir da mal anrufen sollen. Aber dann hört man von anderen, man käme nicht dran oder es wäre immer besetzt."

Die 82-jährige Helga Kriehn bestätigt das Fehlen von Informationen. "Ich bin stocksauer. Ich bin 82, zu hundert Prozent schwerbehindert, habe 18 Narkosen hinter mir - und habe nichts mehr gehört, seit ich meine Unterlagen abgegeben habe", so die Diabetikerin. Seit dem 15. Januar warte sie auf eine Rückmeldung. Kriehn sieht sich mit ihren Voraussetzungen als eine der Ersten, die geimpft werden müssten.

Von Freundinnen habe sie erfahren, dass Anmeldungen über Internet und auf Druck von Verwandten erfolgreicher gewesen seien. "Ich habe keinen Computer und keine Kinder. Es kann nicht sein, dass eine Person, die jünger ist als ich, einen Termin bekommt, wenn sich da jemand am Telefon wegen seiner Mutter aufregt. Und ob man sich über Internet oder per Post anmeldet, darf keinen Unterschied machen", sagt die 82-Jährige. Sie gehe nur noch einmal in der Woche vor die Tür und ließe nur eine einzige Person ins Haus, die ihr im Haushalt helfe.

Ein Helfer der Tafel ist bereits an Corona gestorben

In einer besonderen Situation befindet sich Gundi Kürten. Sie selbst fällt als 79-Jährige streng genommen nicht in die Gruppe der ersten Priorität, setzt sich aber als Zweite Vorsitzende der Freisinger Tafel dafür ein, dass Mitarbeitende ihrer Einrichtung bei den Impfungen vorgezogen werden. "Wir haben umfangreiche Hygienemaßnahmen, aber eben doch auch mit vielen Kunden zu tun. Und wir haben auch ältere Helfer. Einige haben sich mittlerweile zurückgezogen, weil sie zuviel Angst vor einer Infektion haben."

Zu Beginn der Pandemie sei bereits ein Helfer der Tafel an Corona gestorben. Dies wirke sich natürlich auf die Psyche der Anderen aus: "Wir machen das alle ehrenamtlich und setzen in gewisser Weise unsere Gesundheit aufs Spiel. Wenn das noch lange dauert, könnten sich weitere Helfer zurückziehen. Und dann könnte es unter Umständen sein, dass wir nicht mehr genug Leute haben und dann die Tafel schließen müssten." Kürten gibt an, dass man sich an den Bundestagsabgeordneten Erich Irlstorfer (CSU) gewandt habe. Dabei sei verständlicherweise noch nichts herausgekommen, weil dieser derzeit selbst an Corona erkrankt ist. Bezüglich der Impflage bestätigt sie den Eindruck anderer Senioren. Sie kenne einige der betroffenen Altersgruppe, die nicht wüssten, wann sie einen Termin bekommen könnten.

Albert Söhl, Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), weiß um die Schwierigkeiten. Er verweist auf zwei Probleme: momentane Knappheit des Impfstoffes und den enormen logistischen Aufwand. "Die Menschen müssen sich gedulden. Sicherlich noch ein, zwei Monate lang. Wir haben einfach nicht genügend Impfstoff. Zuerst müssen wir in den Heimen impfen, die haben allerhöchste Priorität", so Söhl.

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Eine Hotline gibt es nicht

Bezüglich der Anmeldungen versucht der BRK-Geschäftsführer zu beschwichtigen: "Wir haben die Anmeldungen und werden sukzessive die Menschen zum Impfen einladen. Dazu haben wir extra ein Callcenter eingerichtet, da wird es nicht an Personal mangeln. Aber solange wir keinen Impfstoff haben, können wir nicht einladen. Und wir können nicht jede schriftliche Anmeldung vorher schon beantworten, dafür haben wir ja gar keine Zeit." Es gebe schließlich ungefähr 10 000 Personen in der relevanten Altersgruppe im Landkreis Freising, von denen sich bislang rund die Hälfte für die Impfung angemeldet habe. Man habe dreißig bis vierzig Ordner an Briefen bekommen.

Söhl betont, dass es weder an Engagement noch an Willen mangele. Im Gegenteil, man habe allein am Wochenende wieder circa 600 Impfungen vorgenommen. Sobald der Impfstoff da gewesen wäre, sei er auch verbraucht worden. Der Verantwortliche des BRK gibt zu, dass zu Beginn der Impfungen eher über E-Mail kommuniziert worden sei. Man habe damals schnell die Menschen erreichen müssen, damit das Impfen schnell habe beginnen können. Außerdem habe man zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit dem aktuellen Mangel an Impfstoff gerechnet. Die Lage sei nun eine andere und bevorzugt werde ausdrücklich niemand, so Söhl.

Einer Priorisierung von Einrichtungen wie der Tafel erteilt Söhl eine Absage

Er erinnert daran, dass das BRK keine Behörde sei. Man habe auch bewusst darauf verzichtet, dass man bei der Organisation anrufen könne. Dies bedeute zu viel Aufwand, da man damit rechnen müsse, dass dauerhaft angerufen werde. Die Reihenfolge der Impfungen betreffend gibt Söhl an, dass man die Anmeldungen der Reihenfolge nach bearbeite. Andere Priorisierungen seien logistisch momentan nicht denkbar.

Ebenso erteilt der Kreisgeschäftsführer des BRK einer Priorisierung von Einrichtungen wie der Freisinger Tafel eine Absage: "Momentan keine Chance. Solange die 80-Jährigen nicht abgearbeitet sind, fangen wir nichts anderes an. Es gehen ja auch Briefe ans Landratsamt mit Attesten von Hausärzten. Aber wir müssen uns an die Richtlinien des Gesetzgebers halten. Solange sich da nichts ändert, ist an etwas anderes nicht zu denken."

Albert Söhl wirbt um Verständnis dafür, dass die Bewohner und Mitarbeitenden von Heimen aufgrund der immer wieder auftretenden gefährlichen Ausbrüche zunächst im Fokus stünden. Er könne sich jedoch gut vorstellen, dass in wenigen Wochen deutlich umfangreiche Impfstoff-Lieferungen eintreffen würden. Und wer sich Ende vergangenen Monats angemeldet habe, solle bald eine Rückmeldung erhalten: "Die Leute sollen wissen, dass wir wollen und können. Aber ich kann da dreißig Leute ins Callcenter setzen - wenn ich keinen Impfstoff habe, brauche ich niemanden anzurufen."

© SZ vom 26.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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