Immobilien:Bauprojekt in Marzling: Albtraum statt Traumhaus

Immobilien: Kein Dachstuhl, fehlende Innenwände, dafür Wasser im Keller.

Kein Dachstuhl, fehlende Innenwände, dafür Wasser im Keller.

(Foto: Marco Einfeldt)

Eine vierköpfige Familie will sich ein Eigenheim schaffen - jetzt steht sie vor der Privatinsolvenz. Die ausführende Firma hat vor Monaten die Arbeit eingestellt und den Kontakt abgebrochen. Nicht zum ersten Mal.

Von Gudrun Regelein

In der Neubausiedlung Bachwinkel reihen sich schmucke Häuschen aneinander. Nur ein einziges ist noch nicht fertig. Der nackte, fast quadratische Rohbau ohne Dach fällt sofort auf. Die Baustelle ist mit einem Zaun abgesperrt, Mörtelsäcke sind neben Metallgittern und Holzpaletten aufgestapelt - aber Arbeiter sind hier keine zu sehen. Seit März herrscht Stillstand, auf dem Bau sei seitdem nichts mehr passiert, schildert der Bauherr. "Das ist wie in einem Albtraum", sagt Anton Grün (Name geändert).

Eigentlich wollte er mit seiner Familie - seiner Frau und den beiden Kindern - spätestens Anfang Januar in die Doppelhaushälfte einziehen, so war das zumindest vertraglich festgelegt. Aber davon kann auch fünf Monate später keine Rede sein. Noch fehlen im Obergeschoss alle Innenwände, ebenso der Dachstuhl und das Treppenhaus. Im nackten Keller steht das Wasser, das Ehepaar Grün versucht, mit einer selbst gespannten Plane zu verhindern, dass noch mehr Regenwasser eindringt - nahezu erfolglos.

"Keine Ahnung, wie es jetzt weitergeht. Eigentlich habe ich ein schlüsselfertiges Haus gekauft, das vor Monaten fertig sein sollte", sagt Grün verzweifelt. Auf seine E-Mails an die beauftragte Baufirma in Baden-Württemberg, die Amikon Projektentwicklung GmbH & Co.KG, folgt keine Reaktion mehr. Mit ein oder zwei Monaten Bauverzögerung habe er zwar gerechnet, sagt Grün: "Aber was jetzt passiert, ist aus meiner Sicht kriminell."

Das Bauvorhaben könne nicht konkret zugeordnet werden, teilte Amikon auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung mit. Weiter heißt es in der E-Mail: "Bei einem Bauvorhaben, das zu Ihrer Beschreibung passen würde, haben wir die Bauarbeiten wegen einer Strafanzeige gegen den beauftragten Subunternehmer eingestellt. Aus diesem Grund können wir hierzu keine Angaben machen."

Die gesamte Bauzeit habe sich verzögert, da der Bauherr zu Beginn Erdarbeiten, die er als Eigenleistung hätte erbringen müssen, nicht durchgeführt habe. "Aus diesem Grund müssen die Unterbrechungen, Schlechtwetter, Trocknungszeiten den sechs Monaten (Bauzeit; Anmerkung der Redaktion) hinzugerechnet werden", schreibt Amikon. Grün dagegen sagt, die Erdarbeiten für den Kellerbau seien bereits vor dem eigentlichen Baubeginn von einer lokalen Firma erledigt worden. Auch sei ihm von Amikon nicht mitgeteilt worden, dass der Bau wegen einer Strafanzeige eingestellt werde.

Kosten von allen Seiten

65 Prozent des Kaufbetrags für das Massivhaus, das insgesamt etwa 243 000 Euro kostet, hat die Familie bereits bezahlt. Inzwischen hat das Ehepaar einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Zwei Mahnungen hat dieser bereits an Amikon verschickt - auch darauf folgte keine Reaktion. Eigentlich würden die Grüns am liebsten den Vertrag kündigen und mit anderen, lokalen Firmen weitermachen. Aber da zugunsten der beauftragten baden-württembergischen Firma Amikon die Abtretung der Auszahlungsansprüche der Bankfinanzierung erfolgte, müsste diese sich erst zur Rückabtretung bereit erklären. "Es ist eine schreckliche Situation", sagt Grün. "Ohne Finanzierung können wir nicht weitermachen."

Er hat aber nicht nur wegen des Hausbaus, sondern auch wegen seiner zunehmend angespannten finanziellen Situation schlaflose Nächte. Denn nicht nur die Raten für das Grundstück, Bereitstellungszinsen für die Banken und das Honorar für den inzwischen eingeschalteten Anwalt müssen bezahlt werden, sondern dazu noch jeden Monat die nicht geringe Miete für die derzeitige Wohnung der Familie. "Lange überstehen wir das weder wirtschaftlich noch psychisch", sagt Grün. Eigentlich wollte sich die Familie nur den Traum vom Eigenheim erfüllen - nun droht schlimmstenfalls die Privatinsolvenz: "Wir werden pleitegehen oder zumindest das Grundstück verkaufen müssen."

Björn Ledertheil, Rechtsanwalt in Calw, vertritt verschiedene Mandanten - Bauherren, aber auch Vertriebler - die Probleme mit dem Unternehmen Amikon haben. "Der Traum vom Haus wird hier zum Albtraum", sagt er. Unter der Marke Variohaus würden von der Amikon Projektentwicklung relativ günstig Häuser angeboten. Zu Beginn laufe auch alles noch nach einem straffen Zeitplan ziemlich professionell ab, schildert Ledertheil. Irgendwann gerate der Bau dann aber ins Stocken, "es hakt an allen Ecken und Enden", der Kunde werde vertröstet.

Er kenne kaum einen Fall, in dem die Leistung vollständig erbracht wurde: "Das Problem ist, dass das Haus nicht fertig wird." Dass bei einem Hausbau nicht alles termingerecht klappe, damit rechne man, sagt der Rechtsanwalt. "Aber hier wird die übliche Bauverzögerung bei weitem überschritten."

Sobald die Abtretungserklärung der Bank zu Amikon gewechselt und eine Zahlung durch den Bauherren erfolgt sei, käme auf Anfragen häufig keine Reaktion mehr. Zwar könne man den Bauvertrag kündigen und mit einem anderen Unternehmen weitermachen. "Aber das bedeutet zunächst weitere finanzielle Einschnitte für die Betroffenen, da sie die durch den Folgeunternehmer anfallenden Kosten zunächst selbst verauslagen müssen", erklärt der Rechtsanwalt. Für die Betroffenen sei dies unheimlich schwierig. Viele seiner Mandanten würden unter dieser Belastung nahezu zusammenbrechen.

"Ohne anwaltliche Hilfe kommt man nicht weiter", sagt Ledertheil. Allerdings sei auch eine Klage schwierig, nicht nur, da diese langwierig sei, sondern auch, da nicht bekannt sei, wie Amikon finanziell aufgestellt ist. Mittlerweise werde die Amikon auch nicht mehr im Impressum von Variohaus genannt, dort findet sich unter der zuletzt bekannten Adresse der Amikon nun die SIS Projektentwicklung GmbH. "Es steht daher zu befürchten, dass das Konstrukt nun unter der Nachfolgefirma weitergeht", sagt Ledertheil.

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