Süddeutsche Zeitung

Immer auf höchstem Niveau:Einfach "erstklassik"

Vladimir Genin und sein Team aus Hallbergmoos sind für den Tassilo-Preis der SZ nominiert.

Von Monika Mayer

Wie ist es möglich, Musikerinnen und Musiker, die auf den Bühnen der Welt zu Hause sind, zu einem Auftritt im Gemeindesaal von Hallbergmoos zu bewegen? Wie gewinnt man in einer 10 000-Einwohner-Gemeinde vier Mal im Jahr bis zu 300 Besucher für klassische Konzerte? Wie kann eine günstige Karte im Münchner Herkulessaal 45 Euro kosten, während der gleiche Vortrag in Hallbergmoos für 14 Euro zu hören ist? Das Zauberwort heißt "Atmosphäre". Die Konzertreihe "Erstklassik" steht für bekannte Künstler und ihre Leidenschaft zur Musik, die sie mit dem Publikum verbindet. Die Verantwortlichen dieser Reihe sind jetzt für den Tassilo-Preis der SZ nominiert.

Vladimir Genin, Pianist, Komponist, Initiator und künstlerischer Leiter, ist die Seele dieses ambitionierten Projekts. Er hat in den vergangenen sechs Jahren seine ganze Reputation dafür eingesetzt, Hallbergmoos zu einem Musikzentrum zu machen, das weit über die Gemeindegrenzen hinaus wirkt. "Ich möchte hohe Kunst bieten und ich werde dieses Niveau halten. Das verspreche ich", sagte Genin damals. Das Versprechen hat er gehalten. Ein Höhepunkt steht mit dem Auftritt Valeriy Sokolovs (27), eines der führenden jungen europäischen Geiger, am Samstag, 24. Mai, bevor. Im April war er unter anderem beim 16. Internationalen Festival junger Meister im Festspielhaus Bregenz und beim Internationalen Violinfestival junger Meister 2014 in Lindau zu hören.

Jetzt also Hallbergmoos. Der Shootingstar der Klassikszene, der mit einer Stradivari-Geige anreist, steht zusammen mit der Pianistin Olga Domnina auf der Bühne. Sokolov hatte eine CD von Genin gehört und diesen gebeten, eine Sonate für ihn zu schreiben. Genin willigte ein - unter einer Bedingung: Das Werk sollte in Hallbergmoos bei "Erstklassik" uraufgeführt werden. Diese Geschichte ist bezeichnend für die Art, wie "Erstklassik" tickt.

Begeisterte Musiker kennen andere begeisterte Musiker, man inspiriert sich gegenseitig, es entsteht jene Verbundenheit, die verzaubert und die besondere Atmosphäre der Konzerte ausmacht. Sokolovs Partnerin Olga Domnina errang im Oktober 2011 internationale Anerkennung bei der Weltpremiere von "Seven Melodies for the Dial", einem Klavierzyklus, den Vladimir Genin für sie geschrieben hat. Mit lang anhaltendem Beifall wurde ihre Präsentation dieses Werks 2013 im Concertgebouw Amsterdam gefeiert. Auch sie kommt in die Moosgemeinde und Vladimir Genin sagt zufrieden: "Diese Künstler leben nicht nur von, sondern auch für die Musik. Sie wollen die Menschen mitreißen, nicht nur Geld verdienen. Echte Musiker spüren, dass wir hier in Hallbergmoos gemeinsam etwas bewirken können. Das schafft diese schöne Atmosphäre". Olga Domnina wird übrigens auf einem Fazioli- Flügel spielen. Ihr Professor in Moskau, Mikail Arkadiev, sorgte bei einem "Erstklassik"-Auftritt in Hallbergmoos bereits für Furore. Auch Arkadiev ist ein guter Freund Genins.

Weil Genin gleichzeitig Leiter der Musikabteilung der Volkshochschule ist und es ihm auch dort gelungen ist, hervorragende Musiker als Lehrkräfte zu gewinnen, potenziert sich das Ganze: "Jeder von uns hat Freunde, die auch wunderbare Musiker sind. Selbstverständlich haben nicht alle, die sehr hohes Niveau bieten, die Möglichkeit, im Herkulessaal zu konzertieren. Wir laden sie ein, an unserer Konzertreihe teilzunehmen".

"Erstklassik" wäre freilich nicht denkbar, wenn der Initiator nicht Menschen gefunden hätte, die mit ihm für diese Idee brennen: die Mitglieder des Freundeskreises "Erstklassik" um Eva Oertli, Marion Lamina und Monika Häusler. Sie arbeiten ehrenamtlich als Musikwissenschaftlerinnen, schreiben Programme und Ankündigungen, kümmern sich um Blumenschmuck und Catering, sitzen an der Abendkasse, verteilen 400 Einladungen im Ort, schleppen zusätzliche Stühle, wenn der Ansturm die Erwartungen übertrifft und erledigen auch sonst alles, was anfällt. Weil die Veranstaltungsreihe von Idealismus getragen ist, lässt sich der geradezu sensationelle Eintrittspreis halten. Die Gemeinde Hallbergmoos ist klug genug "Erstklassik" mit ihrem Kultursponsoring zu fördern und so etwas fürs Image zu tun. Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre haben freien Eintritt - und Genin hat dafür die Genugtuung, dass viele kommen. Vor manchen Konzerten organisiert er Gespräche mit Künstlern, bei denen der musikbegeisterte Nachwuchs Fragen stellen kann.

Valeriy Sokolov und Olga Domnina präsentieren am Samstag, 24. Mai, im Gemeindesaal an der Theresienstraße deutsche Musik aus Barock und Klassik - eine Solopartita von Bach und eine Beethoven-Sonate. Im zweiten Teil folgt moderne Musik mit Vladimir Genins Sonate, Rumänischen Tänzen von Bartok und Tzigane von Ravel. Beginn ist um 19 Uhr. Karten gibt es im Bürgerbüro des Rathauses, in der Bücherstube Stotter und bei der VHS, Kartenreservierung 08 11/55 22 317, E-Mail: hs@hallbergmoos.de Im Internet unter www.erstklassik.info und auf www.muenchenticket.de.

Weitere Vorschläge für den Tassilopreis der SZ können per Post, Fax oder E-Mail an die Lokalredaktion geschickt werden: Süddeutsche Zeitung, Landkreis Freising, E-Mail: lkr-freising@sueddeutsche.de, Telefon 0 81 61/96 87-0, Telefax 0 81 61/96 87-80. Einsendeschluss für die Vorschläge ist Samstag, 10. Mai.

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Quelle:
SZ vom 29.04.2014
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