Hygieneprobleme bei Großbäckerei:Back-Debakel von Müller-Brot

Schmutz und Schädlinge: Die Zustände bei der Großbäckerei Müller-Brot sind offenbar schlimmer als gedacht. Nun steht die Produktion in Neufahrn erst einmal still. Doch die Kette hat offenbar noch ein weiteres Problem - ein wirtschaftliches.

Katja Riedel

Die Neufahrner, so sagte es der Präsident der Deutschen Lebensmittel-Gesellschaft (DLG) selbst, dürften sich "zu Recht als Qualitätsbotschafter" bezeichnen. Soeben hatten er und Agrarstaatssekretär Gerd Müller an diesem Abend im Juni 2009 einem der Müller-Brot-Geschäftsführer den Bundesehrenpreis des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz überreicht. Die höchste Auszeichnung der Branche, und das schon zum fünften Mal.

Produktionsstopp bei Mueller-Brot wegen Hygienemaengeln

Verkauft wurde in den Müller-Läden auch am Donnerstag, aus der zentralen Bäckerei kam aber kein Nachschub: Die muss erst mal gereinigt werden.

(Foto: dapd)

Ein schöner Abend im Opernpalais Unter den Linden in Berlin. Müller-Brot sei ein "herausragender Spitzenbetrieb Deutschlands, der in Fragen Qualität und Genuss Maßstäbe und richtungsweisende Impulse für die gesamte Ernährungsbranche" setze.

Ob DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer diese Worte am Donnerstag wohl so wiederholt hätte? Am Tag, nachdem bekannt wurde, dass in eben jener Neufahrner Zentralbäckerei von Müller-Brot derart gravierende hygienische Mängel aufgefallen waren, dass der Betrieb nach einer ganztägigen intensiven Kontrolle von Spezialkräften des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) offenbar nur einen Weg sah: die Produktion vorübergehend stillzulegen.

Alle Maschinen wurden gestoppt, in ihre Einzelteile zerlegt und jeder Millimeter der Produktion gereinigt - 500 Menschen sind damit angeblich derzeit beschäftigt. Freiwillig habe man diese Entscheidung getroffen, auf Empfehlung des Landratsamtes, betont Müller-Brot.

So ganz aus freien Stücken scheint das aber doch nicht passiert zu sein. Schließlich betont die Behörde, die die Lebensmittelhygiene in der Produktionsstätte kontrollieren muss und derzeit auch die Reinigung beaufsichtigt, dass ohne ihre Freigabe kein Teigling, kein Brot und kein Stück Kuchen die Bandstraße und das Gebäude verlassen dürfe.

Zudem heißt es am Donnerstag verschärfend, der Stopp sei "lebensmittelrechtlich erforderlich" gewesen, ja gar eine "grundlegende Sanierung" nötig.

Was sich am Tag nach Bekanntgabe der Probleme bei Müller-Brot verdichtet, ist: Es war nicht das erste Mal, dass Lebensmittelkontrolleure mit den Zuständen, die sie in der Großbäckerei vorfanden, sehr unzufrieden waren. Und es war offenbar auch schon der mindestens dritte Besuch der Spezialeinheit des LGL.

Diese ziehen die zuständigen Kreisbehörden, hier des Freisinger Landratsamtes, nur dann hinzu, wenn sie bei ihren Routinekontrollen etwas Auffälliges feststellen. Seine vorherigen Befunde hatten das Landratsamt aber offenbar nicht dazu veranlasst, einen Produktionsstopp und eine vollständige Reinigung zu verlangen.

Das Gesundheitsministerium teilt indes am Donnerstagabend der Süddeutschen Zeitung mit, dass es seit Ende des Jahres über die Missstände bei Müller-Brot informiert gewesen sei; man habe darauf gedrängt, dass diese schnell und dauerhaft zu beseitigen seien und auch eine Betriebsschließung in Betracht zu ziehen sei, sagt eine Sprecherin.

Harter Wettbewerb

Was genau die Kontrolleure gefunden haben, sagt das Landratsamt am Donnerstag weit deutlicher als noch tags zuvor: Die Rede ist nun von Schädlingen in "erheblichem Umfang" und starken Verschmutzungen bei den für die Lebensmittelherstellung eingesetzten Geräten.

Woraus sich dieser Schmutz zusammensetzt, war nicht zu erfahren. Auch bauliche Mängel sollen angemahnt worden sein - "teilweise so offensichtlich, dass sie ein Blinder mit Krückstock gesehen hätte", berichtet ein Augenzeuge, der sich wundert, dass die Geschäftsführung diese nicht einfach beseitigte.

Eine Lösung der Schädlingsproblematik, so das Landratsamt, könne nur durch grundlegende Sanierungsmaßnahmen erreicht werden, dazu gehöre "ein neues Reinigungsmanagement mit ausreichenden Reinigungszeiten und Reinigungskapazitäten".

Doch die hygienischen sind nicht die einzigen Probleme, vor denen die Kette Müller-Brot steht. Sie sieht sich einem harten Wettbewerb ausgesetzt. Für Müller-Brot gilt der Großbäcker-Tarif, der höhere Löhne vorsieht als der Tarifvertrag des Bäckerhandwerks, der vor allem kleineren Unternehmen das Überleben sichern soll.

Nach diesem zahlen aber auch Ketten wie Bachmeier und Ihle, die ebenfalls industriell produzieren und zuletzt stark expandiert haben. 2003 hatte Müller-Brot nach eigenen Angaben noch etwa 2000 Mitarbeiter, heute sollen es 1300 sein. Auch das, heißt es aus Mitarbeiterkreisen, sei noch übertrieben. Gerade einmal 1100 Menschen arbeiteten noch für Müller-Brot, das Anfang des Jahrzehnts noch der viertgrößte Bäcker Europas war.

Seit Wochen laufen dort Verhandlungen über einen weiteren Stellenabbau - entsprechende Informationen der SZ bestätigte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Die Geschäftsführung soll unter Druck stehen; vor allem der Wegfall der Verkaufsstellen in den südbayerischen Rewe-Filialen soll dem Umsatz stark geschadet haben, heißt es in der Branche. Rewe hat im Landkreis Dachau seiner Tochter Glockenback eine Großbäckerei gebaut, Müller-Brot damit also den Auftrag entzogen und den Konkurrenten direkt vor die Nase gesetzt.

Müller-Brot gehört zum Familienkonzern von Klaus Ostendorf, einem ehemaligen Vorstand der Großbäckerei Kamps, den das US-Magazin Forbes 2003 als Nummer 239 der reichsten Deutschen führte, mit einem Vermögen von 200 Millionen Euro. In jenem Jahr übernahm Ostendorf die Anteilsmehrheit von Hans Müller und somit von der Gründerfamilie; sie hatte Müller-Brot 1930 in Giesing gegründet und das südbayerische Filialnetz aufgebaut.

Zunächst bezeichnete Hans Müller Ostendorf öffentlich als "Familienfreund", später ging man nach Differenzen getrennte Wege. Inzwischen ist Müller-Brot keine Aktiengesellschaft mehr, sondern besteht aus verschiedenen GmbHs. Sie alle sind Teil eines Imperiums: Denn Ostendorf gehört auch die Leipziger Löwenbäcker GmbH, die vom selben Geschäftsführungsteam geführt wird wie Müller-Brot, und die österreichische Anker-Brot.

In den 77 Münchner Müller-Brot-Filialen sind im Übrigen die Prüfer des Kreisverwaltungsreferats auf keine außergewöhnlichen Missstände gestoßen, wie eine Sprecherin sagt. Bei 174 Kontrollen habe man viermal ein Bußgeld wegen hygienischer Mängel verhängt, dies sei eine durchschnittliche Quote.

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