Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:Bienen im Stress

Die warmen Winter und die frühe Blüte sind Folgen des Klimawandels. Die Honigbiene ist zwar robust und anpassungsfähig, leidet aber dennoch darunter. Für die Imker bedeutet das einen höheren Arbeitsaufwand.

Von Gudrun Regelein, Freising

Schon fast sommerliche Temperaturen und T-Shirt-Wetter gab es vergangene Woche auch im Landkreis Freising. Der warme und kurze Winter ist eine Folge des Klimawandels, eine andere ist die frühere Blüte. Für die Menschen mag das schön sein, die Bienen dagegen setzt der Klimawandel unter Stress, heißt es in einer Pressemitteilung des Bezirks Oberbayern.

Hermann Heiler, Zweiter Vorsitzender des Imkervereins Freisings, hat vier Völker bei Haag. Gerade war er bei ihnen, erzählt er. "Ich habe nach ihnen geschaut. Alles in Ordnung, auch Futter ist genügend da." Heiler ist seit 58 Jahren Imker, schon im Alter von zwölf Jahren begann der heute 70-Jährige damit. In den fast sechs Jahrzehnten habe sich viel verändert, sagt er. "Der Klimawandel ist sehr spürbar." Früher begann die Löwenzahn-Blüte noch Anfang Mai, inzwischen beginnt sie schon Wochen früher, nämlich Ende März bis Anfang April. Dann finden die Bienen Nektar - und fliegen aus.

"Konkret bedeutet das, dass die Bienen früher etwa vier Wochen mehr Zeit hatten, ein Volk aufzubauen", erklärt Heiler. Kurz nach der Wintersonnenwende, also Anfang bis Mitte Januar, beginne das Bienenvolk ab Temperaturen von etwa fünf Grad Celsius mit der Aufzucht von der Brut, die viel Energie kostet. "Mittlerweile aber fliegt die halbe Mannschaft schon sehr früh im Jahr raus zum blühenden Löwenzahn und ist damit beschäftigt, Nektar zu besorgen - und hilft nicht dabei mit, das Volk aufzubauen."

Die Völker waren am Verhungern

Daneben sorgten die langen Trockenphasen und die teilweise große Hitze im Sommer durch ihren Einfluss auf die Pflanzenwelt für Schwierigkeiten, berichtet der Imker. Im vergangenen Jahr im Juli seien seine Völker am Verhungern gewesen. "Es war so trocken, dass sie nichts mehr gefunden haben." So etwas habe er in seinen 58 Jahren als Imker noch nie erlebt. Nahrung zu finden werde aber auch durch die häufige Mahd der Wiesen und den zunehmenden Schwund von Wegrändern mit Blühstreifen immer schwieriger. "Für die Bienen und die anderen Insekten wird es nicht einfacher."

Der Freisinger Imker Michael Streckfuß sieht die Entwicklung gelassener. Natürlich habe der Klimawandel Folgen, sagt auch er. "Aber in Bayern sind die Winter dank der hohen Lagen zwischen 400 und 500 Metern noch relativ kalt. Die Auswirkungen sind bei uns noch nicht dramatisch." Zwar gebe es auch im Januar immer wieder Tage mit 20 Grad und man sehe fliegende Bienen, aber: "Die Biene fängt dann nicht gleich an zu brüten."

Eine Brutpause im Winter ist wichtig

In diesem nicht besonders milden Winter gebe es zwar bereits Brutflächen, aber auch das sei ab Anfang Februar normal, sagt er. "Bienen brüten sogar auch mal durch. Das ist zwar nicht unbedingt erwünscht, denn eine Brutpause im Winter ist wichtig, aber nicht ungewöhnlich." Durch den Klimawandel passiere das häufiger. Grundsätzlich sei die Entwicklung des Bienenvolkes durch die Länge des Tageslichts gesteuert. Das bedeutet, dass die Bienen Mitte bis Ende Januar, wenn die Tage länger werden, zu brüten anfangen - und das zur Not auch bei Minus 20 Grad. "Das ist also nicht alleine von der Temperatur abhängig."

Die in Deutschland verbreitetste Biene sei die Carnica-Biene, daneben finde sich häufig die eingeführte Buckfast-Biene, eine künstlich, durch Züchtung erzeugte Version mit vielen guten Eigenschaften. Diese Bienen seien sehr robust und anpassungsfähig, "sie kommen unter anderem auch gut mit hohen Temperaturen zurecht", sagt Streckfuß.

Probleme habe also eher der Imker, der müsse seinen jahreszeitlichen Arbeitsablauf anpassen: "Früher begann für uns die Arbeit im April, jetzt ist es der März." Auch im Herbst müsse man noch länger nachfüttern, da es länger warm bleibt. "Der Klimawandel hat Folgen, aber die Biene ist deshalb nicht bedroht", betont Streckfuß.

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