Holocaust-Überlebender:Schmerzhafte Erinnerungen

"Vermächtnis für die im Grab Gebliebenen": Der Holocaust-Überlebende Shlomo Wolkowicz berichtet von seiner Flucht vor den deutschen Besatzern.

Sabina Dannoura

Shlomo Wolkowicz wollte ein normales Leben führen. Der 1924 im polnischen Ostgalizien, der heutigen Ukraine, geborene Jude hat deshalb fast 40 Jahre versucht, seine Erlebnisse während des Holocaust zu vergessen - zu schmerzlich waren diese Erinnerungen. Bis ihn sein Beruf in den achtziger Jahren nach Deutschland führte, er sich mit Deutschen anfreundete und "das neue Deutschland" kennenlernte, "das sich von einer brutalen Diktatur in ein freies, demokratisches Land verwandelt hat": Erst da habe sich etwas in ihm gelöst, sagt er.

Holocaust-Überlebender: Litt unter den deutschen Besatzern : Shlomo Wolkowicz.

Litt unter den deutschen Besatzern : Shlomo Wolkowicz.

(Foto: Marco Einfeldt)

Shlomo Wolkowicz begann, seine Erinnerungen für seine Enkel aufzuschreiben, die 1996 als Buch veröffentlicht wurden. Vor allem stellt er sich als Zeitzeuge dem Gespräch mit jungen Menschen. Bis Sonntag ist er auf Einladung des Kreisbildungswerks (KBW) im Landkreis Freising unterwegs, besucht Schulen und referiert in Moosburg, Freising und Neufahrn. Unter dem Motto"Ich wollte mich nicht erinnern" legt der 86-Jährige ein beeindruckendes Zeugnis ab.

Er hört nicht mehr so gut, doch seine Augen sind wach und lebhaft. "Ich möchte Euch sagen: Ich besuche oft Schulen und mache das sehr gerne, der jungen Generation von der Vergangenheit, dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust zu erzählen. Denn ihre Fragen sind für mich der wunderbare Beweis, wie wichtig es ist, zu berichten."

Zum Beispiel, warum er sich nicht einfach gewehrt habe. Shlomo Wolkowicz musste vor den deutschen Besatzern flüchten, er überlebte wie durch ein Wunder eine Massenerschießung von Juden unter den zerschossenen Körpern seiner Leidensgefährten, war ständig auf der Flucht und musste sich sogar in der Kanalisation unter einer Fabrik verstecken.

Jetzt sitzt der zierliche Mann im Freisinger Rathaus als prominenter Gast des monatlichen Pressegesprächs von Oberbürgermeister Dieter Thalhammer. Möglich gemacht hat diese Reise vom israelischen Haifa aus nach Freising die Sparkasse: Diese finanziere im Wesentlichen die Flug- und Aufenthaltskosten, bedankt sich KBW-Geschäftsführerin Marina Freudenstein. "Es gibt nicht mehr viele Zeitzeugen", sagt sie. Besonderes Anliegen von Wolkowicz sei es, den Menschen seine Erfahrungen weiterzugeben, die heute so jung seien, wie er es damals auf seiner Flucht vor den Nationalsozialisten gewesen sei.

Wie schwer ihm dies zunächst gefallen ist, weiß Hans Rehm, der Leiter der Zivildienstseelsorge der Erzdiözese München und Freising. Die beiden kennen sich seit etwa 20 Jahren von Rehms regelmäßigen Fahrten nach Israel, wo Wolkowicz seit 1949 lebt. "Er war anfangs von seinen eigenen Vorträgen so aufgewühlt, dass er keine Fragen zuließ", erinnert sich Rehm.

Mit dem Erzählen habe dieser seine Lebensgeschichte erst aufarbeiten können. Und Wolkowicz sehe seine Chronisten-Aufgabe auch als "Vermächtnis für die im Grab Gebliebenen", sagt Rehm. Dieser freundliche Mann versichert nun, er habe das "neue" Deutschland schätzen gelernt; er wolle deshalb die Erinnerung wach halten an seine ungewöhnliche, dramatische und brutale Geschichte, damit sich diese nie mehr wiederholen möge.

"Die Dichte, mit der er erzählt, ist beeindruckend", betont Hermann Wimmer von Pax Christi. Und diese Geschichte erzählt der Holocaust-Überlebende Shlomo Wolkowicz in Moosburg am Mittwoch, 27. Oktober, um 20 Uhr im Pfarrheim Sankt Kastulus, in Freising ist er am Donnerstag, 28. Oktober, um 19.30 Uhr im Asamsaal zu Gast und nach Neufahrn kommt er am Freitag, 29. Oktober, um 19.30 Uhr in Pfarrheim Sankt Franziskus. Der Eintritt ist frei.

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