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Hohe Werte in Pulling:Dem Feinststaub auf der Spur

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Der neu gegründete "Bürgerverein Freising zur Vermeidung von Lärm und Schadstoffbelastung" will wissen, "wie viel Dreck in der Luft" ist und schafft ein eigenes Messgerät an

Von Johann Kirchberger, Freising

Es mache ihn sprachlos, sagt Reinhard Kendlbacher, der Vorsitzende des neu gegründeten "Bürgervereins Freising zur Vermeidung von Lärm- und Schadstoffbelastung", wenn er höre, wie der Flugverkehr das Klima zerstöre und die Luft verunreinige und nichts dagegen unternommen werde. Ziel seines Vereins sei es zu dokumentieren, "dass wir schon jetzt unter dem Flughafen leiden", und dass es unverantwortlich wäre, eine dritte Startbahn zu bauen.

Hart ins Gericht ging Kendlbacher im vollbesetzten Saal des Grünen Hofs mit den Aussagen von FMG-Prokurist Josef Schwendner bei Rundfahrten über das Startbahngelände. Schwendner verharmlose Wirbelschleppen, unterstelle dem Bund Naturschutz, schützenswerte Pflanzen extra anzupflanzen und behaupte, den Attachinger Bürgern gehe es nur um Gewinnmaximierung für Haus und Grund. Wer so rede, der diskriminiere den Widerstand, sagte Kendlbacher, "dem fehlt jeglicher Respekt vor denen, die massiv unter einer dritten Startbahn zu leiden hätten".

Die Flugbewegungen im Erdinger Moos seien seit Jahren rückläufig, so Kendlbacher. Die Zunahme in diesem Jahr - der Landtagsabgeordnete Christian Magerl (Grüne) nannte 3,2 Prozent - sei mit Subventionen für Billigflieger "erkauft". Die Zahl der Passagiere steige zwar, sagte Kendlbacher, durch den Einsatz immer größerer Flugzeuge werde es aber zu einem weiteren Rückgang der Flugbewegungen kommen. Die Drehkreuzfunktion verliere zunehmend an Bedeutung. Die geplanten 51 Prozent an Umsteigern seien zuletzt auf 36 Prozent zurückgegangen.

Auch Magerl sah keinen Bedarf für einen Ausbau. "Wir sind weit weg von den Intraplan-Prognosen", sagte er. Die DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) haben kürzlich erklärt, dass es bis 2030 zu keinem wesentlichen Anstieg an Flugbewegungen kommen werde. Nur Flughafenchef Michael Kerkloh sehe das anders, behaupte, der Trend zu größeren Flugzeugen sei abgeschlossen, "aber das ist nachweislich falsch". Vehement sprach sich Magerl gegen Forderungen aus, die Luftverkehrssteuer abzuschaffen. Es reiche, wenn das Kerosin nicht besteuert werde, wodurch dem Bund jährlich sieben Milliarden Euro an Einnahmen entgingen.

Fünf Gründe nannte Magerl, warum eine dritte Startbahn überflüssig sei. Die Wachstumserklärung der Lufthansa laufe 2017 aus, ebenfalls 2017 würden die ICE-Strecke nach Berlin und wohl auch der neue Berliner Flughafen fertig, der Riesenflughafen in Istanbul gehe 2018 in Betrieb und die in München stark vertretene Gesellschaft Air Berlin stecke in einer wirtschaftlichen Krise.

Mit dem Klimaschutz und dem Ausstoß von CO₂ beschäftigte sich der stellvertretende Vorsitzende des Bürgervereins, Wolfgang Herrmann, und zitierte das Bundesumweltamt, wonach "Fliegen das klimaschädlichste Verkehrsmittel" sei. "Die Bürger sollen ihre Häuser dämmen und E-Autos kaufen, und die Flugzeuge blasen weiter ungestraft CO₂ in die Luft." Klimaschutz und dritte Startbahn, so Herrmann, "diese Rechnung geht nicht auf". Die Selbstverpflichtung der Luftfahrt, mit Zertifikaten den CO₂-Ausstoß zu kompensieren, bezeichnete er als "modernen Ablasshandel".

Besonderes Augenmerk will der Bürgerverein auf die Erfassung der Ultrafeinstaub-Emissionen legen und deshalb ein etwa 6000 Euro teures Messgerät kaufen. "Damit wir wissen, wie viel Dreck in der Luft ist", wie Oswald Rottmann sagte. Feinststäube, die sich in den Lungenbläschen festsetzten und nachweislich karzinogen seien, würden bisher nicht gemessen. Dafür gebe es bisher nicht einmal Grenzwerte. Bei Probemessungen mit einem Leihgerät habe man festgestellt, dass die Belastung in Pulling extrem hoch sei. Beim Bau der dritten Startbahn würde halb Freising von einer Schadstoffwolke erfasst. Das Messgerät brauche man allein schon deshalb, ergänzte Kendlbacher, "weil wir unserem Nachbarn Flughafen und seinen Messungen nicht über den Weg trauen".

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SZ vom 30.11.2016
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