Zwei Monate nach dem Jahrhundert-Hochwasser:Auf den Spuren der Flut

Lesezeit: 4 Min.

In Booten musste die Wasserwacht vor gut zwei Monaten Anwohner in Hohenkammer aus ihren Häusern retten. Das Wasser ist längst abgeflossen, mit den Folgen aber kämpfen die Betroffenen oft immer noch. (Foto: Marco Einfeldt)

In Allershausen, Hohenkammer und Zolling sind die Folgen von Starkregen und Überschwemmungen kaum noch sichtbar. Abgeschlossen sind die Reparaturen und Säuberungsarbeiten aber nicht. Eine Reise zu den Hotspots der Naturkatastrophe.

Von Ambros Maria Karner, Alexander Kappen, Freising

Zwei Monate sind seit dem verheerenden Hochwasser in Oberbayern vergangen. Im Landkreis Freising sind die Reparaturen und Säuberungsarbeiten noch lange nicht abgeschlossen. Die Schäden verursachten erhebliche Kosten, die die Betroffenen weiterhin belasten.

Hohenkammer war eine der am stärksten vom Hochwasser betroffenen Gemeinden. Die Glonn, die Hohenkammer durchquert, verursachte Anfang Juni an vielen Gebäuden in tieferen Lagen der kleinen Gemeinde erhebliche Schäden.

Durch die Hauptstraße in Hohenkammer ist das Wasser der Glonn geflossen und hat auch dort abgestellte Fahrzeuge nicht verschont. (Foto: Marco Einfeldt)
Die Spuren der Flut sind teilweise bis heute sichtbar. (Foto: Marco Einfeldt)

Mario Berti, Bürgermeister von Hohenkammer, berichtet von „anhaltenden Feuchtigkeitsproblemen in den Kellern“ und immer noch nicht abgeschlossenen Trocknungsarbeiten. „Wir haben auch nach wie vor Schäden an der Infrastruktur, die behoben werden, und neue Straßen, die aufgebaut werden müssen“, sagt er.

Wer nah an der Glonn wohnt, hat bis heute vor allem mit Feuchtigkeit in den Kellern zu kämpfen. (Foto: Marco Einfeldt)
Der Fluss durch Hohenkammer ist allerdings längst in sein Bett zurückgekehrt. (Foto: Marco Einfeldt)

Auf der Webseite der Gemeinde Hohenkammer wird stolz mitgeteilt, dass 175 000 Euro für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger gesammelt und bereits gemäß den Bedürfnissen verteilt worden seien. Dem Bürgermeister ist es jedoch besonders wichtig, dass sich solche Katastrophen in Zukunft nicht wiederholen. Er sei deshalb „mit dem Wasserwirtschaftsamt in Kontakt, um alle Möglichkeiten zur Vorbeugung gegen zukünftige Überschwemmungen zu prüfen“. Ihm sei wichtig, „dass sich die Bürger auf künftige Hochwasser vorbereiten und Schutzmaßnahmen ergreifen“, sagt Berti weiter. Im Laufe des Jahres soll deshalb auch eine Veranstaltung organisiert werden, um die Bürger über mögliche Schutzmaßnahmen zu informieren.

Allershausener Hotelbesitzer helfen obdachloser Familie

In Allershausen liegt der Huberhof nur wenige Meter von der Glonn entfernt. Er wurde Anfang Juni stark vom Hochwasser beschädigt. Christian Huber, der Eigentümer des Hotels, berichtet von fünf vollkommen zerstörten Hotelzimmern und einem Schaden von über 150 000 Euro. Er entschloss sich, die fünf Zimmer nicht mehr zu renovieren, da neue Überflutungen drohen könnten und die Schäden sonst zu groß wären. „Man weiß nie, was in vier Wochen sein kann. Derzeit sind wir auch psychisch stark belastet“, erzählt er.

Große Sandsack-Barrieren haben nicht verhindern können, dass das Wasser in das Allershausener Hotel „Huberhof“ eindrang. Unter anderem wurden fünf Gästezimmer völlig zerstört. (Foto: Marco Einfeldt)
Von außen sieht man dem „Huberhof“ nichts mehr an. Bereits eine Woche nach dem Hochwasser wurde der Betrieb wieder aufgenommen. (Foto: Marco Einfeldt)

Familie Huber nahm keine Hilfen in Anspruch. Im Gegenteil, sie spendeten, da sie „im Vergleich zu anderen nicht so stark betroffen waren“. Christian Huber erzählt, wie eine Familie mit drei Kindern in Allershausen ihr Haus verlassen musste. „Sie wohnen jetzt bei uns im Hotel. Die Kosten übernimmt die Versicherung der Familie“, sagt er.

Trotz der schweren Schäden konnte der Betrieb bereits eine Woche nach dem Hochwasser wieder aufgenommen werden. „Wir hatten keine Schäden an Heizung oder Öltanks, lediglich der Stromzähler bereitete uns Probleme“, sagt Huber. Der Schadenersatz musste allerdings eigenständig geregelt werden. Allein das Austrocknen und neu Anstreichen des Kellers kostete 18 000 Euro.

Die Glonnterrassen in Allershausen hatten sich durch den anhaltenden Starkregen in eine Art See verwandelt. (Foto: Marco Einfeldt)
Inzwischen kann man hier natürlich wieder trockenen Fußes spazieren gehen. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Allershausener sind zwar an Geschäftshindernisse gewöhnt, wie Oliver Solsbach, Eigentümer des Restaurants „Zum Fuchswirt“, erklärt: „2018 und 2019 hatten wir in Allershausen mit zwei Brückensperrungen zu kämpfen, die unsere Geschäfte erschwerten. Dann kam 2020 die Covid-Pandemie. Seit 2023 konnten wir wieder normal arbeiten, doch nun kam die nächste Katastrophe. Man muss immer wieder neu anfangen.“ Er konnte sein Restaurant bislang nicht wieder eröffnen, da die Räume noch saniert und getrocknet werden müssen. Solsbach muss „mit einem Schaden im höheren sechsstelligen Bereich“ kämpfen, wie er sagt.

Doch nicht nur private Häuser und Gasthöfe waren vom Hochwasser betroffen, sondern auch öffentliche Gebäude, wie die Grund- und Mittelschule Allershausen, die ebenfalls mit überfluteten Kellern und hohen Schäden zu kämpfen hat. Hausmeister Serge Lewis schätzt, dass es noch mehrere Wochen dauern wird, bis die Keller vollkommen getrocknet und gereinigt sind. Derzeit sind etwa 65 Lüfter und Ventilatoren im Einsatz, um die Keller wieder nutzbar zu machen.

Ein Bild der Zerstörung bot sich im Keller in den Werkräumen der Allershausener Schule. (Foto: Marco Einfeldt)
Aufgeräumt ist inzwischen, nun sind zur Trocknung 65 Lüfter und Ventilatoren im Einsatz. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein großes Problem stellt in Allershausen jedoch der Supermarkt dar, der wegen der Überflutungen schließen musste. „Das bedeutet, dass ältere Menschen mit Mobilitätsproblemen und ohne Auto keine Möglichkeit mehr haben, einkaufen zu gehen“, erinnert Hotelier Christian Huber.

Sportgaststätte in Zolling konnte schnell wieder geöffnet werden

Nicht alle aber mussten am Ende hohe Kosten durch die Reparaturarbeiten tragen. Die Spielvereinigung Zolling und die Osteria Calabria, die ebenfalls stark vom Hochwasser betroffen waren, konnten die Schäden minimieren – unter anderem durch großen Helfereinsatz. Die Osteria konnte sogar bereits nach fünf Tagen wieder eröffnen.

Die Amper ist im Juni mitten durch das Zollinger Sportheim geflossen. Statt der Sportausrüstung waren Gummistiefel gefragt. (Foto: Marco Einfeldt)
Längst gelangt man wieder trockenen Fußes in die Räume – und auch die „Osteria Calabria“ konnte schon kurz nach dem Hochwasser wieder Gäste bewirten. (Foto: Marco Einfeldt)

Natale Lagani, Geschäftsführer der Osteria Calabria, erzählt, dass sein größtes Problem gar nicht das Hochwasser war: „Letztendlich drang nur wenig Wasser ein. Wir sprechen hier von kaum zehn Zentimetern Wasser. Während draußen die Überschwemmung länger anhielt, konnten wir drinnen alles innerhalb von zwei Tagen reinigen und trocknen.“ Das Hauptproblem für die Osteria sei, dass die Leute seit den Überschwemmungen nicht mehr kommen. „Wir hatten einen Rückgang von 80 Prozent, was katastrophal für uns ist“, erklärt Lagani. „Die Menschen denken, wir wären bis zum ersten Stockwerk überflutet.“ Dabei sei schon sehr schnell nur noch der Parkplatz ein Problem gewesen, „auf dem 40 bis 50 Zentimeter Wasser standen“.

In eine Seenplatte hatte die Amper den Zollinger Fußballplatz und den angrenzenden Parkplatz verwandelt. (Foto: Marco Einfeldt)
Inzwischen herrscht das Grün des Rasens wieder vor. Der Platz ist aber noch gesperrt. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Bahndamm bietet nur auf den ersten Blick Schutz

Auf den ersten Blick bietet der Bahndamm der Strecke München – Regensburg kurz vor Moosburg eine willkommene Barriere, um bei einem Hochwasser wie im Juni die Fluten aufzuhalten. Doch der Schein trügt. Der Damm lief Gefahr, unterspült zu werden. So mussten die Einsatzkräfte mit viel Aufwand die Gleise und somit auch den dahinter liegenden Stadtteil Bonau mit Folien und Sandsäcken schützen.

Gleise und Bahndamm bei Moosburg mussten mit Sandsäcken gesichert werden, um den Stadtteil Bonau zu schützen. (Foto: Marco Einfeldt)
Aktuell kann man her wieder ungefährdet entlang radeln. Dauerhaften Schutz bietet der Bahndamm aber auch weiterhin nicht. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Sache ging gut aus, Sandsäcke und Folien sind längst wieder weg. Aber erledigt ist die Sache damit nicht. Um bei einem neuen Hochwasser den Bahndamm nicht wieder sichern zu müssen und wertvolle Manpower zu binden, wünschen Stadt und Hilfsorganisationen sich einen dauerhaften Schutz.

Allerdings: Der entscheidende Akteur ist die Deutsche Bahn. Bei einem „runden Tisch“ zum Thema Hochwasser in Hohenkammer sagte ein Vertreter des Unternehmens vor Kurzem Gespräche zu. Notwendig ist eine Schutzeinrichtung, um bei Hochwasser dauerhaft auf der sicheren Seite zu sein. Bilder mit Folien und Sandsäcken am Bahndamm könnten dann der Vergangenheit angehören.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Hochwasser
:Alles viel schlimmer als befürchtet

Der Landkreis Freising ist vom unwetterartigen Dauerregen schwer getroffen. In Hohenkammer müssen Menschen teils mit Booten aus ihren Häusern gebracht werden, dort und in Allershausen fällt am Montag die Schule aus. 500 Retter sind seit Samstag im Dauereinsatz. 80 000 Sandsäcke wurden verteilt – und noch hört der Regen nicht auf.

Von Birgit Goormann-Prugger, Petra Schnirch

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: