Hochschule Weihenstephan-Triesdorf:Sehen lernen, was im Wald vor sich geht

Hochschule Weihenstephan-Triesdorf: Volker Zahner lehrt und forscht bereits seit 22 Jahren an der Forst-Fakultät der HSWT.

Volker Zahner lehrt und forscht bereits seit 22 Jahren an der Forst-Fakultät der HSWT.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Forstausbildung an der HSWT wird 50 Jahre alt. Angesichts des Klimawandels sind die Herausforderungen für die Absolventen deutlich größer geworden. Das spiegelt sich in der Bandbreite des Studiums.

Von Petra Schnirch, Freising

An seine Studienzeit erinnert sich Bernhard Rückert, 66, immer noch gerne zurück. Er gehörte zum dritten Jahrgang der neuen Forst-Ausbildung der Fachhochschule Weihenstephan, heute Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). In den ersten Jahren seien es gerade einmal acht bis zwölf Studienanfänger in der Forstwirtschaft gewesen, erzählt er, "eigentlich viel zu wenig, um den Bedarf zu decken". Bei Rückert waren es dann schon "gute 30", aber es sei immer noch "fast familiär" zugegangen, auch im Umgang mit den Professoren.

Vor 50 Jahren, mit Beginn des Wintersemesters 1972/73, startete die Forstausbildung an der damaligen Fachhochschule in Freising, ein Jahr nach deren Gründung. Längst ist dieses Angebot sehr gefragt: Mittlerweile gehen jedes Jahr etwa 600 Bewerbungen für die 130 Plätze im Bachelor-Studiengang Forstingenieurwesen ein.

Artenschutz und Ökologie spielten früher eine untergeordnete Rolle

Dass Rückert damals zum Studium nach Weihenstephan kam, "war Zufall", erzählt er. Schon als Kind habe er gewusst, dass er einmal im Wald arbeiten wolle. Also begann er eine Lehre. Als er die Zwischenprüfung nicht wie geplant ablegen konnte, weil die Schule ausgefallen war, wollte er nicht noch ein Jahr warten, holte die Fachhochschulreife nach und ging nach Freising zum Studieren. Was ihm dort gefiel: Einige der Professoren thematisierten auch Artenschutz und Ökologie. Das sei damals noch nicht die Regel gewesen, sagt Rückert. Waldumbau und Naturschutz spielten noch kaum eine Rolle. Der Schwerpunkt lag auf der Forstwirtschaft und der Jagd. "Das ist heute ganz anders."

Volker Zahner, Professor für Zoologie und Wildtierökologie an der HSWT, bestätigt, dass der Blick auf den Wald "deutlich vielfältiger" geworden ist. Der 59-Jährige lehrt seit 22 Jahren an der Fakultät Wald und Forstwirtschaft. Ein "Megathema" sei heutzutage der Klimawandel, "der den Wald ganz stark betrifft", dazu kämen der Schutz der Biodiversität und die Digitalisierung im Forst. Die Nachfrage nach gut ausgebildeten Forstleuten sei groß. In den kommenden zehn Jahren stehe ein Generationswechsel an, da ein großer Teil des Forst-Personals in den Ruhestand gehen werde. Auch der Frauenanteil ist mit gut 30 Prozent deutlich gestiegen. "Früher, als ich studiert habe, waren es nur zehn Prozent", sagt Zahner.

Nie daran gezweifelt, dass ein Waldumbau Sinn macht

Bernhard Rückert, der aus Franken stammt und viele Jahre lang Betriebsleiter im Stadtwald Lohr im unterfränkischen Landkreis Main-Spessart war, ist mit Laub- und Mischwäldern groß geworden. Er zweifelte nie, dass ein Umbau, weg von reinen Fichtenkulturen, Sinn macht, um stabilere Wälder zu erhalten. Doch nicht überall stieß er damit auf Zustimmung. Ein Jahr lang, erzählt er, sei er in Regen im Bayerischen Wald tätig gewesen. Als er den Waldbauern dort empfahl, zu den Fichten auch Buchen zu pflanzen, "haben die in sich reingelacht".

Ein erstes vorsichtiges Umdenken erlebte er Anfang der Achtzigerjahre, als saurer Regen, also Schwefel, der bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe in die Atmosphäre gelangte, für ein großflächiges Waldsterben sorgte. In den Neunzigern zeigte sich bei schweren Stürmen, dass reine Fichtenbestände diesen wenig entgegenzusetzen hatten. Anfangs sei der Waldumbau dennoch "nur eine halbherzige Sache" gewesen, erinnert sich Rückert. Viele hätten geglaubt, dass das mit den Fichten schon noch mal funktioniere. Ihn selbst hätten Exkursionen im Studium, etwa zu Urwäldern in Slowenien, zum Nachdenken angeregt. "Das sind Dinge, die mich geprägt haben." Die Professoren saßen zum Teil selbst am Steuer des Kleinbusses. "Das waren ganz tolle Zeiten."

Hochschule Weihenstephan-Triesdorf: Die Forst-Studenten um Bernhard Rückert (2. v. r.) bei einer ihrer vielen Exkursionen, hier in Slowenien. Auf dem Tisch drapiert sind die slowenische und die deutsche Fahne.

Die Forst-Studenten um Bernhard Rückert (2. v. r.) bei einer ihrer vielen Exkursionen, hier in Slowenien. Auf dem Tisch drapiert sind die slowenische und die deutsche Fahne.

(Foto: Bernhard Rückert/oh)
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf: Es ist geschafft: Die Kommilitonen von Bernhard Rückert feiern in den Siebzigerjahren ihren Abschluss an der Fachhochschule Weihenstephan.

Es ist geschafft: Die Kommilitonen von Bernhard Rückert feiern in den Siebzigerjahren ihren Abschluss an der Fachhochschule Weihenstephan.

(Foto: Bernhard Rückert/oh)
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf: Auch heute noch ist Forstwirt Bernhard Rückert viel in den Wäldern Europas unterwegs wie hier in Rumänien.

Auch heute noch ist Forstwirt Bernhard Rückert viel in den Wäldern Europas unterwegs wie hier in Rumänien.

(Foto: Bernhard Rückert/oh)

Inzwischen stehe der ökologische Wald - und was er leisten kann - deutlich im Vordergrund, er müsse immer als Ganzes betrachtet werden, sagt Zahner. So heißt es auch in der Beschreibung auf der Homepage der HSWT: "Im Studiengang Forstingenieurwesen wird grundsätzliches Verständnis für die Komplexität des Ökosystems Wald ebenso vermittelt wie die Fähigkeit zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern." Der neue, interdisziplinäre Masterstudiengang "Climate Change Management" trägt den Klima-Problemen Rechnung. Ausgeschrieben ist zudem eine Professur für Urban Foresting.

Baumarten wie Fichte und Kiefer sind auch in Bayern mittlerweile an ihre Grenzen gekommen. Mehrere 100.000 Hektar Wald müssten möglichst schnell umgebaut werden, sagt Zahner. "Die Fichtenwälder verabschieden sich von heute auf morgen." Bei Fachleuten seien der Klimawandel und Programme zum Waldumbau schon lange ein Thema, anders als dies in der Politik lange der Fall war. Auch in der Mitte der Gesellschaft sei angekommen, dass es den Wäldern schlecht geht. Die Dynamik, die Serie von Trockensommern hat aber auch ihn überrascht.

Rückert, der vor einem Jahr in Ruhestand gegangen ist, befürchtet, dass die Zeit für die notwendige Umgestaltung der Wälder nicht ausreichen könnte. Das müsse schneller gehen "und mit größerer Konsequenz", sagt er. Denn erst 20 Jahre später sehe man die Veränderungen. Eben das mache es mit Vorhersagen nicht einfach, sagt Zahner. Was genau kommt auf uns zu? Mit welcher Schnelligkeit, mit welcher Dramatik? Dies sei ein Blick in die Glaskugel, die Sicherheit früherer Generationen sei verloren gegangen. Die Herausforderungen für jungen Forstleute seien deshalb vielfältig geworden, das Studium noch breiter. Selbst das, was sich in nächster Zeit als richtig erweist, "kann sich in 90 Jahren als Fehler herausstellen", gibt Zahner zu bedenken. Was bisher sicheres Wissen war, müsse in Frage gestellt werden. Wichtig sei, dass angehende Forstleute im Studium "sehen lernen".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: