Süddeutsche Zeitung

Hochschule Weihenstephan-Triesdorf:Klimafreundlich gärtnern

Torfabbau zerstört nicht nur Lebensräume von Tieren und Pflanzen, sondern ist auch schlecht fürs Klima. Blumenerde soll darum in fünf Jahren torffrei sein. Hobbygärtnern erschwert dies die Arbeit. Ein Forschungsprojekt der HSWT in Freising will ihnen einen Leitfaden an die Hand geben.

Von Petra Schnirch, Freising

Gibt man im Internet die Suchworte "torffreie Gartenerde" ein, stößt man schnell auf die üblichen Vergleichsportale. Die aufgelisteten Produkte schneiden dort alle mit "sehr gut" oder "gut" ab. Klingt nicht schlecht, doch ganz so einfach ist das nicht. Denn die Substrate unterscheiden sich ganz erheblich, vor allem was den Stickstoffgehalt angeht, das haben Analysen der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) ergeben. Das wiederum hat Auswirkungen, wie häufig gedüngt werden muss, damit Gemüse und Blumen gut gedeihen. Die Hochschule befasst sich mit diesen Fragen in einem aktuellen Forschungsprojekt. Am Ende sollen Handlungsempfehlungen für Hobbygärtner und Hersteller stehen.

In etwa fünf Jahren soll die im Fachhandel für den Hobbygartenbau angebotene Erde möglichst torffrei sein, um die Ziele des Klimaschutzprogramms 2030 zu erreichen. Deutschland hat sich verpflichtet, seine Treibhausgas-Emissionen bis dahin, Bezugsgröße ist das Jahr 1990, um mindestens 55 Prozent zu verringern. Der Torfabbau zerstört nicht nur Lebensräume von Tieren und Pflanzen, sondern ist auch schlecht fürs Klima, denn Moore sind große Kohlenstoffspeicher.

Was viele Hobbygärtner nicht wissen: Derzeit beträgt der durchschnittliche Torfanteil in Blumenerden noch 48 Prozent, das hat eine Umfrage des Industrieverbands Garten aus dem Jahr 2021 ergeben. Reine Torfsubstrate dürften mittlerweile die Ausnahme sein, sagt Dieter Lohr, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HSWT im Bereich Pflanzenernährung. Dennoch würden pro Jahr etwa acht Millionen Kubikmeter Torf verarbeitet, aber auch vier Millionen Kubikmeter Ersatzstoffe. Etwa 40 Prozent der Erde gehe an Hobbygärtner. Ein Großteil des Torfs komme aus dem Baltikum, aus schon zu Zeiten der UdSSR trockengelegten Moorflächen. In Deutschland werde vor allem in Niedersachsen noch industriell Torf abgebaut.

Damit der Ausstieg gelingt und die neuen Substrate angenommen werden, ist die Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher ein wichtiger Teil des Forschungsprojekts mit dem Titel HOT, in das die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen und die Green Survey Marktforschung GmbH eingebunden sind. Auf ihrem Gelände Am Staudengarten 14 hat die HSWT in Freising einen Schaugarten angelegt, der öffentlich zugänglich ist.

Gelbliche Blätter zeigen, dass Nährstoffe fehlen

Auf den ersten Blick sehen die Pflanzen in den Blumen- und Gemüsekästen üppig und vital aus. Kommt man etwas näher, zeigen sich die Unterschiede. In den Kästen experimentiert die HSWT mit torffreien und torfreduzierten Substraten, teils selbst gemischt, teils aus dem Handel, wie Gärtnermeisterin Nicole Gleißner erklärt. Auch für den Laien sofort erkennbar sind die Probleme bei den Tomatenpflanzen. Gelbliche Blätter verraten, dass einige von ihnen unter deutlichem Nährstoffmangel leiden, Tomaten sind Starkzehrer.

Auf einer Tafel im Schaugarten informiert die HSWT über die verwendeten Substrate. Interessierte könnten sich aber auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wenden, sagt Gleißner. Auf einem Tisch sind verschiedene Komponenten der Gartenerde aufgebaut - die Eigenmischungen der Hochschule bestehen aus Holzfaser, Kokosmark, Kompost, Ton und Rindenhumus beziehungsweise 50 Prozent Torf, Holzfaser, Ton und Kompost.

Auch 54 Hobbygärtner wirken an dem Projekt mit

Parallel zu diesen Versuchen an der HSWT testen 54 Hobbygärtner in "Reallaboren" in ganz Bayern, also bei sich zuhause, wie sie mit den Gartenerden und deren unterschiedlichen Anforderungen zurecht kommen. Sie sollen sich drei Jahre lang an dem Projekt beteiligen, 2024 sollen die Ergebnisse in konkrete Handlungsempfehlungen und eine App einfließen. Auch Befragungen von Konsumenten, warum sie zu welcher Blumenerde greifen, sind vorgesehen.

Die Schwierigkeiten bei gekauften Substraten, die das Team von Nicole Gleißner im Abstand weniger Wochen erworben hat, sind die teils extremen Unterschiede bei Nährstoffen wie Stickstoff. Das habe zur Folge, dass die Düngeempfehlungen auf den Verpackungen zum Teil fehlerhaft sind. "Es ist schwierig für Hobbygärtner, das auszugleichen", sagt Gleißner. Bei stark torfhaltiger Erde sei dies einfacher. Auch könne diese mehr Wasser aufnehmen, das bedeutet, es muss weniger gegossen werden.

Ein weiteres Problem: Ein wichtiger Bestandteil der neuen Mischungen ist Holzfaser. Die Nachfrage nach der Ressource Holz steige aber auch in anderen Bereichen, etwa der Energiegewinnung, sagt Dieter Lohr. Es müsse sich zeigen, in welchem Umfang sie künftig verfügbar sei.

Die Anlage Am Staudengarten 14 in Freising ist bis Ende September täglich von 9 bis 18 Uhr frei zugänglich. Für Gruppen werden nach Anmeldung per E-Mail (dieter.lohr@hswt.de) kostenlose Führungen angeboten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5644012
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/bt
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.