Ehrenamtliche Helfer:"Gewalt ist kein Spiel"

Ehrenamtliche Helfer: Die Lage ist ernst: Hubert Böck (BRK), Heinrich Märkl (Johanniter), Manfred Danner (Feuerwehr) und Landrat Helmut Petz (von links) sprechen über Gewalt, der sich auch die Rettungskräfte im Landkreis bei manchen Einsätzen ausgesetzt sehen.

Die Lage ist ernst: Hubert Böck (BRK), Heinrich Märkl (Johanniter), Manfred Danner (Feuerwehr) und Landrat Helmut Petz (von links) sprechen über Gewalt, der sich auch die Rettungskräfte im Landkreis bei manchen Einsätzen ausgesetzt sehen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Auch im Landkreis Freising klagen Rettungskräfte und Hilfsorganisationen über Beleidigungen und Bedrohungen an Einsatzorten. Mit einem Video soll die Bevölkerung sensibilisiert werden. Den Film haben Michael Reinhardt und Sebastian Brendel, selbst bei der Feuerwehr engagiert, gedreht.

Von Peter Becker, Freising

Es ist Nacht. Schemenhafte Personen leeren einen Benzinkanister über einer Barrikade und legen Feuer. Böller fliegen. Ein Feuerwehrauto nähert sich, die Einsatzkräfte beginnen zu löschen. Dunkel gewandte Personen schleichen sich an. Eine hält eine abgebrochene Weinflasche in der erhobenen Hand. Dann bricht die Szene ab und Kreisbrandrat Manfred Danner erscheint. Er spricht einen Umstand an, der nicht nur Feuerwehrleute bewegt: Gewalt gegen Retter. Den Film haben Michael Reinhardt und Sebastian Brendel, selbst bei der Feuerwehr engagiert, gedreht. Uraufführung hatte der Videoclip am Mittwoch während einer Pressekonferenz im Landratsamt.

Der Landkreis Freising ist nicht Berlin, wo in der Silvesternacht chaotische Zustände geherrscht haben. Feuerwehrkräfte, die einen brennenden Reisebus löschen wollten, wurden von Jugendlichen mit Feuerwerkskörpern attackiert. Ganz so schlimm ging es in Hallbergmoos zum Jahreswechsel nicht zu. Bürgermeister Josef Niedermair hatte in der jüngsten Gemeinderatssitzung über den Vorfall informiert. Jugendliche hatten mit Feuerwerkskörpern eine Hecke in Brand gesetzt. Die Feuerwehr eilte herbei, einigen Hilfskräften landeten Böller zwischen den Füßen. Ein Anwohner beschwerte sich, erlitt durch einen Faustschlag einen Kieferbruch.

"Haben die den Verstand verloren?", fragte Landrat Helmut Petz in die Runde. Das seien keine Streiche und kein jugendlicher Übermut mehr. Petz schränkte zugleich ein, dass es sich bei diesem Personenkreis um einige Wenige handele, die vielleicht durch Alkohol enthemmt seien. Aber es scheine auch eine subversive Energie vorhanden zu sein.

Danner, der eine gewisse Verrohung der Gesellschaft beobachtet, hat für solche Übergriffe kein Verständnis, sieht sogar die Nachwuchsarbeit der Feuerwehr in Gefahr. Die Rettungskräfte arbeiteten ja ehrenamtlich. Mancher ziehe es irgendwann vor, lieber mit der Familie zu feiern als sich schlimmstenfalls eine Flasche auf den Kopf schlagen zu lassen. Der Zuwachs an jungen Leuten sei bei der Feuerwehr nicht mehr so hoch wie früher. "Die Zahl der Aktiven stagniert seit Jahren."

"Gewalt ist kein Spiel", betonte Heinrich Märkl von den Allershausener Johannitern. Er verweist darauf, dass bei den Einsätzen von Rettungskräften eine "ganz besondere Stimmung" herrsche. Im Gegensatz zur Feuerwehr sind diese nur zu zweit unterwegs. Es werde gewartet, bis weitere Kräfte am Einsatzort seien, die den Weg zum Verletzten frei machten, schilderte Märkl. Dies sei ein unerträglicher Zustand.

Die Allershausener Johanniter waren zwar noch keinen körperlichen Repressalien ausgesetzt, doch Beleidigungen hätten sich alle schon mal anhören müssen. Obwohl ihnen "seelisches Rüstzeug" mitgegeben werden, sähen manche ob der Belastung keinen anderen Ausweg mehr, als ihre Mitarbeit zu kündigen. Es heiße, dass es immer nur wenige seien, die lautstark auf sich aufmerksam machten. "Doch wo ist die Mehrheit?", fragt sich Märkl. "Die müsste lauter sein."

Hubert Böck vom Freisinger Roten Kreuz berichtete Ähnliches. Oft käme es schon bei der Anfahrt zu Problemen. Doch Böck sagte auch, dass die körperlichen Angriffe bayernweit zurückgegangen seien. Von 99 im Jahr 2019 auf 55 im vergangenen Jahr. 2022 sei es im Landkreis Freising zu gar keinen Zwischenfällen gekommen. Beim Roten Kreuz, erklärte Böck, würden Mitarbeitende in deeskalierendem Verhalten geschult. Helfen Beschwichtigungen nicht, müssten sie sich zurückziehen.

Die Täter müssen viel zu lange auf ihr Urteil warten

Danner fordert, dass die Justiz viel schärfer gegen Personen, die Rettungskräfte bedrohten, vorgehen müsste als bisher. Er fordert mehr Konsequenz, wie beispielsweise bei einem Fall aus dem Landkreis. Eine Beleidigung war mit einer Geldstrafe von 5000 Euro geahndet worden. Böck hat schon als Schöffe Erfahrungen bei Gericht gemacht. Der Lerneffekt ginge verloren, wenn ein Angeklagter zu lange auf sein Urteil warten müsse. Zwei bis drei Monate, das wäre ideal.

Mit Sorge blicken die Hilfsorganisationen jetzt schon dem bevorstehenden Faschingshöhepunkt entgegen. "Das ist das nächste Problem", sagte Danner. Da sei wieder Alkohol mit im Spiel. Und es kann möglicherweise wieder zu Einsätzen kommen, die bei den Rettungskräften den Blutdruck in die Höhe schnellen lassen.

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