Aufführung im Furtnerbräu:Von Schildbürgern und Menschenfischern

Aufführung im Furtnerbräu: Thomas Goerge hat mit dem syrischen Friedenschor einen "panischen Heimatabend" im Furtnerbräu inszeniert.

Thomas Goerge hat mit dem syrischen Friedenschor einen "panischen Heimatabend" im Furtnerbräu inszeniert.

(Foto: Marco Einfeldt)

Regisseur Thomas Goerge inszeniert mit seinem "nachtmahrischen Hoagart" einen berührenden Abend im Furtnerbräu.

Katharina Aurich, Freising

"Heimatzirkus" nennt der Regisseur Thomas Goerge seinen "nachtmahrischen Hoagart", bei dem es natürlich nicht um bayerische Gemütlichkeit für das Herz und Gemüt geht, sondern um Tod, Flucht über das Meer und dumme Schildbürger. Die Zuschauer im Furtnerbräu erlebten einen berührenden Abend, den Regisseur Goerge mit dem Schauspieler Michael Grimm, der Sängerin Gabriele Goerge, jugendlichen Migranten, dem Syrischen Friedenschor und Freisinger Laienschauspielern inszenierte. Wie eine Collage komponierte Goerge in seiner neuesten Regiearbeit Texte sowie Lieder von Schubert und Händel, verfremdete Zitate des Philosophen Immanuel Kant und natürlich durfte ein Beitrag von Goerges Lieblingsautor Franz Kafka nicht fehlen.

Als Bühne wählte der experimentierfreudige Regisseur wieder einmal eine lange Tischreihe, hinter der die Akteure saßen und aufstanden, wenn sie sprachen, nur wenige Meter vom Publikum entfernt. Diese intime Atmosphäre ließ es nicht zu, sich von den Texten zu distanzieren. Zu Beginn des Abends, der vom Verein "Udei" in Kooperation mit der Clearingstelle für unbegleitete minderjährige Geflüchtete "Haus Chevalier" im Jugendwerk Birkeneck veranstaltet wurde, zitierte der als Engel verkleidete Saad Aljafry, der aus dem Irak geflüchtet war, ganz sanft und leise "denk ich an Deutschland in der Nacht" von Heinrich Heine. Dem folgte ein von Josef Reiml laut vorgetragener Text von den Bürgern aus Schilda. Die Bürger seien besorgt, dass sie nicht genug Schweinebraten und Kartoffelsalat bekämen. Noch mehr besorgt seien sie darum, dass ja kein Fremder in die Stadt gelange. Deshalb hätten sie eine Mauer gebaut, nur in ihrer Dummheit das Tor vergessen.

Gabriele Goerge ergänzte die Textpassagen mit Liedern von einer heilen Welt. Nach dem vom Fischlein, das munter im See schwimmt, beschrieb Michael Grimm albtraumhaft eine Flucht auf dem Meer, "Schreie und Gebete mischten sich zu einer bedrohlichen Symphonie". Die Rede war auch von Menschenfischern, ehemalige Fischer, die im leer gefischten Meer nichts mehr fangen und statt dessen Menschen in Booten zur Flucht verhelfen. Mit sanfter Stimme las ein junges Mädchen auf Chinesisch von der Chinesischen Mauer vor, ihr folgte das Lied "Auf der Mauer, auf der Lauer...", das Gabriele Goerge inbrünstig mit ihrer klaren Stimme vortrug. Auch der Philosoph Immanuel Kant alias Karl-Heinz Kirchmann hatte etwas zu sagen. Er forderte Gastfreundschaft und ein Bleiberecht für jeden Menschen überall auf der Erde, denn es gehe um die Würde des Menschen und nicht um den Nutzen, den jemand erbringe.

"Freude schöner Götterfunken" erklang von den Musikern des syrischen Friedenschores aus München, die inzwischen dazugekommen waren und mit dem Publikum sangen. Doch die Schwermut war rasch vorbei, als die Musiker ihre rhythmischen Volksweisen aus Syrien zum Besten gaben. Wie schon mit Goerges Kafkainszenierungen ist es dem Künstlerkollektiv "Udei" um die Kuratorin Sandra Dichtl eindringlich und fantasievoll gelungen, Geschichten und Dramen, die sich vermeintlich in der Ferne zutragen, ganz dicht an die Zuschauer heran zu holen.

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