Süddeutsche Zeitung

Hallbergmooser Ringerverein:"Ich werde den Verein nie im Stich lassen"

Als 21-Jähriger wird Michael Prill 2013 Vorsitzender des Hallbergmooser Ringervereins SV Siegfried. Er zieht das Team in die Bayernliga zurück, will den Neuanfang. Jetzt steht man im Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft.

Von Alexander Kappen, Hallbergmoos

Am 1. Dezember postete der Ringer-Bundesligist SV Siegfried Hallbergmoos auf Facebook ein kleines Video, das viel aussagt über die derzeitige Situation des Vereins: Zehn halb nackte Männer und ihr Trainer hüpfen begeistert in der Dusche umher, verspritzen Sekt und schreien ihre Freude lauthals heraus. Sie haben soeben mit einem 15:13-Sieg gegen Greiz die vorzeitige Qualifikation fürs Playoff-Viertelfinale perfekt gemacht, das am 22. Dezember beginnt. Mitten drin in der Feier-Rudelbildung: Michael Prill. Er war 2013 als 21-Jähriger zum Vorsitzenden gewählt worden, schickte das Team- zuvor 49 Jahre lang Erst- oder Zweitligist - in die Bayernliga und führte es wieder zurück ins Oberhaus. Dort gehört der deutsche Vizemeister von 2006 nun wieder zu den acht besten Mannschaften.

SZ: Herr Prill, hätten Sie 2013 beim freiwilligen Gang in die Viertklassigkeit für möglich gehalten, dass der SVS fünf Jahre später im Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft steht?

Michael Prill: Was wir in den letzten Jahren alles erreicht haben, ist viel mehr, als ich mir damals ausgerechnet habe. Auch viele Leute im Verein haben uns das nicht zugetraut. Ich sage eigentlich immer, man müsste am Höhepunkt aufhören - da hätte ich in den letzten Jahren schon oft aufhören müssen.

Vergangenes Jahr stand der SVS im Bundesliga-Achtelfinale. Heuer war es noch schwieriger, die Playoffs zu erreichen, weil nur noch acht Teams dabei sind - und Hallbergmoos hat es geschafft. Nur eine Momentaufnahme oder hat die Mannschaft noch mal ein höheres Niveau erreicht?

In unserer Bundesliga-Gruppe wird das Niveau immer so bleiben wie jetzt: Burghausen marschiert vorne weg und alle anderen dahinter sind ziemlich gleich auf. Unser zweiter Platz ist sicher eine Momentaufnahme und ein wahnsinniger Erfolg mit unseren finanziellen Möglichkeiten. Wir genießen das in vollen Zügen.

Sie haben sich 2013 aus der Bundesliga zurückgezogen, weil kaum mehr eigene Leute im Team standen, die Mannschaft teuer war und sportlich trotzdem der Musik hinterherlief. Inzwischen haben fünf Top-Klubs eine eigene Profiliga gegründet, die Erste und Zweite Bundesliga sind verschmolzen. Ein Glücksfall für das deutsche Ringen und den SV Siegfried?

Es ist gut, wie es jetzt ist. Jede Mannschaft braucht einen oder zwei Kämpfe, die sie gewinnen kann. Man sieht das ja in unserer Gruppe, wo jeder mindestens schon zwei Kämpfe gewonnen hat. Das Niveau der Bundesliga ist auf jeden Fall nicht mehr so hoch wie früher, so dass auch Hallbergmoos wieder gerne dabei ist. Für uns hat sich vieles zum Positiven entwickelt.

Ist der finanzielle Aufwand jetzt wirklich niedriger als noch 2013?

Ja, ist es schon weniger geworden, auch wenn es für uns jedes Jahr ein finanzieller Kraftakt ist. Aber wir haben in den vergangenen Jahren Rücklagen aufgebaut. So können wir es verkraften, dass wir heuer erstmals ein leichtes Minus machen. Hauptsächlich wegen des Viertelfinales. Für die Teilnahme müssen wir an den Verband und für die Schiedsrichter knapp 2000 Euro zahlen. Dazu kommen die Ringer, die ja nach Einsätzen bezahlt werden. Das Paradoxe ist: Je mehr Erfolg man hat, desto höher sind die Kosten. Aber generell steht der Verein finanziell absolut gut da. Wir haben keine Schulden und keinen Großsponsor, sondern hauptsächlich Firmen aus der Umgebung, von denen uns 80 bis 90 Prozent unabhängig von Ligazugehörigkeit unterstützen.

Sie sind 2013 auch mit der Maßgabe angetreten, überwiegend auf Ringer aus dem eigenen Verein zu setzen. In den letzten Kämpfen waren beispielsweise drei oder vier Eigengewächse dabei. Ist das Konzept aufgegangen?

Ich denke, es ist aufgegangen, auch wenn man da geteilter Meinung sein kann. Mir halten auch Leute vor: "Du hast gesagt, dass du mit zehn eigenen Leuten antreten willst." Aber das geht nicht, ausländische Verstärkungen braucht man immer. Aber im Schnitt sind vier von zehn Leuten unsere eigenen. Und dann sind ja auch Leute wie Florian Lederer, Vladislavs Jakubovics, Andreas Walter und Manrikos Theodoridis dabei, die nicht nur zu den Kämpfen kommen, sondern das ganze Jahr bei uns trainieren. Das ist das Wichtigste. Nur mit eigenen Leuten anzutreten, ist schwierig, das habe ich gelernt. Aber viele von denen kämpfen ja auch in der Zweiten Mannschaft, die super drauf ist und in der Bayernliga als Aufsteiger Zweiter ist.

Im Nachhinein haben Sie mit ihrem Weg Recht behalten. Woher haben sie 2013 als 21-Jähriger die Überzeugung genommen, dass das alles gut geht?

Sicher war auch ein bisschen jugendlicher Leichtsinn dabei, und mit vielen Aufgaben habe ich nicht gerechnet, die als Vorsitzender auf mich zugekommen sind. Aber ich habe mich schon damals nicht nur fürs Ringen interessiert, sondern auch für Sachen wie Kaderplanung und Management. Und von meinem Beruf her kenne ich mich mit den Finanzen ja auch nicht schlecht aus. Ich war mir ganz sicher, dass ich es hinkriege, weil ich gewusst habe, dass ich im Verein die richtigen Leute als Verstärkung habe. Die sind ganz wichtig, ohne jeden Einzelnen, der seinen Teil beiträgt, würde es nicht funktionieren. Und ganz wichtig sind meine Eltern und meine Schwester. Die haben zuerst auch Bedenken geäußert, aber ich habe immer den vollen Rückhalt im Familienkreis gehabt und so alle Schwierigkeiten gemeistert.

Sie sind bis 2020 im Amt bestätigt worden, obwohl sie bei der jüngsten Wahl eigentlich nicht mehr als Vorsitzender antreten wollten. Warum der Umschwung?

Es hat sich einfach kein anderer gefunden. Aber hoffentlich beim nächsten Mal, vielleicht macht es einer meiner Stellvertreter. Ich würde weiter im Vorstand mitarbeiten und mich auf die sportliche Leitung konzentrieren. Aber eines ist klar: Ich werde den Verein nie im Stich lassen.

Wo sehen Sie die Zukunft des SVS, auch in sportlicher Hinsicht?

Es wäre schön, wenn wir bis zur 100-Jahr-Feier 2022 mit der Mannschaft in der Bundesliga durchhalten. Aber wenn es finanziell und sportlich ungesund wird, werden wir die Reißleine ziehen. Der Verein ist nicht die Bundesliga, das ist nicht alles. Es zählt nicht nur der Leistungs-, sondern auch der Breitensport. Wir haben derzeit einen Aufschwung im Nachwuchs, gerade bei den ganz Kleinen kommen viele ins Training. Das macht den Verein aus. Wichtig ist einfach, dass wir hier weiter Ringen anbieten können.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4245960
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.12.2018/nta
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.