Haag:Die Nachtigall vom Ampertal

Haag: Der Maler Moritz von Schwind verehrte die Operndiva Carolina Hetznecker und schuf zahlreiche Porträts von ihr.

Der Maler Moritz von Schwind verehrte die Operndiva Carolina Hetznecker und schuf zahlreiche Porträts von ihr.

(Foto: Picasa/oh)

Vor 200 Jahren wurde in Haag die Operndiva Carolina Hetznecker geboren. Sie zählte in München zu den schillernden Figuren der Biedermeierzeit.

Von Kreisheimatpfleger Bernd Feiler, Freising

Die Gesänge der Rotkehlchen, Amseln und Nachtigallen des Ampertales sollen Caroline Hetzneckers Begeisterung für die Vokalkunst geweckt haben. Das behauptet zumindest eine frühe Kurzbiografie der Sängerin. Nach ihrem Gesangsstudium in Mailand wurde sie zum Star der Münchner Hofoper. In der königlichen Residenzstadt zählte die Hetznecker zu den schillernden Figuren der Biedermeierzeit. Ihre Karriere endete früh mit ihrer Ehe: Verheiratete Frauen hatten im 19. Jahrhundert ihre Pflichten als Hausfrauen und Mütter zu erfüllen. Ein unstetes Künstlerleben galt damals als unschicklich.

Die Wurzeln im Ampertal

Carolina Hetznecker kam am 22. November 1822 in Haag an der Amper zur Welt. Ihr Vater Johann war dort Gerichtshalter des Grafen Maximilian von Lodron. Johann Hetznecker hatte in zweiter Ehe die Münchnerin Barbara Holderer geheiratet. Schon zwei Monate nach der Hochzeit feierte man die Taufe der gemeinsamen Tochter Carolina. Bereits 1826 starb der Vater Carolinas an Lungenentzündung. Bis heute erinnert ein Grabstein an der südlichen Außenmauer der Haager Kirche St. Laurentius an den gräflichen Gerichtshalter, dessen erste Ehefrau und die vier Kinder aus erster Ehe.

Ludwig I. als Förderer

Mit ihrer Mutter zog die vierjährige Carolina Hetznecker zu ihren Großeltern nach München. Dort besuchte sie von 1828 an die Central-Singschule, wo ihre schöne Stimme auffiel. Der Hofoperntenor Franz Xaver Löhle und dessen Kollege, der Bassbariton Leopold Lenz, erteilten ihr Gesangsunterricht. Lenz vermittelte wohl auch das Engagement in den Chor des königlichen Hof- und Nationaltheaters. Dort erregte die jugendliche Carolina Hetznecker die Aufmerksamkeit König Ludwigs I. Der Monarch war von der hübschen Sängerin so angetan, dass er höchstpersönlich anordnete, sie nicht mehr als Choristin, sondern als Solosängerin zu beschäftigen. Der Chorgesang würde nämlich der schönen Stimme der Sopranistin schaden, befürchtete der König.

Mit 16 Jahren debütierte Carolina Hetznecker am königlichen Nationaltheater als Isoletta in Vincenzo Bellinis Oper "La Straniera". Wenige Wochen später sang sie erstmals die Pamina in Mozarts "Zauberflöte". Überraschend wohlwollend reagierten das Publikum und die Kritik auf die gesanglichen und darstellerischen Leistungen der Hetznecker. Nach dieser Feuertaufe schickte Ludwig I. Carolina Hetznecker nach Mailand. Am dortigen Konservatorium erlernte sie vermutlich bei Alberto Mazzucato die Kunst des "Passagio". Diese Gesangstechnik beherrschen bis zum heutigen Tag nahezu alle Weltstars der Oper, in Deutschland jedoch ist sie nahezu vergessen.

Primadonna und Persönlichkeit der Kunstszene

Im Jahr 1841 kehrte Carolina Hetznecker nach München zurück und stand erneut in Vincenzo Bellinis "La Straniera" auf der Bühne. Diesmal allerdings in der Hauptrolle als Alaide. Kurz darauf erfolgte ihr umjubeltes Debüt als Catharina Cornaro in Franz Lachners gleichnamiger Oper. Mit beiden Rollen wurde Carolina Hetznecker zum Liebling des Münchner Publikums.

In nur zwei Spielzeiten erarbeitete sich die Sängerin zwölf weitere Partien, darunter die Gräfin in Mozarts "Figaro" und die Agathe in Carl Maria von Webers "Freischütz". Kritiker und Publikum feierten nicht nur ihre virtuose Stimme, sondern auch die leidenschaftliche Darstellung der grazilen Künstlerin. Der Maler Moritz von Schwind war der Sopranistin schier verfallen. Schwind schuf zahlreiche Zeichnungen der Hetznecker in verschiedenen Opernrollen. Er porträtierte die Künstlerin in Öl und machte sie zur Hauptfigur seines berühmten Gemäldes "Eine Symphonie", das sich derzeit in der Sammlung Schack befindet.

Frau Regierungsrat in Schongau und München

Im Alter von 29 Jahren ehelichte Carolina Hetznecker den elf Jahre älteren Karl Sebastian von Mangstl und nahm in der Rolle der Lady in André Hippolyte Chelards Oper "Macbeth" Abschied von der Bühne. Der Gatte der Sopranistin war kurz vor seiner Hochzeit zum Landrichter von Schongau ernannt worden. Dies entsprach damals der Position eines heutigen Landrates. Und so folgte die Künstlerin 1849 ihrem Mann von der königlichen Residenzstadt in die beschauliche Kleinstadt am Lech. Dort schenkte sie drei Kindern das Leben. Trotz ihres Rückzugs vom Theater behielt Carolina Hetznecker den Titel einer königlichen Hofopernsängerin und trat hie und da in Konzerten auf. Nach fünf Jahren kehrte sie mit ihrer Familie nach München zurück.

Familientragödie

Im Alter von 43 Jahren traf Carolina Hetzenecker ein schwerer Schicksalsschlag: Seit dem 11. Januar 1864 war ihr Ehemann, der schon längere Zeit an Depressionen litt, unauffindbar. Spaziergänger entdeckten am Isarufer bei Oberföhring seine Kleidung. Erst sechs Wochen später fand man die Leiche Karl von Mangstls in einem Altwasser bei Freimann. Nach diesem tragischen Ereignis wurde es still um die Sängerin.

In Künstlerkreisen genoss die Hetznecker noch lange hohes Ansehen. Der vierzehnjährige Richard Strauss widmete ihr die beiden Lieder "Im Walde" und "Der Spielmann und das Kind", der Maler Leo Samberger schuf ein Bildnis der Diva, das bis heute im Foyer des Nationaltheaters in München hängt. Am 10. August 1888 starb Carolina Hetzecker in München im Alter von 66 Jahren an einer Lungenkrankheit. Auf dem alten südlichen Friedhof fand sie ihre letzte Ruhe, die Grabstätte ist nicht erhalten. Auch die Hetzneckerstraße in München-Bogenhausen erhielt 1965 einen neuen Namen. Und so erinnern heute vor allem die Gemälde und Zeichnungen Moritz von Schwinds an die Nachtigall vom Ampertal.

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