Gummigranulat:Mikroplastik auf Kunstrasen: Ein Meer aus schwarzen Punkten

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Eine Art Kehrmaschine sammelt auf den Kunstrasenplätzen des SE Freising Mikroplastik ein. Die Teilchen werden gereinigt und zu neuem Material verarbeitet. Das Gerät erfasst Partikel einer Größe von einem Zehntelmillimeter.

Von Nadja Tausche, Freising

Das, was wirklich schädlich ist, sieht man mit bloßem Auge nicht. Sichtbar ist aber, wo das Problem herkommt: Zwischen den künstlichen Grashalmen des Fußballplatzes an der Savoyer Au liegen schwarze Kügelchen, sie sind etwa so groß wie die in einer Füllerpatrone. Weil tagein, tagaus Fußballer über den Platz rennen, spalten sich von den Kügelchen mit der Zeit kleinste Partikel ab: Mikroplastik. Diese Teilchen hebt der Wind auf und trägt sie auf die Wiesen und in die Bäche der Region und damit letztendlich ins Grundwasser.

Deutsche Kunstrasenplätze sind zu großen Teilen mit Gummigranulat aus Altreifen befüllt. Die Plätze haben wohl einen entscheidenden Anteil daran, dass Mikroplastik in die Umwelt gelangt - das geht aus einer Studie hervor, die das Fraunhofer Institut im Juni 2018 veröffentlicht hat. Zumindest zu einem Teil verhindern kann die Verbreitung eine orange Gerätschaft, die aussieht wie eine Kehrmaschine.

Sieht aus wie eine Kehrmaschine: Mit Hilfe von Wasserdüsen werden Gummigranulat und Mikroplastik aufgeschwemmt und dann ausgesiebt. (Foto: Marco Einfeldt)

Die brummt an diesem Mittwochvormittag in geraden Bahnen über den Kunstrasenplatz des SE Freising. In durchsichtigen Schläuchen pumpt sie schwarze Teile ins Innere der Maschine, vom Boden tropft Wasser. "Die Teilchen werden aufgeschwemmt und dann eingesammelt", erklärt Wolfgang Seeholzer, Gründer der Firma Polyclean: Das Ganze passiert mit Hilfe von Wasserdüsen. So werden Mikroplastik und Feinstaub mit Wasser gebunden und dann abgesiebt. Als Seeholzer den Deckel der Maschine anhebt, ist ein Meer aus schwarzen Punkten zu sehen, dazwischen Grashalme und kleine Ästchen. Die großen Gummigranulatteile sind dabei Kollateralschaden: Sie werden später gereinigt und wieder auf Kunstrasenplätzen verteilt. Die Mikroplastikteilchen, die wirklich runter müssen vom Platz, schickt Polyclean an Firmen, die daraus neues Plastik herstellen.

"Die Branche ist in Aufruhr"

"Die Branche ist in Aufruhr", meint Wolfgang Stocker vom Vertrieb der Firma über die Kunstrasenhersteller. Das gelte vor allem, seit die Kunstrasenstudie ein so großes Medienecho ausgelöst habe. Für die Firma Polyclean dürfte das nicht von Nachteil sein: Vor allem, weil Seeholzer zufolge nur eine Handvoll Firmen in Deutschland überhaupt Nassreinigung von Kunstrasen anbieten. Polyclean reinigt die Plätze seit 1993, ist in München und Umland, aber auch in Kiel und Schweden aktiv. Stocker meint: Es sei wichtig, das Umdenken, das gerade stattfinde, weiterzuführen.

Das sieht man offenbar nicht überall so. "Viele Kommunen gehen fahrlässig mit ihren Kunstrasenplätzen um", sagt er. Das hänge oft mit Unwissenheit zusammen, die Plätze von Mikroplastik zu befreien sei aber auch eine Geldfrage. 2500 Euro kostet es, den Platz an der Savoyer Au zu reinigen, als Eigentümerin bezahlt das die Stadt Freising. Dem Vertreter der Stadt, an diesem Vormittag ebenfalls vor Ort, ist es das wert: Zum einen gehe es um Umweltschutz, zum anderen um die Langlebigkeit des Platzes. Wie oft man Kunstrasen reinigen muss, ist unterschiedlich. Beim SE Freising ist Polyclean einmal im Jahr, "in Hallbergmoos sind wir relativ oft", sagt Seeholzer: Der Platz liege in der Einflugschneise des Flughafens und sei deshalb stark von Feinstaub verunreinigt.

Bis zu 70 Prozent des flugfähigen Mikroplastiks bekommt man mit der Reinigung vom Platz

Wie die Schadstoffpartikel aussortiert werden, sieht man abseits vom Platz. Ein Mitarbeiter hat einen Gullydeckel abgenommen und den Filter ausgetauscht: In einer Art Metallgestell sind jetzt verschiedene pfannengroße Filter übereinandergestapelt. In einem der Gefäße sieht man kleine Pünktchen, sie sind dunkel und feiner als Sandkörner. Es ist das Mikroplastik. Die Maschine sammelt bis zu ein Zehntel Millimeter große Partikel: "So bringt man 60 bis 70 Prozent des flugfähigen Mikroplastiks runter vom Platz", sagt Seeholzer. Kleinere Partikel zu sammeln sei auch möglich, allerdings mit mehr Aufwand.

Wolfgang Seeholzer hat 1993 die Firma Polyclean gegründet. Zu deren Aufgaben gehört die Reinigung von Kunstrasen, um die Fußballplätze von Mikroplastik und Feinstaub zu befreien. (Foto: Marco Einfeldt)

Fußballplätze mit Teilen alter Autoreifen zu befüllen, die sich nach und nach zu Mikroplastik auflösen: Für die Umwelt ist das eine Katastrophe. Die Folgen des Mini-Plastiks für den menschlichen Körper sind noch unklar. Glaubt man Stocker, sind die gängigen Alternativen aber keine perfekte Lösung. In Moosburg trainiert man auf Kunstrasen aus Quarzsand, der SV Marzling spielt auf Naturkork. Beides sei zwar für die Umwelt besser als Gummigranulat, meint er - aber auch sie gäben kleine Fasern an die Umwelt ab. Auf natürlichem Rasen zu trainieren, ist für viele Fußballvereine keine Option: Weil der weniger belastbar ist, bräuchte man mehr Felder und dürfte im Winter nicht trainieren. Um zumindest bei bestehenden Granulatplätzen das Verbreiten von Mikroplastik zu verhindern, empfiehlt Stocker sogenannte Austrittszonen: In dem Bereich am Spielfeldrand schütteln die Fußballspieler ihre Schuhe aus, mit denen sie die Partikel sonst in die Umgebung tragen würden.

Generell, meint Stocker, sei es so: Kunstrasen sondere zwar einiges an Mikroplastik ab - noch viel schlimmer sei aber der Abrieb von Auto- und Flugzeugreifen. Nur: Irgendwo müsse man ja anfangen.

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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